Paul Zech
Deutschland, dein Tänzer ist der Tod
Paul Zech

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XXXII   Max Zumpe macht sich wieder ehrlich

Als Hillmann auf der Untergrundbahn-Station Kochstraße am Zeitungskiosk stand und die knalligen Titel der neu erschienenen Broschüren aus der Schwindelfabrik Joseph Goebbels & Co. las, stieß ihn ein älterer SA-Mann an. Hillmann trat ein wenig zur Seite und entschuldigte sich, obwohl eigentlich der SA-Mann diese stereotype Höflichkeitsfloskel, die man in solchen Fällen murmelt, hätte äußern müssen. In Situationen dieser und ähnlicher Art war Hillmann jedoch immer darauf bedacht, sich so unauffällig als nur irgend möglich zu benehmen. Er sagte sich: Um keinen Preis einen von diesen braunen Burschen reizen. Und wenn man dazu auch noch die Taschen voll hat mit gefährlichem Material, dann einen Bogen um solche zackigen Gestelle in brauner oder schwarzer Uniform machen. Er ging auch sofort auf die andere Seite des Bahnsteigs hinüber. Der Zug konnte in der nächsten Minute schon einlaufen. Er sah nach der Richtung, aus der die Wagen heranbrausen mußten, und hatte den Braunen schon wieder vergessen. Es war elf Uhr vormittags, eine tote Zeit, die Züge nach der Seestraße fuhren meist halbleer.

Als die drei Wagen endlich einliefen, stieg Hillmann in den mittleren. Es saßen dort höchstens fünf Personen auf den langgestreckten Bänken, alle in einem weiten Abstand voneinander, so, als wäre jeder froh, endlich einmal keinen fremden Menschen neben sich zu verspüren.

Hillmann hatte gar nicht bemerkt, daß der SA-Mann ihm beim Einsteigen auf dem Fuß gefolgt war. Und jetzt nahm er sogar dicht neben ihm Platz. Eine Sekunde lang wurde es Hillmann heiß im Kopf. Er biß sich auf die Unterlippe (eine Angewohnheit, sich zur Ruhe zu zwingen), und schon war diese Ruhe da und die Spannung: Dieser SA-Mann hier, ist es ein Zufall oder Absicht?

Er drehte den Kopf nach links, die Augen fingen die Inschrift von 437 einem Werbeplakat für irgendwelche Zigarettenmarken auf, und die Gedanken konzentrierten sich darauf, was nun geschehen würde. Denn es schien wohl doch kein Zufall zu sein, vorhin das Anstoßen und nun dieses dichte Nebeneinander. Er hatte dem Mann noch nicht genau ins Gesicht hineingesehn. Jetzt aber gab er sich einen Ruck, drehte die Augen von dem Plakat weg und schaute den Mann groß an, der die ganze Zeit über auf diesen Moment gewartet hatte. Und schon trafen ihn die Worte: »Du scheinst mich wohl nicht mehr zu kennen? Zumpe, Max Zumpe. Ich bin draußen bei euch ein paar Wochen Aushilfsheizer gewesen, gleich nach der Inflation. Erinnerst du dich nicht mehr? Wir haben oft zusammen Karten gespielt, als du Nachtdienst hattest. Es war auch noch ein gewisser Beilke dabei, der brachte immer selbstgekelterten Stachelbeerwein mit. Bist du jetzt im Bilde, Hillmann?«

»Ja, jetzt dämmert es so langsam bei mir. In deinem Gesicht aber, da finde ich mich noch immer nicht zurecht.«

»Das kann schon möglich sein; ich habe damals einen Spitzbart getragen und war vielleicht auch noch etwas voller im Gesicht.«

»Und eine blaue Kluft hast du natürlich getragen; die braune war damals noch nicht Mode bei Leuten, die sich für Proletarier hielten. Braun verändert.«

»Ich habe dich damals nie in Zivil gesehen, immer in dem weißen Anstaltskittel. Und doch habe ich dich sofort wiedererkannt. Eigentlich nicht erst heute. Ich sah dich in der vorigen Woche schon einmal, in der Stampe von Franz Müller. Es saßen dort aber noch ein paar andere mit dir am Tisch, die ich nicht kannte, deshalb bin ich auch nicht herangekommen, um dir einen guten Tag zu sagen.«

»Du gehörst wohl zur Kaserne Chausseestraße?«

»Ja, hier in der Hedemannstraße hatte ich nur eine dienstliche Besorgung zu machen. Sonst komme ich kaum in dieses Viertel.«

»Und Scharführer bist du auch? Es gefällt dir also die Soldatenspielerei . . .«

»Gott ja . . . ich bin vier Jahre und neun Monate ohne Arbeit gewesen.«

»Es ist vielen von deinen Kollegen noch schlechter gegangen.«

»Das stimmt schon, Hillmann. Stimmt. Und du bist jetzt auch abgebaut?«

»Den einen trifft es heute, den anderen morgen. Damit jeder mal rankommt.«

»Du warst aber doch auf Lebenszeit angestellt.« 438

»Der Kaiser Wilhelm ist auch mal fest angestellt gewesen. Und der Genosse Braun hatte vor, ewig preußischer Ministerpräsident zu bleiben.«

»Man sieht immer klarer, daß alles Feste und Bleibende nur in der Einbildung existiert.«

»Bei wem? Bei Hitler schon oder bloß bei dir?«

»Bei mir. Und deshalb hätte ich gern einmal mit dir gesprochen, Hillmann. Unter vier Augen, selbstverständlich.«

»Ach so. Hast du dir das auch genau überlegt? Du könntest dir nämlich die Finger dabei verbrennen. Wenn du aber durchaus willst. Ich habe keine Angst. Und außerdem hat man ja zwei Ohren.«

»Ich weiß genau, wo du stehst, Hillmann.«

»Weshalb sollst du als Scharführer das nicht wissen? Ich sagte dir ja . . . Angst . . . nee, Junge!«

»Du wirst heftig gesucht, Hillmann.«

»Na also!«

»Hillmann, so kommen wir nicht weiter. Du mußt mir gegenüber deine Reserviertheit schon einen Pflock zurückstecken. Ich will nichts anderes als mich einmal in Ruhe aussprechen mit dir. Ich habe Nachtdienst gehabt, ich hätte heute den ganzen Tag Zeit.«

»Wenn du durchaus willst?«

»Daß ich nicht mit Hintergedanken komme, darüber kannst du beruhigt sein.«

»Reden wir nicht davon. Wo und wann wollen wir uns treffen?«

»Ich dachte, wenn es sich machen ließe . . . gleich!«

»Hier? Im Wagen? Ich muß Seestraße aussteigen.«

»Hier nicht. Denn dann müßten wir zweimal rund um Berlin fahren. Nein, das Wo überlasse ich dir.«

Der Zug lief in die Endstation ein. Sie gingen langsam die Treppe hinauf. Die Tageshelle blendete ein paar Sekunden lang. Sie überschritten die Straße, aufgeschreckt durch das alarmierende Klingeln der Elektrischen, unter die sie beinahe geraten wären. Der Wagenführer schrie ihnen nach: »Olle Dussels!« Auf dem Bürgersteig tummelten sich ein paar Jungens herum und spielten Soldat: Helme aus Zeitungspapier auf dem Kopf und hölzerne Säbel im Gurt aus Bindfaden. Mit Kreide malten sie Hakenkreuze auf die Steinquadern. Manchmal aber auch Figuren, die Hammer und Sichel darstellen sollten.

