Paul Zech
Deutschland, dein Tänzer ist der Tod
Paul Zech

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XXIII   Argentinisches Gespräch

Johann P. Langfoot und Franz Goose sitzen in einer kleinen Lecheria der Calle Reconquista. Goose lebt seit 1923 schon in Buenos Aires. Langfoot kam erst vor drei Monaten an, als antihitleristischer Emigrant. Die Bekanntschaft mit Goose stammt aus der früheren gemeinsamen Arbeit im Ausschuß des Vereins »Volksbühne« zu Berlin her. Die Adresse von Goose hatte Langfoot von dem Bruder, dem Zigarrenhändler Goose, in Berlin mitbekommen.

 

Goose: Ja . . . wer hätte das gedacht, daß man sich so und ausgerechnet hier wiedersehn würde.

Langfoot: Ich habe immer angenommen, daß du hier auf dem besten Wege seist, ein steinreicher Mann zu werden.

Goose: Ja . . . vielleicht ist man auch mit solch einem Traum im roten Schnupftuch hier angekommen. Aber du wirst ja inzwischen bemerkt haben, daß hier viele Leute sind, die auf den großen Moment warten, in der Weihnachtslotterie die Grands zu machen! Viel zuviel! Wer aber konnte das alles vorher wissen?

Langfoot: Dein Auskommen hast du aber?

Goose: Ja . . . für den Puchero reicht es. Aber dazu hatte es schließlich auch in Berlin gereicht . . . will sagen: für saure Kartoffeln mit Speck. Hier aber sollte der große Berg noch hinzukommen, auf dem man sein Haus stehn hat, Weizenfelder herum und Wiesen, wo man in der Sonne sich langstrecken kann und den Menschen von inwendig betrachten, so, wie es in unseren jungen Jahren der Bruno Wille gepredigt hat. Erinnerst du dich noch an die Vorträge?

Langfoot: Träume unter dem Wacholderbaum. Wotan und Swastika, die Esche Yggdrasil und das Urmysterium des Blutes . . . ja, Goose, so fing es an bei denen, die das Wort von Marx: »Religion ist Opium für das Volk« eigentlich noch in der großen Zehe hätten sitzen haben 299 müssen, geschweige denn im Gehirnkasten. Denn als Wille den Unfug stiftete, lebte Bebel noch.

Goose: Vielleicht sieht es heute so böse aus; damals war es nicht so gemeint. Das haben erst die Nazis so verbogen.

Langfoot: Sie haben aus einer Krümmung, die schon da war, daran ist nicht zu deuteln, mit Leichtigkeit vier machen können. Vier Galgen. An jedem hängt ein Stück Deutschland: die Freiheit, die Gerechtigkeit, der Sozialismus und die Juden.

Goose: Deutschland . . . ja . . . das ist sehr weit von hier, wo man zwischen Indianern, halben und nochmals halbierten, sitzt . . . in einer verflucht schwülen und schweren Luft, und kommt nicht los davon.

Langfoot: Ich sah hier noch keinen Indianer. Ich sah aber Proleten in einer so schaurigen Armut, daß einem das Gesicht grün anläuft davon. Ihr geht ohne Beinbruch daran vorüber?

Goose: Die Hiesigen haben es nicht gern, wenn man ihnen in die Töpfe guckt. Außerdem sind wir doch eine kleine Minderheit.

Langfoot: Ihr seid hier, allein in der Stadt, an die dreißigtausend Deutsche.

Goose: Geh weg damit! Jeder zieht an einem anderen Strick, wenn es darauf ankommen soll, fest zusammenzuhalten.

Langfoot: Bei der letzten Maifeier hier, im Lunapark, waren unter dem Hakenkreuz 16 000 braunangestrichene Seelen beieinander. Die zogen alle an dem einen Strick: Heil Hitler! Wieviel würden sich zusammenfinden, wenn dieser Strick rot ist?

Goose: Dreihundert waren wir am ersten Mai im »Vorwärts«. Eine sehr schöne Feier!

Langfoot: Dreihundert gegen sechzehntausend!

Goose: Ja . . . das ist hier in Argentinien nun einmal so.

Langfoot: Weil ihr euch verkriecht.

Goose: Viele von unseren Leuten sind abhängig von den Firmen.

Langfoot: Dann ist es also ein besonderes Glück, daß du nicht abhängig bist?