Hillmann und der SA-Soldat gingen schon eine ganze Weile 439 nebeneinander her, ohne daß sie ein Wort wechselten. Schließlich meinte Hillmann: »Hast du dir jetzt überlegt, wohin wir gehn sollen?«

»Das wollte ich dir überlassen, Hillmann, damit du nicht womöglich auf den Gedanken kommst, ich will dir am Ende doch noch eine Falle stellen.«

»Du mußt ja gehörig durcheinandergeschüttelt sein oder ein verflucht schlechtes Gewissen haben! Gewiß mach ich mir Gedanken, andere aber, als du vermutest. Gut, wenn du Lust hast, können wir uns gleich dort drüben in die Budike setzen.«

»Von mir aus . . . egal, Hillmann!«

Es war niemand sonst in dem Lokal. Die Wirtsfrau spülte Gläser. Ein feister gelber Kater strich herum und scheuerte sich an den Stuhlbeinen. Er hatte einen dicken Kopf, und wenn man genau hinsah, war eine gewisse Ähnlichkeit mit Göring da. Sonderbarerweise wurde er auch Hermann gerufen.

Sie setzten sich an den Tisch, der direkt am Fenster stand und die Vorgänge auf der Straße überblicken ließ. Der SA-Mann rief nach der Theke hin: »Zwei Mollen!« Und Hillmann sah, wie die Wirtin das Gesicht verzog. Er kannte dieses Lokal nicht. An der Wand aber hing eine schwarze Tafel »Feuerbestattungsverein Vorwärts«. Und schlecht ausgewischt ein paar mit Kreide geschriebene Buchstaben. Ein früheres Verkehrslokal der SPD also. Auf der Theke standen eine Schüssel mit Buletten und ein Glas Rollmöpse, daneben eine Messingvase mit roten Strohblumen.

Der SA-Mann, nennen wir ihn jetzt Max Zumpe, blies den Schaum vom Bier und hob das Glas: »Na, denn Prost!« Er trank das Glas in einem Zuge leer, gab der Wirtin einen Wink, die das Glas abholte und neu füllte. Hillmann hatte nur einen kleinen Schluck genommen. In seinem Magen war noch nichts Festes. Das eiskalte Bier staute sich. Er ließ das Aufstoßen der Kohlensäure durch die Nase ab.

Max Zumpe fragte verwundert: »Du bist das Biertrinken wohl nicht mehr gewohnt?«

»Man hat sich manches abgewöhnen müssen.«

»Nur die Gesinnung nicht, davon bist du noch nicht abgegangen.«

»Die Gedärme kann man sich nicht herausreißen und die Haut nicht herunterziehn vom Leibe. Mit den Hemden geht es einfacher.«

»Ich habe die Nase voll, Hillmann.«

»Nanu . . . jetzt, wo es doch erst richtig anfängt bei euch?«

»Was denn?« 440

»Das, was dir wahrscheinlich vorgeschwebt hat, als das Hemd dir näher lag . . . verstehst du?«

»Ich habe fest daran geglaubt, daß der nationale Sozialismus uns ein Stück weiter bringt als der internationale. Denn der hat es doch nicht verhindern können, daß der Krieg ausbrach und sich so in die Länge zog und alles kaputt machte. Und auch nicht verhindern können, daß nachher allein in Deutschland sieben Millionen Menschen als unnützes Zeug einfach auf die Straße geworfen wurden. Und der auch keinen Rat dafür gehabt hat und keine Macht, daß diese sieben Millionen Menschen wieder zu Lohn und Brot kamen.«

»Jetzt, unter der Herrschaft des neuen Sozialismus, haben diese sieben Millionen Menschen Lohn und Brot?«

»Weil sie es nicht haben und vielleicht auch nie bekommen werden, das wirst du wahrscheinlich besser beurteilen können als ich, deshalb habe ich den Krempel satt.«

»Sagen wir, weil du noch keine gutbezahlte Arbeit hast . . .«

»Es ist nicht die Arbeit allein, Hillmann . . . es kommt auf die Bedingungen an, unter denen in Zukunft gearbeitet werden soll.«

»Du hast dir am Ende womöglich vorgestellt, du könntest so eine Art Betriebsleiter werden oder Bürgermeister vom Wedding?«

»Wir wollen lieber nicht pflaumen, Hillmann! Du weißt ganz genau, daß ich früher in der Gewerkschaft und in der Partei meinen Mann gestanden habe.«

»Solange du durch die Gewerkschaft deinen auskömmlichen Lohn hattest.«

»Wer das Elend durchgemacht hat, das ich hinter mir habe, der versteht, daß man nach jedem Strohhalm greift. Ich habe fünf Kinder, und die Frau ist kaputt, die kann nicht mehr mitverdienen.«

»Du hast recht, wir wollen uns hier mit dem Gewesenen nicht aufhalten, es ist geschehen, daß du umgefallen bist, und daran ist nichts zu ändern. Du brauchst dich auch nicht anzustrengen und nach Entschuldigungen zu suchen, denn du bist es ja nicht allein, der umgekippt ist. Wie stellst du dir aber das vor, daß ich jetzt dein Gewissen beruhigen könnte? Womit und wodurch? Ich kann doch nur sagen: Zieh dir das braune Barbarenfell schnell wieder ab. Und wenn dabei ein Stück Fleisch mitgeht, dann schrei nicht auwei! Du bist geliefert. wie, das brauche ich dir wohl nicht zu erzählen.«

»Vorläufig kann ich aus dem Hemd noch nicht heraus.«

»Na also!« 441

»Es wird aber bald soweit sein. Und damit es gründlich geschieht, dazu brauche ich deinen Beistand. Es geht schließlich ja auch um deine Leute. Ich weiß manches und erfahre anderes so früh, daß es euch nützt, wenn ich es euch sage.«

»Das, was du vorhast, überlege dir nicht ein-, sondern dreimal.«

»Ich habe es mir bis ins letzte hinein überlegt, Hillmann. Ich habe früher zu euch gehört, und ich will auch jetzt wieder zu euch gehören. Ich will zurück, es wird nicht zu spät sein. Ich will es mir aber erst verdienen. Ich will es mir sauer werden lassen.«

»Was ist nun der wirkliche Grund, daß du es satt hast, als Ölgötze durch die Straßen zu marschieren?«

»Ich habe inzwischen eingesehen, daß es dieser Partei gar nicht darum geht, unsere Lage zu verbessern, im Gegenteil: nur noch zu verschlechtern. Und daß die Ausrottung des Marxismus nur ein Vorwand ist. Und daß das Kapital der alleinige Nutznießer sein soll.«

»Das ist dir alles vorher schon bekannt gewesen. Das haben dir unsere Blätter haargenau auseinandergepellt. Das wirst du in den Versammlungen oft genug gehört haben.«

»An Geschriebenes hat man in den letzten Jahren nicht mehr recht glauben wollen. Und von den Stempelstellen sind die Leute in Scharen zum ›Sportpalast‹ gelaufen und haben sich von dem Klamauk besoffen machen lassen.«