Goose: Glück ist, daß man immer noch seine Arbeit hat. Denn wenn dem Direktor eines Tages unsere Neese nicht paßt . . . ja, dann liegt man auch auf der Straße.

Langfoot: Gehört die Fabrik einem Hiesigen?

Goose: Die Firmeninhaber sind Schweizer, halbe Nazis. Aber man macht ja seine Arbeit. Und auf dem Misthaufen liegt unser Handwerk ja schließlich auch nicht herum. 300

Langfoot: Eine sonderbare Vorstellung für mich, daß du hier in deiner alten Branche weiterarbeitest. Ich hatte tatsächlich angenommen, du wärst ein Bauer geworden, Besitzer von Ochsenherden und Großlieferant von Wolle und Weizen.

Goose: Bauer wollte ich ja eigentlich auch werden. Aber das Land war schon zu teuer dort unten, wo das Klima für unsereinen erträglich ist. Und überhaupt, wenn man die Bauerei von Kind auf nicht gelernt hat und auch noch über die Dreißig ist . . . taugt man nicht viel für das Land, das man aus dem Urwald erst herausrackern soll. Schwere Arbeit und alles hinter sich lassen, was einmal schön war. Aber was ich noch sagen wollte: Dein letzter Artikel im »argen Tageblatt« hat uns gar nicht gefallen.

Langfoot: Diese »Uns« – bist du das allein oder sind noch mehrere daran beteiligt?

Goose: Mir hat der Hieb, den du dem Herrn Klöpfer und seiner Gesellschaft versetzt hast, soweit ganz gut gefallen, wenn ich auch nicht alles verstanden habe. Man kommt hier ja in kein Theater mehr. Und jetzt, wo dem Hitler seine Gesellschaft da ist, darf man als alter Sozialist und Volksbühnenmann doch nicht hineingehen. Obwohl ich den »Wilhelm Tell« gern wieder einmal gesehen hätte. Den kann man doch nicht gut mit der braunen Farbe vermanschen. Das letzte, was ich vor meiner Auswanderung gesehen habe, bei uns in der »Volksbühne«, waren »Die Ratten«. Ich meine nicht die vierbeinigen.

Langfoot: Natürlich meinst du das Stück von Gerhart Hauptmann.

Goose: Ja . . . und in dem Stück hat mir der Friedrich Kayßler, an dem ihr, vom Ausschuß, immer soviel herumgemäkelt habt, ganz großartig gefallen.

Langfoot: Gewiß . . . eine von den besten Rollen Kayßlers, dieser Bruno Wille lesende Proletarier John; nichts dagegen zu sagen; obwohl mir der Hans Marr besser gefallen hat. Und »Die Ratten« gehören neben den »Webern« zu dem halben Dutzend Stücken, die Gerhart Hauptmann wahrscheinlich überleben werden.

Goose: »Die Ratten« hätte der Klöpfer auch hier spielen müssen.

Langfoot: Er wird sich schwer hüten. Stücke wie »Die Ratten« dürfen drüben nicht mehr gespielt werden. Weshalb, das habe ich in meinem Artikel doch genau begründet. Und das hat dir nicht gefallen?

Goose: Es war zu scharf, verstehst du? Vor allem das mit dem Revolver und der Kultur. Ich habe es nicht mehr so genau im Kopf, aber es war zu scharf. 301

Langfoot: Ich habe doch nur zitiert.

Goose: Wie war es doch mal . . . hast du die Stelle noch im Kopf behalten?

Langfoot: Tag und Nacht geht mir dieses Mistzeug im Kopf herum. Wenn du es noch einmal hören willst, paß auf: »Nein, zehn Schritt vom Leibe mit dem ganzen Weltanschauungssalat! Wenn ich von Kultur höre, entsichere ich meinen Browning! Die Hauptsache, das Volk muß nach Priestern schrein, die den Mut haben, das Beste zu opfern, nach Priestern, die Blut . . . Blut . . . Blut vergießen, nach Priestern, die schlachten! Kommt mir bloß nicht mit Bildung; ich lasse mich prinzipiell nicht veräppeln!«

Goose: Das allein war es nicht.