»Besoffen?«

»Ja . . . von den geschwollenen Reden und dem großen Theater.«

»Und jetzt endlich bist du nüchtern und willst für uns arbeiten?«

»Ich will mich wieder ehrlich machen, Hillmann!«

»Und wie hast du dir das vorgestellt?«

»Daß ich euch zunächst Tips gebe. Ich kann dir heute schon einen geben. Und daran wirst du auch gleich sehen, daß ich etwas tun kann, wenn ihr wollt.«

»Du bist nicht der erste, der so kommt. Alle, die zu uns schon so gekommen sind, haben wir ruhig angehört. Und die Tips, die sie uns gaben, waren richtig. Sie hatten oft aber auch einen Pferdefuß. Und der Teufel, dem er gehörte, enthüllte sich bald.«

»Ich habe natürlich damit gerechnet, daß ihr mich als Lockspitzel ansehn werdet. Meinetwegen könnt ihr es auch so halten. Es wird euch aber doch bald ein Licht aufgehn. Und ich habe Zeit zu warten, bis dieses Licht euch aufgeht. Ich habe das Warten gelernt.«

»Schön, halten wir es so. Und es ist gut, daß du verstehst, daß wir 442 dich nicht gleich mit offenen Armen aufnehmen können. Du wirst dich bewähren müssen.«

»Mehr will ich zuerst auch nicht.«

»Hast du illegale Schriften gelesen?«

»Es werden oft welche bei uns unter die Tür gesteckt.«

»Welche zum Beispiel hast du gelesen?«

»Ja . . . da kommt meist das ›Rote Sprachrohr‹ und auch der ›Klassenkampf‹. Und ganz allgemeine Flugblätter.«

»Das stimmt? Diese Zeitungen habt ihr nicht in der Kaserne gehabt, von Beschlagnahmungen her?«

»In der Kaserne haben manchmal diese und auch noch andere illegale Zeitungen zirkuliert.«

»Heimlich?«

»Das nicht. Aber wir haben die Blätter gelesen.«

»Eine andere Frage jetzt: Wo ist der Wilhelm Hempel hingekommen, den die Kolonne Beilke bei euch abgeliefert hat? Vor acht oder neun Monaten wird das gewesen sein?«

»Der Wilhelm Hempel ist bei uns abgeliefert worden, das stimmt. Und auf Zimmer 31 haben sie ihn vernommen. Ich bin aber nicht dabei gewesen.«

»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Oder willst du etwa behaupten, du hättest nie geprügelt?«

»Geprügelt habe ich auch. Ich habe mich aber nie freiwillig dazu gemeldet. Und ein großer Schläger bin ich auch nicht. Du weißt, daß ich vom Krieg her den rechten Arm steif habe.«

»Mich interessiert nicht, wer Wilhelm Hempel geschlagen hat. Das kommt erst in zweiter, dritter Linie in Betracht. Wo aber ist Hempel hingekommen nach dem Verprügeln?«

»Wie die anderen alle, in den Keller.«

»Und dort hockt er heute noch?«

»Nein, im Keller haben sie ihn ganz fertig gemacht. Ihn und Heinrich Clever. Mit Heinrich Clever habe ich bei der ›Bewag‹ lange zusammen gearbeitet. Ich wußte gar nicht, daß er im Bunker war zum Fertigmachen. Ich kam erst hinzu, als sie ihn in eine alte Pferdedecke packten. Ich hätte ihn auch gar nicht wiedererkannt. Er hatte gar kein Gesicht mehr. Aber der Sturmbannführer Hengstenberg sagte, man müsse Clever den Pflaumenbeutel abschneiden und ihn der Frau zum Andenken schicken. Und sie hätten es auch getan, wenn im Augenblick nicht vier neue Leute eingeliefert worden wären. Auf die haben sie sich gleich 443 gestürzt und das Beutelabschneiden vergessen. Die beiden Leichen blieben bis zum anderen Morgen liegen, in die Decken geschnürt und mit einer alten Tür zugedeckt.«

»Welche beiden? Der Clever und . . .?«

»Der Clever und der Wilhelm Hempel.«

»Sie können dort unten doch nicht liegengeblieben sein!«

»Das nicht. Um drei in der Früh aber kam meine Ablösung. Und vier Mann von der Ablösung sind nach Tegel rausgefahren und haben die beiden Leute im Wald eingebuddelt. Das hörte ich am Nachmittag, als ich wieder zum Dienst kam.«

»Wo ungefähr die beiden Leichen eingebuddelt worden sind, weißt du wohl nicht?«

»Das haben sie mir nicht gesagt, bloß daß sie schon schrecklich gestunken hätten. Ich konnte doch auch nicht gut fragen, denn dann hätten sie mich schief angesehen. Ich hätte es aber gern gewußt, schon Heinrich Clevers wegen. Daß man ihm so mitgespielt hat, das hat mir den letzten Knacks gegeben.«

»Wer waren die vier, die das Einbuddeln im Tegeler Forst besorgten?«

»Das waren der Scharführer Hillekamp, die SA-Männer Koppe, Christian Munck und Peter Borowski.«

»Weißt du zufällig den Vornamen von Koppe?«

»Tute haben sie ihn immer genannt.«

»War der früher nicht einmal bei ›Hertha B.S.C‹ im Sturm?«

»Beim Fußball war er; ich glaube aber bei ›Norden-Nordwest‹.«

»War Tute Koppe dabei, als sie Wilhelm Hempel erledigt haben?«

»Da ist nur der Hillekamp dabei gewesen. Der Hauptschläger war ein gewisser Rehberg. Der ist überhaupt immer dabei.«

»Das ist wohl der Pferdemetzger?«

»Ja . . . Pferdemetzger wird gesagt, von Beruf aber ist er Rohrleger.«

Es standen vier geleerte Gläser vor Max Zumpe. Und alle Augenblicke fuhr er sich mit dem Taschentuch über die Stirn. Und immer sah er in das Gesicht von Hillmann hinein, das wie aus einem Stück Holz herausgehauen war, ganz trocken und hart. Die Augen lagen ihm tief im Kopf.

Nach einer Pause, während der noch zwei andere Männer das Lokal betraten, sich in die dunkle Ecke am Billard setzten und Erbsensuppe bestellten, sagte Max Zumpe: »Ich werde jetzt auch zum Essen gehn müssen, meine Alte wartet wahrscheinlich schon. Um sieben habe ich 444 wieder Dienst. Und ich wollte dir bloß noch sagen: Die Kolonie Petersberg soll heute nacht Besuch bekommen. Drei Wagen, Hunde und Scheinwerfer.«

»Das ist bestimmt, und du bist dabei?«

»Wahrscheinlich muß ich mit dabei sein.«

Hillmann rief die Wirtin heran und zahlte, auch für Zumpe. Es war kein freundliches Gesicht, das die Wirtin machte. Das merkte Zumpe aber nicht. Er hatte sich einen dicken Schädel angehitzt von all dem, was er Hillmann mitgeteilt und wie der es aufgenommen hatte.