Langfoot: Ach so . . . Du meinst meine Begründung, daß der Nazi-Schriftsteller Hanns Johst, von dem diese barbarischen Sätze stammen, nicht für seine Person allein gesprochen hat, sondern für die ganze braune Sippschaft das Glaubensbekenntnis sozusagen formuliert hat? Denn sonst hätten sie diese Stelle im Stück, das den Terroristen und Verräter Schlageter als Nationalhelden verherrlicht, nicht so frenetisch beklatscht!

Goose: Ja . . . das hast du in deiner Begründung alles viel zu grob gesagt.

Langfoot: Das alte gute deutsche Sprichwort hast du wahrscheinlich hier vergessen: »Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil!« Möglich, daß du ihn vergessen hast . . . in Deutschland, auf der ganzen Linken, hatte man ihn leider auch vergessen.

Goose: Ich meine: man hat bei uns in der Fabrik gesagt: Gewiß darf man seinem Vater auch mal die Wahrheit sagen. Aber man soll nicht gleich das ganze Haus dabei beschmutzen.

Langfoot: Ich habe also das deutsche Vaterland mit Schmutz beworfen? So stand es ja auch in der »Lappentante« zu lesen. Du wirst diese Zeitung doch wohl nicht in die Hand nehmen?

Goose: Meine Frau liest die »Lappentante«. Aber bloß die Geschichten, die drin stehn.

Langfoot: Meinen Artikel im »argen Tageblatt« hat deine Frau nicht gelesen?

Goose: Um das Politische kümmert sie sich nicht.

Langfoot: Aus Furcht, sich zu beschmutzen?

Goose: Du mußt nicht alles gleich so auf die Spitze treiben. Daß du in deinem Artikel mit Schmutz geworfen hast, davon habe ich ja 302 gar nichts gesagt. Aber du hast manches gesagt, was die anderen nicht zu wissen brauchen.

Langfoot: Wer sind das, die anderen, die Nazis?

Goose: Quatsch! Ich meine die Hiesigen.

Langfoot: Ach, die wissen nichts davon, was in Deutschland vorgeht, wissen nicht, was ein Herr Ley in Genf über sie sagen durfte: »Das muß energisch gebrandmarkt werden, daß solche Idioten-Staaten hier dieselben Rechte mit der gleichen Stimme haben sollen wie Deutschland und Italien. Stellen Sie sich vor: Kuba, Uruguay, Bolivien! Was weiß ich, wie sie alle heißen! Diese Idioten von Südamerikanern! Und was für eine Sorte Menschen haben die! Gegenüber Kulturvölkern wie Deutschland und Italien! Und so was soll die gleichen Rechte haben!«

Goose: Das hat man hier gar nicht so wichtig genommen. Aber das, was du über die Deutschen gesagt hast.

Langfoot: Es werden keine drei Hiesige gewesen sein, die meinen Artikel gelesen haben.

Goose: Es stand aber in der »Critica« und in der jiddischen »Presse« genug davon zu lesen.

Langfoot: Ausgezeichnet!

Goose: Das sagst du so, weil du der Schreiber bist. Aber auch die Nazis haben den Artikel gelesen. Und dafür können sie sich jetzt wieder in die Brust werfen und triumphieren: Hat der Hitler nicht recht getan, daß er die ganze Judenbande aus dem Tempel gehauen hat?

Langfoot: So haben sich die Nazis bei dir in der Fabrik geäußert? Und was hast du darauf geantwortet?

Goose: Ja . . . was soll man da immer groß dazwischenreden, wenn die das Maul weit aufreißen und immer das letzte Wort haben wollen?

Langfoot: Du hast also nicht geantwortet? Bist mir nicht beigesprungen?

Goose: Man soll die Leute ruhig meckern lassen und sich sein Teil denken.

Langfoot: Bist du denn der einzige Antifaschist in der Fabrik? Man erzählte mir, es wären dort eine Menge Landsleute beschäftigt.

Goose: Antifaschist . . . siehst du, das ist etwas, was mir an der ganzen Sache nicht gefällt. Ich bin gegen das Hakenkreuz, ganz gewiß. Aber was gehn uns die Italiener an und ihr Mussolini?

Langfoot: Du willst es also nur mit den Hakenkreuz-Leuten zu tun haben? Ja, mein Lieber, das läßt sich von der ganzen antiproletarischen 303 Bewegung, die der Faschismus darstellt, nicht absplittern. Genausowenig wie die Braunen einen Unterschied machen zwischen Sozialisten und Kommunisten. Bei Hitler ist das alles eins: Bolschewisten und Juden raus!