»Ja . . .«, sagte Hillmann schließlich, »das ist alles nicht neu, was du mir da erzählt hast. Eins gleicht dem anderen. Ob die Kaserne nun Chausseestraße heißt oder General-Pape-Straße. Aber wenn du den Willen hast, loszukommen . . . ja . . . wollen mal sehn. Wo wohnst du?«

»Seestraße 76, zweiter Hof vier Treppen.«

»Es kann sein, daß ich mich einmal melde.«

Max Zumpe streckte die Hand aus, zog sie aber schnell wieder zurück. Hillmann hatte sich bereits umgedreht und sagte im Gehn: »Also denn auf Wiedersehn!« Er bog in die nächste Seitenstraße ein, schritt sie hinauf bis zur zweiten Straße links und ging durch den breiten Torweg eines Hauses bis zum vierten Hof durch. Ehe er die Treppe hinaufstieg, sah er sich noch einmal um, denn es schien ihm so, als wäre ihm jemand gefolgt. Es kamen aber nur zwei Kinder von der Straße her und hinter den Kindern ein Drehorgelmann. Den kannte Hillmann von Person, er arbeitete mit und war einer der rührigsten von den Illegalen in diesem Bezirk. Hillmann wollte sich jetzt aber von ihm nicht sehen lassen und stieg die morschen, abgewetzten und engen Stiegen hoch. Im dritten Stock an der Tür rechts klopfte er dreimal. Die Tür, die in einer Sicherheitskette hing, öffnete sich zuerst nur eine Handbreit, dann flog die Kette zurück, und Martin steckte den Kopf heraus: »Na . . . endlich!«

Die Wohnung gehörte der Klara Hangel, sie arbeitete bei Kahlbaum. Ihren Mann hatte sie schon am 10. Februar, noch ehe der Reichstag brannte, verloren. Er war einer der ersten, die daran, daß Hitler auf dem Marsch war, hatten glauben müssen, nämlich in der Nacht vom 9. zum 10., als er aus einer Versammlung der Bezirksleiter kam und von einem braunen Rollkommando gerempelt und erstochen wurde.

Martin war ein Vetter von Klara Hangel. Sie hatte ihn von dem Tage an beherbergt, als er sein Haus in der Kolonie, auf Anraten von Doktor Grätz, den Schwiegereltern und Kindern überließ.

Martin und Hillmann waren Punkt eins verabredet. Jetzt war es 445 bereits drei, und Martin sagte: »Ich hatte mir schon Gedanken gemacht. Du bist sonst immer pünktlich gewesen. Es ist etwas passiert, wie? Du siehst ganz verbiestert aus.«

»Ja . . . man erlebt das unmöglichste. Kennst du Max Zumpe?«

»Den Heizer? Meinst du den? Der ist doch schon lange bei der SA.«

»In der Untergrund hat er mich angehalten.«

»Dann hast du Glück gehabt, daß du ihm entwischen konntest.«

»Ich wäre ihm gern ausgewichen. Aber ich mußte ihn anhören.«

»Ach so . . . eine Falle?«

»Eine Falle . . . das ist ausgeschlossen. Ich habe drei Stunden mit ihm gesprochen.«

»Daher die Verspätung.«

»Allerhand, was mir der Mann gestochen hat.«

»Wenn es kein Kohl ist, vielleicht kann es uns nützen.«

Hillmann gab einen kurzen Bericht von dem, was Zumpe ihm alles erzählt hatte. Vor allem, daß man jetzt endlich Bescheid wisse, was aus Wilhelm Hempel geworden sei.

Martin ging, obwohl die Stube nur eng war und vollgestellt mit Sachen, erregt auf und ab, bis in den Korridor. Und blieb dann und wann stehen, strich über ein Möbelstück und knirschte mit den Zähnen.

Hillmann hatte seinen Bericht längst beendet. Er dachte jetzt darüber nach, ob es wohl ehrlich gemeint war von Max Zumpe. Und was man tun müsse. Soll er in der SA bleiben und so eine Verbindung schaffen? Vielleicht sogar eine Zelle organisieren? Oder soll man ihn darin noch bestärken, daß er die Brocken hinwirft und außerhalb der SA illegal arbeitet? Der größere Nutzen käme heraus, wenn er bei seiner Formation bliebe. Vorausgesetzt, daß es ihm wirklich ernst war mit der Abkehr von der braunen Räuberbande.

Martin hatte sich mit ähnlichen Gedankengängen in den Fall hineingebohrt. Und als er jetzt stehenblieb, mit dem Rücken gegen einen Schrank, fragte er Hillmann: »Was meinst du? Soll man anbeißen? Ein Gewinn wäre es für uns, wenn die Sache tatsächlich klappen würde. Das heißt, wenn Zumpe bei der SA noch eine Weile bleibt. Für unsere Arbeit sind Leute genug da. Aber in die SA kommen wir nicht jeden Tag hinein.«

»Ich kann mir denken, Martin, daß es jetzt schon viele sind, die die Schnauze voll haben. Und es wird noch mancher zu uns kommen. Ich halte es für richtiger, wenn Zumpe in der SA bleibt.« 446

»Wenn die Sache mit der Kolonie Petersberg stimmt, dann dürfen wir nicht nein sagen, dann müssen wir zupacken und Max Zumpe halten.«

»Auf den Petersberg allein verlasse ich mich nicht. Man wird ihn öfter ausprobieren müssen, und es muß mit aller Vorsicht gearbeitet werden. Ich werde diesen Fall für mich allein reservieren. Sage mal, kannst du heute abend nach Petersberg hinausfahren und den Genossen Bescheid geben? Es ist viel Material draußen, und bei Behnisch wird heftig gedruckt. Ich möchte beinahe glauben, das haben die Braunen spitz bekommen. Wenn uns das gelingen würde, daß die Gesellschaft mit einer langen Neese abziehn muß, dann hätte Max Zumpe manches wieder gutgemacht, was er an Schuftigkeiten auf dem Gewissen hat. Die Genossen müssen für diese Nacht alle verschwinden, und jede Laube muß spiegelblank sein.«

»Klara kommt um sechs aus der Fabrik. Ich kann mich dann gleich auf die Socken machen. Eigentlich wollte ich heute nacht zum Schuster. Aber das mit dem Petersberg geht natürlich vor.«

»Ich habe in dem U. B. sowieso zu tun und wollte auch zum Schuster herangehn. Hattest du etwas Besonderes mit ihm vor?«

»Besonderes nichts. Ich wollte mir nur ein Paket Klebezettel abholen. Zur Verteilung bei meinen Leuten.«

»Ich werde dir einen Rucksack voll von diesen Dingern mitbringen.« Er erhob sich und setzte die Mütze auf. Die Enge hier bedrückte ihn. Vom Fenster sah man auf die schwarzen Wände des Nachbarhauses. Unter dem abgebröckelten Putz quoll es grau heraus wie Schimmel. Manchmal schoß eine Schwalbe herunter und angelte nach Insekten. Von den Möbeln dünstete ein ranziger Fieberschweiß.