Goose: Trotzdem: Antifaschismus, das ist mir zu allgemein. Das zieht hier draußen bei unseren Leuten nicht. Wir müßten etwas haben, das nur uns angeht. Meinetwegen eine neue sozialistische Partei. Vom Sozialismus kommen wir ja her, damit sind wir groß geworden, und darin möchten wir auch bleiben. So, wie es bestehn bleiben muß: Proletarier aller Länder, vereinigt euch! Einen eigenen Stall muß man schließlich doch haben.

Langfoot: Eine neue deutsche sozialistische Partei? Denn die alte gibt es ja nicht mehr, wenigstens in Deutschland nicht. Das ist richtig. Und hier? Es ist noch gar nicht so lange her, da sprach ein hiesiger Sozialist, ein Senator noch dazu, im Parlament die bedeutsamen Worte aus: »Wir sind Sozialisten, ohne Marxisten zu sein!« So etwas schwebt wahrscheinlich auch dir vor?

Goose: Nein, denn deshalb haben wir ja auch keine Fühlung mit den hiesigen Sozialisten. Aber für uns: eine neue Partei, mit einem Führer, wie August Bebel einer war. Unter dem habe ich ja noch treu gedient. Das fehlt uns.

Langfoot: Wem fehlt es? Den Leuten bei euch in der Fabrik? Denen, die sich noch nicht haben braun anräuchern lassen? Wieviel seid ihr denn?

Goose: Na . . . wenn es hart auf hart geht, sind wir unser sieben bestimmt noch. Wir waren ja auch im »Reichsbanner« zusammen. Und im »Verein Vorwärts« sind wir auch jetzt noch. Aber man hat bloß nicht immer so die Zeit dafür.

Langfoot: Als das »Reichsbanner« noch bestand, habt ihr mehr Zeit dafür gehabt?

Goose: Auch nicht mehr als heute.

Langfoot: Deshalb mußte das »Reichsbanner« schließlich ja auch kaputtgehn, weil ihr keine Zeit gehabt habt. Die Nazis haben aber mehr Zeit gehabt. Die haben mit der Zeit direkt Wucher getrieben. Und wenn ihr jetzt für den »Verein Vorwärts« auch nicht mehr Zeit übrig habt, dann wird man euch aus dem Haus wohl bald hinausfenstern.

Goose: Das kann uns nicht passieren. Das geht ohne Gericht nicht. Wir sind hier in Argentinien, nicht in Berlin. 304

Langfoot: Und deshalb, meinst du, braucht ihr jetzt auch nicht viel Zeit übrig zu haben, um etwas gegen das Hakenkreuz zu unternehmen?

Goose: Wir kommen jeden Monat einmal in der Mitgliederversammlung zusammen. Und jeden Sonntag in unserem Landhaus »La Perlita«.

Langfoot: Zum Tanzen?

Goose: Da wird auch Sport getrieben. Und dann liegen wir am Strand. Das ist gesund.

Langfoot: Zeit habt ihr also doch? Jeden Sonntag in »La Perlita«?

Goose: Von Politik hört man nicht gern, wenn man sich in Gottes freier Natur bewegt. Außerdem liegt das den jungen Leuten auch gar nicht. Die sind längst schon Argentiner. Manche sprechen kein deutsches Wort mehr und wollen auch nicht einmal mitgehn, wenn ein deutsches Schiff im Hafen liegt und unsereiner sich das ansehn will.

Langfoot: Zu den deutschen Schiffen, die mit dem Hakenkreuz in den Hafen von Buenos Aires einfahren, gehst du hin?

Goose: Wenn sonntags eines im Hafen liegt . . . gewiß, dann geh ich zum Hafen. Das habe ich all die Jahre so gehalten, davon läßt sich meine Frau auch nicht abbringen; weil es auf dem Schiff nach Heimat riecht. Und wenn eins von den Schiffen gerade da ist, die eine nette dritte Klasse haben, dann denkt man bei sich: Na, Franz, mit dem wirst du auch einmal ein paar Wochen auf Urlaub fahren, wenn das Reisegeld zusammen ist.

Langfoot: Wenn du morgen schon das Geld zusammen hättest, würdest du fahren?