»Was . . . du willst schon gehn, Hillmann? Du hättest doch Bohnensuppe mitessen können. Ich wollte sie gerade aufwärmen, ist von gestern noch. Ich habe mir eine anständige Wucht heraufgeholt. Da stand auf dem Hof eine Gulaschkanone von der SA. Wollte sich hier lieb Kind machen. Das Lieb-Kind-Machen können sie sich aber vom Kopf kratzen, nur die Bohnen, die werden gefressen. Immer ran damit!«

»Weshalb sollen sich die Leute die Bohnensuppe nicht holen? So zimperlich sind wir nicht mehr. Nein, ich muß auch noch nach Rangsdorf hinaus, dort wird man mich mit guten Sachen wieder so abfüttern, daß es für acht Tage ausreicht. Vielleicht treffe ich dort auch die Frau vom Doktor Grätz, die soll mir das abnehmen mit dem Wilhelm Hempel 447 und es seiner Frau beibringen, unsereiner wird nie die richtigen Worte dafür haben.«

Martin brachte ihn bis zur halben Treppe. Auf dem Hof, um den Orgeldreher herum, tanzten die Kinder. Hillmann warf ihm einen kurzen Blick zu. In der Luft stand ein bittersäuerlicher Geruch. Der Müll lag bergehoch neben den Kästen. Die Stadt hatte kein Geld, die Abfuhr auf den Stand zu bringen, wie er vor 1933 funktionierte, als Berlin rot war und noch nicht braun. Die Gesundheit dieser hier in den Elendsquartieren zusammengepferchten Menschen war dem Herrn Staatskommissar schnurz und piepe. Der Umbau seiner Dienstwohnung hatte zugestandenermaßen 480 000 Mark verschlungen. Bilder, Teppiche und Möbel haben die Museen liefern müssen. In den Dienststellen der Verwaltung schmarotzten die Günstlinge der SA und SS und bezogen Tausendmark-Gehälter für die Ahnungslosigkeit, mit der sie dem Dienstbetrieb gegenüberstanden.

Und hier die Kinder, in den grauverwaschenen und schäbigen Fähnchen, längst herausgewachsen, die Gesichter leichenblaß, dünne Beinchen und rachitische Zähne. Piepsig, ohne Kraft, sammelten sich die Stimmen zur Melodie »Üb' immer Treu und Redlichkeit bis an dein kühles Grab.«

Es war den Orgeldrehern verboten worden, etwas anderes als Volkslieder auf der Walze zu haben. Die »bolschewistischen Couplets«, wie es in dem Erlaß von Goebbels hieß, »durften das urheilige Gefühl der Kinder für den Mythus des deutschen Wesens nicht mehr vergiften«.

Die Kinder aber hatten sich eigene Texte zu den Melodien gedichtet. Und sie sangen jetzt:

Der Hitler ist kein guter Mann,
er gibt uns trocken Brot.
Die Butter frißt er selber auf,
und Vater schlägt er tot.

Viermal schon hatte der Scharführer Max Zumpe die illegale Bewegung vor Schaden an Menschen und Material bewahren können. Es war jetzt eine direkte Verbindung mit Martin hergestellt. Sie ging durch die Hand von Margareta Vidal, einer Musikstudentin, die mit Max Zumpe im gleichen Haus wohnte. Manchmal, wenn es sich um ganz besonders dringende Sachen handelte, trafen Max Zumpe und Martin 448 sich auch direkt, meist bei dem Zigarrenhändler Ernst Goose in der Birkenstraße. Merkwürdigerweise hatte Goose seit einem halben Jahr keinen Besuch mehr von der Gestapo bekommen. Vielleicht lag das daran, daß die Nazi-Familie Buttke ausgezogen war. Überhaupt hielten sich die Nazis, die in diesem Viertel wohnten, in der letzten Zeit ziemlich zurück. Oft vergaßen sie mit Fleiß und Absicht, die Hakenkreuzfahnen herauszuhängen. Und wenn sie Flugblätter in den Briefkästen oder unter der Türe fanden, lieferten sie das Material nicht mehr ab. Die große Begeisterung war längst abgeflaut bei diesen unteren Schichten, den wirklich betrogenen. Man konnte sogar schon von einer lauen Gleichgültigkeit auch bei denen sprechen, die sich in ein Amt hinaufgeschoben hatten und dort nicht weiterkamen.

Bei Ernst Goose trafen sich auch heute wieder Max Zumpe und Martin. Sie rauchten jeder erst mal eine Zigarette weg und unterhielten sich über alltägliche Dinge. Man sprach von der Knappheit der Kartoffeln, von dem ranzigen Walfischfett und der Milch, die das Doppelte von dem kostete, was man 1930 dafür zahlen mußte, und die jetzt dazu auch noch entrahmt war. Seit den Kriegsjahren war zum ersten Mal wieder eine Lage entstanden, wo in den Großstädten, vor den Lebensmittelläden, die Menschen in Schlangen anstanden, der Schleichhandel blühte und die Wiedereinführung des Kartensystems nur noch eine Frage von Monaten oder gar Wochen war. Zweiundeinhalb Jahre nach der Machtergreifung hatte Hitler Deutschland soweit heruntergewirtschaftet, daß eine Inflation ganz großen Stiles längst schon hätte dasein müssen. Ein raffiniert angelegtes Betrugsmanöver der Reichsbank hielt die Bankrotterklärung einstweilen noch auf.

Über alle diese Dinge unterhielten sich die kleinen Leute nicht mehr im Flüsterton, sie fingen schon an zu murren. Es wurde gemeckert wie nie zuvor.

Ernst Goose erzählte von einem Vorfall, der sich kürzlich auf dem Stettiner Bahnhof zugetragen hatte, unglaublich, aber doch wahr. Dort hatten an die hundert Frauen ihre Männer, die von der Wohlfahrt zwangsweise nach Mecklenburg verschickt werden sollten, aus dem Bahnwagen wieder herausgeholt, obwohl von der Bahnhofswache die nächste SA-Formation herbeigerufen worden war. Die Frauen hatten ihre Kinder mitgebracht und sich einfach zu den Männern gesetzt. Die Frauen schrien, die Kinder weinten. Die Männer, die verschickt werden sollten für eine Mark vierzig Arbeitslohn den Tag, fingen jetzt auch an zu schimpfen. Die SA konnte die Ruhe nicht wieder herstellen. Auf dem 449 Nebengleis stand, vollbesetzt mit Ausländern, der luxuriöse Schwedenzug. Die fremden Menschen bekamen Deutschland so zu sehen, wie es in den »Greuelmärchen der Emigranten, der Juden und Marxisten« schon immer dargestellt worden war, ohne daß man so recht daran hatte glauben wollen. Jetzt aber bekamen die Ausländer einen handgreiflichen Begriff von der »Ruhe, Ordnung und dem Glückhaften« in diesem neuen Deutschland. Die Photographenapparate arbeiteten, und die SA versuchte durch Gut-Zureden den Tumult zu beseitigen. Sie hatten die Gummiknüppel parat, der Truppführer aber wagte nicht, den Befehl zum Drauflosschlagen zu geben. Er tat vielmehr etwas, was selbst die Frauen nicht erwartet hatten, obwohl sie zu diesem Zweck doch gekommen waren . . . Er ließ den Zug nicht abfahren. Er schickte die Männer mit dem ganzen Familienanhang nach Hause.

»Das dicke Ende wird schon nachgekommen sein«, sagte Martin, der von dieser Demonstration bislang nichts gehört hatte.

»Das ist bis heute noch nicht geschehen, Martin!« antwortete Max Zumpe. »Der Sturmführer hat die Meldung zwar gemacht und weitergegeben. Aber gekommen ist darauf bis heute noch nichts. Und die Wohlfahrt zahlt weiter aus, obwohl sie vorher gedroht hatte: Arbeit in Mecklenburg oder Einstellung der Wochenraten.«

»Und was hast du sonst noch Neues, Maxe? Ich meine, weil du es so eilig gemacht hast«, fragte Martin. »Hier, vor Ernst, brauchst du dich nicht zu genieren, der ist im Bilde.«

»Wir haben seit vier Wochen den Schweitzer.«

»Georg Schweitzer? Den Spitzel? Nanu!«

»Der macht jetzt bei uns die Vernehmungen; das habe ich gestern erst erfahren. Und dann ist er auch der Kolonne zur besonderen Verwendung zugeteilt.«

»Kennst du Schweitzer von früher oder kennt er dich? Hast du überhaupt schon einmal mit ihm gesprochen?«

»Ich weiß nicht, ob er mich noch kennen wird. Er war ja früher bei der Kommune und hat dafür bei uns im Betrieb auch agitiert.«

»Ja . . . dieses Schwein! Nachdem er den Tritt von uns bekommen hat, ist er braun geworden und wird sich jetzt rächen wollen. Es sind ihm wohl auch schon ein paar von unseren Besten in die Finger gefallen.«

»Er ist jetzt hinter Hillmann her.«

»Woher weißt du das?«

»Beim Appell werden die Namen genannt.«

»Hat dieser Schweitzer etwas Bestimmtes mit Hillmann vor?« 450

»Er will Hillmann fassen. So aber, daß auch gleich das ganze Nest mit hochgeht.«

»Welches Nest?«

»Das weiß der Schweitzer noch nicht genau. Er sagte, es wären mehrere. Er will erst ausspionieren, welches das wichtigste ist. Ich soll heute mit und noch drei Mann.«

»Wohin?«

»Er sagte: Wir fahren heute mit einem kleinen Motorboot. Ich soll die Maschine bedienen und steuern. Drei Rahmen Patronen soll jeder mitnehmen.«

»Wo . . . wo . . . in welche Gegend sollt ihr mit dem Motorboot hin?«

»Um sieben von Grünau ab und dann über Zeuthen in den Langen See.«

»So eine verfluchte Schweinerei; hat der Hund doch die richtige Spur aufgenommen!«

»Was ist denn, Martin? Mein Gott, bist du mit einem Male aufgeregt«, sagte Ernst Goose.

»Da soll man nicht platzen! Wir haben am Langen See ein Siedlungshaus, wo augenblicklich ein Teil der ›Roten Fahne‹ gedruckt wird.«

»Von der Druckerei weiß Schweitzer nichts. Er weiß auch nicht, in welcher Siedlung Hillmann sich manchmal nachts aufhält. Eine Spur aber hätte er bis zum Langen See verfolgt. Dann wäre sie ihm verlorengegangen. Deshalb soll heute und morgen genau aufgepaßt werden.«

»Wo und wann trefft ihr zusammen, Maxe?«

»Punkt sieben am Bootshaus Dommel in Grünau.«

»Wir haben jetzt genau drei, das reicht für mich. Wann mußt du wieder in der Kaserne sein, Maxe?«

»Spätestens in einer Stunde.«

»Maxe, du kannst jetzt beweisen, ob du nun ganz und gar zu uns gehörst und vor keiner Sache gegen deine bisherigen Leute zurückschreckst.«

»Deshalb habe ich doch auch Bescheid gegeben.«

»Komm, wir müssen jetzt ein Haus weitergehn, denn das, was noch zu sagen ist, können wir nur unter vier Augen abmachen.« Er drehte sich zu dem Zigarrenhändler hin und sagte: »Ernst, nichts für ungut; du weißt aber: es gibt Dinge, da darf kein Dritter dabeisein, es wäre eine zu große Last für ihn.«

»Macht man, was ihr vorhabt; ich halte den Daumen«, antwortete Ernst Goose. 451

Max Zumpe und Martin gingen jetzt zum Schuster hinüber. Bei dem saß wieder einmal der Argentiner und philosophierte über die besseren Aussichten terroristischer Akte. Er machte jetzt auf beiden Seiten mit, bei dem Ingenieur Merzbach und in der Organisation. Er glaubte, daß die Vermischung beider Abwehr- und Kampfmittel schneller zum Ziele führte, und wollte den Beweis dafür liefern.

Als Max Zumpe mit Martin den Keller betrat, wollte der Argentiner sie gleich einbeziehen in den Vortrag. Martin aber sagte zu ihm: »Heute abend kannst du ja mal eine Probe auf das Exempel machen.«

Und zum Schuster: »Hör mal, wir müssen auf fünf Minuten mal dein Allerheiligstes benutzen. Paßt es dir?«

»Wenn du mir keine Läuse in den Pelz setzt, denn man zu!«

Sie verschwanden beide in dem anstoßenden Zimmer; Martin riegelte die Tür ab und machte auch noch das Fenster zu.

»Mensch, bist du aber vorsichtig«, bemerkte Max Zumpe.

»Besser fünfmal zu viel als einmal zu wenig.«

»Ich habe dir gesagt, daß ich alles abwaschen will, was noch schwarz ist auf meinem Konto.«

»Wissen wir, Maxe . . . wissen wir. Davon ist jetzt auch nicht die Rede. Aber . . . nun hör mal gut zu. Kennst du die Gegend vom Langen See genau?«

»Jede Wiese, jeden Busch und jedes Haus.«

»Das weiß der Lump Schweitzer?«

»Er hat herumgefragt, wer gut Bescheid weiß, und ich habe mich darauf gemeldet.«

»So . . . kennst du den Knick zwischen der Kolonie Rabenhorst und dem Dolgenweg?«

»Du meinst die spitze Einbuchtung nach dem Wald zu?«

»Wo das Ufer ein wenig bergauf geht, ganz richtig. Dort werden wir ein Zelt aufbauen, eine Falle, verstehst du? Es wird ein kleines Feuer brennen, und darauf mußt du dann mit dem Boot zusteuern. Du erzählst dem Schweitzer, daß Hillmann aus Vorsicht immer in einem Zelt im Freien nächtigt. Du hättest von dem Versteck Wind bekommen.«

»Versteh jetzt.«

»Und du fährst dann mit vollen Touren auf die Wiese zu.«

»Und ihr?«

»Wir stehn parat. Der Schweitzer muß uns lebend in die Hände fallen. Wir haben schwer mit ihm abzurechnen.« 452

»An mir soll es nicht liegen, Martin. Ich werde mir schon einen Trick ausdenken; erstlich, daß die Sache gut klappt, und zweitens, daß ich mithelfen kann, den Schweitzer unschädlich zu machen.«

»Maxe, wenn die Sache so verläuft, daß wir auf unsere Kosten kommen, gehörst du wieder voll und ganz zu uns.«

Sie gaben sich die Hand und gingen wieder nach vorn. Und Max Zumpe hielt sich nicht mehr lange auf und verschwand.

»Dieser braune Vogel war also Zumpe?« fragte der Schuster.