Goose: Ja, vielleicht. Denn das Leben geht so langsam bergab. Und ehe man hier die Augen zukneift, möchte man doch noch einmal durch den ollen Grunewald wandern und auf der Spree ein Stück hinausrudern und im Paradiesgarten bei Feuerwerk eine anständige Molle heben. Und dann natürlich in der »Volksbühne« noch einmal »Die Ratten« sehn und den »Kater Lampe«. Und »Berlin, wie es weint und lacht«.

Langfoot: Und deinen Bruder . . . den wirst du doch auch noch einmal sehn wollen?

Goose: Na ja . . . natürlich, wenn das geht?

Langfoot: Es wird nicht ganz einfach sein, ihn zu sehn. Da wirst du wohl eine weitere Reise machen müssen als bis zum Paradiesgarten.

Goose: Ich weiß . . . das Moorlager soll oben im Oldenburgischen . . . an der holländischen Grenze liegen. 305

Langfoot: Und wenn du die Erlaubnis zur Reise bekommen hast und hinfährst und auch noch weiterhin Glück hast, dann kommt dein Bruder für zwei Minuten an den Stacheldrahtzaun heran und zeigt dir an seinem Körper die ganze Musterkarte von dem neuen Deutschland.

Goose: Was soll man da machen? Der Junge hätte sich mehr zurückhalten sollen. Man braucht seine Gesinnung nicht immer gleich auf dem Präsentierteller zu zeigen. Was hat er nun davon? Helfen kann ihm keiner. Ich habe ihm zehn Pesos geschickt, die er wahrscheinlich gar nicht bekommen hat, denn sonst hätte er doch geschrieben. Daß er im Bunker liegt . . . wem ist hier damit geholfen?

Langfoot: Hast du schon einmal darüber nachgedacht, Franz, was das eigentlich heißt: Bunker?

Goose: Mir wäre es jedenfalls nicht passiert. Und dem Direktor Neft von der »Volksbühne« ist ja auch nichts passiert.

Langfoot: Dem Direktor Neft . . . nein, dem ist nichts passiert, obwohl er einmal zu der jungen Garde um Wilhelm Liebknecht gehörte. Und doch hat er für einen Judaslohn die »Volksbühne« den Nazis ausgeliefert.

Goose: Man schrieb mir von drüben, das hätte er getan, um die Organisation nicht kaputtgehn zu lassen. Sie soll intakt sein, wenn wir wieder das Regiment haben werden. Und davon werde ich mich auch überzeugen, wenn ich nach drüben fahre.

Langfoot: Auf dem Schiff mit dem Hakenkreuz?

Goose: Das ist doch bloß ein Ding von außen. Innen drin ist alles die alte Heimat. Und die lasse ich mir nicht vermiesen. Wenn ich einen Braunen sehe, kneife ich die Augen zu.

Langfoot: Nein, du wirst sie weit aufreißen und stramm dabei stehn, damit der Paradiesgarten und der Grunewald intakt bleiben für die, die Zeit haben, darauf zu warten, bis in der »Volksbühne« wieder »Die Ratten« und der »Kater Lampe« gespielt werden, mit Neft und Kayßler als Direktoren. Von dieser Reise wirst du, als Sozialist, bestimmt nicht mehr zurückkommen, Franz. Im Koffer aber wirst du die Hitler-Bibel haben und deinen Enkelkindern daraus vorlesen.

Goose: Das zu lesen, wäre wohl auch kein Beinbruch. Außerdem habe ich das Buch schon gelesen. Und der Mann hat recht, wenn er sagt: »Wir fordern die Schaffung eines gesunden Mittelstandes und seine Erhaltung, sofortige Kommunalisierung der Groß-Warenhäuser und ihre Vermietung zu billigen Preisen an kleine Gewerbetreibende . . .« 306 Wäre das unter Ebert schon geschehen, dann hätte ich vielleicht meinen Posamenten-Laden noch.

Langfoot: Du hättest dazu auch noch das andere lesen müssen, das er den Leuten, die ihn ans Ruder brachten, in das Buch hineingeschrieben hat: »Ich werde keinen Besitz antasten, mag er so groß sein wie er will.«

Goose: Du mußt auch immer das letzte Wort haben, wie damals in der »Volksbühne« schon! 307

 


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