»Ja . . . unsere Hauptverbindung nach der SA-Kaserne Chausseestraße.«

»Und ihr seid rundum sicher, daß am Ende keine Falle daraus wird?«

»Wir haben Zumpe siebenmal durchgesiebt und uns trotzdem noch gesichert.«

»Bis es euch doch noch mal an den Kragen geht.«

»Du hast sehr fromme Wünsche, Schuster.«

»Ich wollte nur sagen: allzu frech macht dumm. Es würde mir leid tun, wenn ihr die Dummen seid.«

»Die sollen wir allerdings sein, so hat es sich der Schweitzer nämlich ausgeknobelt. Aber nicht er uns, wir werden ihm das Bein stellen.«

»Der Schweitzer, das ist wohl diese verfluchte Mistsau, die den Richard Bohle umgelegt hat?«

»Der ist es.«

»Na . . . denn man ran an den Speck!«

»Und für mich soll dabei auch ein Stück abfallen?« fragte der Argentiner.

»Du wirst der vierte Mann sein.«

»Und wer ist der zweite und dritte?«

»Kannst du in einer Stunde einen von deinen Leuten auftreiben? Es wird wahrscheinlich zum Knallen kommen. Du mußt für anständige Donnerbüchsen sorgen.«

»Du bist also dabei, Martin?«

»Franz Lück und ich.«

»Na . . . ich denke, dann werden uns die Hosen trocken bleiben. Gemacht!«

»Wir treffen uns Punkt sechs Bahnhof Zeuthen. Paß gut auf, wir gehn, ohne daß wir uns besonders bemerkbar machen, bis zur Fähre vor.«

»Habt ihr denn ein Boot?«

»Das wird besorgt. Also: seid pünktlich. Ich muß jetzt den Franz 453 auftreiben. Wiedersehn.« Und schon war Martin mit einem Satz die halbe Treppe hoch und eilte die Straße hinauf. Der Schuster sah den Argentiner an: »Jetzt wirst du beweisen müssen, daß deine Rechnung aufgeht.«

»Auf solch einen Streich wie diesen warte ich schon lange. Und wenn es nach mir ginge . . . dann jede Nacht!«

»Kann noch kommen!«

»Hör mal, Schuster; ich habe Kathleen für acht Uhr hierherbestellt, Halte sie fest. Sie soll warten, und wenn es zwei Uhr in der Früh werden sollte. Sie kann ja bei dir auf dem Sofa schlafen.«

»Und wenn ich nun mit dem Mädchen fremd gehe?«

»Kathleen mit dir? Diese Sorte von Hörnern wächst dir wohl nicht mehr.« Er drehte dem Schuster eine Kopfnuß und verschwand. Bei Ernst Goose holte er sich noch eine Fünfziger-Schachtel Zigaretten und aus dem Konfitürengeschäft gegenüber eine Rolle Keks. Es war heute gerade ein Scheck vom Alten aus Buenos Aires eingetroffen. Er war froher Laune, summte die Marseillaise vor sich hin und hätte beinahe den Schupo an der Ecke umgerannt. Als er am Kriminalgericht vorüberkam, sauste das Überfallkommando mit vier Wagen heran und sperrte die Häuserblocks ab. Um ein Haar hätte er in der Falle gesessen. In der Nebenstraße erzählte ihm ein Reichswehrsoldat: »Der Thälmann soll in einen anderen Bunker überführt werden, wahrscheinlich nach Plötzensee. Hoffentlich ist er nicht so dumm und macht einen Fluchtversuch.«

Der Argentiner sah sich den Soldaten genau an und fragte ihn: »Weiß man denn bei euch überhaupt etwas von Thälmann?«

»Wir wissen genug.«

»Na . . . denn macht man so weiter. Vielleicht kommen wir doch einmal noch zusammen.«

Der Soldat verschwand in der Kaserne, und der Argentiner dachte bei sich im Weitergehn: Hier müßte man seine Nase doch mal etwas tiefer hineinstecken.

 

Die schmale Bucht mit der ansteigenden Wiese und dem Kiefernforst dahinter war schon ein wenig vom Nebel verwischt, als das Boot anlegte. Martin, der Argentiner und sein Freund Schumm stiegen aus, während Franz Lück eine Stelle im hohen Rohr suchte, wo man das Boot so verstauen konnte, daß es vom Wasser her nicht zu entdecken war. Martin baute das Zelt zwischen zwei Buschweiden auf, die 454 Schmalseite, so, daß die Öffnung nach dem See hin zu liegen kam. Dann suchten sie dürres Holz und Rohr zusammen und schichteten einen kleinen Haufen. Anbrennen wollten sie das Reisig jedoch erst, wenn das Boot mit den Nazis in Sicht kam. Der Argentiner hatte sein Fernglas mitgebracht, es war sehr lichtstark, bis auf siebenhundert Meter konnte man den See gut absuchen. Um diese Jahreszeit waren nur wenige Fahrzeuge auf dem Wasser, man hatte nur mit den Fischern zu rechnen.

Der Argentiner hatte auch die Mauserpistolen besorgt, und Schumm verfügte sogar über zwei Handgranaten. Es war ein gefährliches Spiel, das man vorhatte, der Einsatz aber lohnte. Schweitzer schadete der illegalen Organisation mehr als eine Hundertschaft der grünen Staatspolizei. Er kannte fast alle Funktionäre persönlich. Er hatte außer Richard Bohle noch ein Dutzend bekannter Kämpfer um die Ecke gebracht. Ein zweiter Tumbich, den zu beseitigen beinahe eine Existenzfrage war. Er mußte sich auch klar darüber sein, was ihm blühte, bekäme man ihn zu fassen. Seit Wochen schon hatte er keine private Wohnung mehr, meist übernachtete er in den SA-Kasernen. Seine Jagd auf Hillmann ließ den ganz sicheren Schluß zu, daß es ihm um die Unschädlichmachung der leitenden Funktionäre ging. Die Gestapo hatte hohe Kopfprämien ausgesetzt. Vielleicht werden ihn auch die Summen gereizt haben, sich zu spezialisieren.

Sie hockten jetzt alle vier im Zelt und rauchten. Vor neun Uhr, das bedeutete also noch eine gute halbe Stunde, konnte das Naziboot nicht aus der Zeuthener Biegung kommen. Die Standplätze für das Manöver waren genau überlegt. Sie sprachen die Taktik, mit der man vorgehn würde, noch einmal kurz durch.

Franz Lück fragte: »Wenn der Schweitzer sich aber mit gedrosseltem Motor heranpirschen oder vielleicht schon hundert Meter von hier anlegt und sich von hinten heranschleichen will?«

»Das kommt gar nicht in Frage«, antwortete Martin. »Hier, gleich hinterm Rohr, läuft ein Stacheldraht, der reicht bis zum ersten Grundstück, und das sind gut und gern an die dreihundert Meter. Und sollte er rechts von uns den Versuch machen, dann muß er hier vorbei. Und wir nehmen dann die Position im Rohr ein.«

»Er ist ein gerissener Hund, wir wollen ihn nicht unterschätzen, Martin«, antwortete Franz Lück.

»Er wird sich hier ganz und gar auf Max Zumpe verlassen müssen. Er kennt diese Gegend nicht.«

»Und wir werden uns wohl auch ganz und gar auf Max Zumpe 455 verlassen müssen«, bemerkte der Argentiner. »Das kann ja gut werden. Woran erkennen wir ihn überhaupt? Ich meine, falls es zum Schießen kommt.«

»Sobald der Kahn aufläuft, wirft Max Zumpe sich hin und markiert Beinbruch.« Franz Lück fieberte vor Aufregung, während der Argentiner eine Zigarette nach der anderen paffte und aus lauter Ruhe zusammengesetzt schien.

Martin dachte an einen Patrouillengang in den dichten Buschwäldern der Woëvre-Ebene, vierzehn Tage vor Beginn der großen Verdun-Offensive. Er war Unteroffizier, hatte sich freiwillig zu diesem Unternehmen gemeldet und bekam fünf Mann zugeteilt. Sie hatten sich bis in die Artilleriestellungen der Franzosen vorgewagt. Aus dem Hintergelände, durch die windstille Nacht, kamen die Geräusche der Feldbahnen, die die Munition heranfuhren, das Knattern der Lastautos auf den Chausseen und das Gestampf marschierender Kolonnen. Sie hatten aber nicht das Heranschleichen der Schwarzen gehört und waren plötzlich von acht Mann umringt. Ihre Rettung waren die Handgranaten. Sie warfen sie ruhig wie auf dem Übungsplatz. Die Explosionen bahnten ihnen eine Gasse. In einem wilden Lauf, Hals über Kopf, rannten sie zurück in Richtung der deutschen Gräben. Maschinengewehrfeuer beharkte sie. Martin konnte gerade noch das Drahtverhau erreichen. Dort blieb er liegen. Die vier Kameraden waren im Zwischengelände geblieben, zersiebt und zerfetzt. Die ganze Nacht und auch noch den nächsten Tag über hatte Martin im Drahtverhau zubringen müssen, mit einem Schuß in der Kniekehle. Erst am nächsten Tag konnten ihn die Kameraden herausangeln. Er hatte sich später nie wieder zu einer Patrouille freiwillig gemeldet. Und jetzt lag er hier, und es konnte ihm gut etwas Ähnliches blühen.

Er regte sich aber bald wieder ab und wurde kalt wie eine Eisstange. Der Argentiner suchte mit dem Glas auf dem Wasser herum. Er hatte einen freien Blick bis zum Knick an der Insel. Jeder Punkt auf der stumpfblanken Fläche des Sees war erkennbar. Mit seinen Gedanken, während er Ausschau hielt, weilte er bei Etzien, bei Richard Bohle und bei Doktor Joachim. Und bei all den mehr als fünfzig weiteren Menschen, die ihm während der illegalen Arbeit nähergekommen waren und zur Hölle der Folterkammern hatten niederfahren müssen. Er erregte sich daran. Sein Blut bewegte sich schneller im Gefühl der Rache. Das Maß, das er bei den Kumpanen der Folterknechte nehmen wollte, würde nicht zu knapp gemessen sein. 456

Und auch Martin sah mit einem Male wieder das Gesicht seiner Frau vor sich, die grauenhaft verzerrten Züge und das Entstellte des ganzen Körpers, der im Ziegenstall vom Haken am Strick heruntergehangen hatte. Er biß die Zähne zusammen und warf den Rest der Zigarette ins Wasser. Er sah sich nach Franz Lück um. Der hatte die Augen geschlossen. Als der Blick Martins ihn traf, öffnete er einen Schlitz, schweigend begegneten sich beider Blicke.

Der Argentiner ließ das Fernglas jetzt nicht mehr von den Augen. Es konnten auch nur noch Sekunden sein, daß sie den belfernden Takt des Motors hören mußten. Vor der Biegung nahm der Wald der Insel den Schall auf. Aus der kaum bewegten Fläche des Wassers schossen lufthungrig die Fische hoch. Im Rohr knarrte das Gebrumm der Frösche. Martin fühlte mit einem Male etwas Feuchtes in den Augen. Er ärgerte sich darüber und fluchte nach innen hinein: Diese verdammte Nervosität! Er fühlte die herausquellenden Adern auf dem Handrücken und rieb und kratzte, als hätten ihn die Mücken zerstochen. Er hatte den ganzen Hals voller Mückenstiche, aber das spürte er nicht.

Schumm sprang mit einem Mal hoch: »Hört ihr denn nichts? Das Tacken kommt näher. Es kann doch nur das Motorboot der Nazis sein. Wir müssen den Reisighaufen anzünden.«

Auch Franz Lück war aufgesprungen und horchte nach der Insel hinüber. Und schließlich erhoben sich auch Martin und der Argentiner. Sie horchten und horchten. Das Tacken kam tatsächlich näher und wurde deutlicher. Martin riß ein Streichholz an und hielt es an das Reisig. Die Flamme sprang knisternd hoch und beruhigte sich bald wieder zu einem Rauch aufwirbelnden Schwelen.

Sie waren inzwischen näher an das Rohr des Ufers herangetreten, der Argentiner mit dem Fernglas dicht vor den Augen. Und in dem Moment, als das Boot auch schon um die Zunge der Insel bog, hatte er es im Blickfeld. Es steuerte in der Mitte des Sees in scharfer Fahrt. Im Nu flogen die vier auch zurück und bezogen jeder seinen Posten, Schumm hinter dem Zelt in einem Erdloch, eine Handgranate fertig zum Abziehen in der Faust. Nur er konnte jetzt den See übersehen. Das Boot ging in eine scharfe Kurve und schoß auf das Ufer zu. Vorn an der Spitze sah Schumm einen Mann geduckt stehn, den Revolver im Anschlag.

Das Motorboot mußte eine Geschwindigkeit von fünfzig Stundenkilometern gehabt haben. Mit dieser Kraft sauste es auf die Uferbank zu. Vorn an der Spitze der Mann lag mit dem halben Oberkörper fast auf dem Wasser und starrte nach dem Feuer herüber. Die Spitze des 457 Bootes prallte auf einen Feldstein auf. Der Motor flog aus der Kupplung und explodierte. Das Boot richtete sich kerzengerade auf und überschlug sich nach hinten. An dieser Stelle war eine Senkung im See, mindestens acht Meter tief.

Das alles hatte Schumm genau beobachten können, während die anderen drei aus dem Rohr heraussprangen, erschrocken von dem berstenden Knall und der Flamme, die ein paar Meter hoch aufgespritzt war. Ein dicker, schwarzer Rauch lag auf dem Wasser. Von Menschen nicht eine Spur. Schumm trat schnell das Reisigfeuer aus und klappte das Zelt zusammen.

Der Argentiner und Martin lagen flach auf dem Bauch und suchten das Wasser ab. Ein paar große Luftblasen quirlten hoch. Öl schwamm herum. Von dem Boot war nicht eine Spur zu entdecken. Sie blieben noch zehn Minuten auf dem Platz und warteten, ob sich vielleicht doch jemand durch Tauchen und Schwimmen gerettet hatte. Der Rauch war ein Stück weitergezogen und trieb schon als Wolke auf der Mitte des Sees.

Das Schicksal hatte anders entschieden. Nicht Hillmann, sondern Max Zumpe, der ausgezogen war, um sich wieder ehrlich zu machen, gehörte zu den Opfern, die der Verräter Schweitzer mit hinunternahm in das Nimmermehr. 458

 


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