Weiß-Ferdl
O mei!
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An Katsche und an Benni ihr erstes Liebesabenteuer.

In München in den neunziger Jahren.

Katsche und Benni waren Schulkameraden. Katsche war bereits siebzehn, Benni erst sechzehneinhalb Jahre. Beide noch Lehrbuben. Eines Tages gestand Benni seinem Freund, er hätte ein Mädchen kennengelernt, die geneigt sei, mit ihm und seinem Freund am Sonntag auszugehen. Katsche zweifelte: »Geh, mach Sprüch! Wirkli?« – »Echt wahr«, versicherte Benni. »Wia schauts denn aus?« – »Zerm, in der Oberländerstraß wohnts!« »Wia hoaßts denn?« – »Anni!« – »Recht übaspannt?« – »Na, gar net!«

Katsche war Feuer und Flamme. Er konnte es immer noch nicht recht glauben – »und dö gang mit uns?« Benni nickte. »Wo möchts denn hi'geh?« – »Dös is gleich. Zu dö Komika oder ins Kolosseum!« – »Kolosseum war scho duft!« »Ja, dös scho, aber halt ziemli g'schmalzen!« Die Kostenfrage war angeschnitten. Beide verdienten noch nichts, der Katsche erhielt von seinem Vater am Sonntag ein Markl, Benni leider nur 35 Pfennig. Das zur Verfügung stehende Kapital betrug also die bescheidene Summe von Mk. 1.35 für drei Personen. Doch damals konnte man mit diesem Geld allerhand anfangen. Es wurde folgendes ausgetüpfelt: »Mir gehn ins Kolosseum auf d' Galerie, das kost pro Person 35 Pfenning, das macht eine Mark fünf Pfenning, bleibn no dreißg Pfenning für zwoa Halbe Bier!« Benni war begeistert und stellte in Aussicht: »Wenn zufälligerweis mei große Schwester hoamkimmt, von dera kriagat i vielleicht aa no a Fuchzgerl!« 126

Am Sonntag, nach dem Abendessen, wurde die »Dame« abgeholt. Sie waren die ersten auf der Galerie und bekamen einen schönen Platz. Bis jetzt war alles gut gegangen, das Mädchen plauderte recht nett und war gar nicht überspannt. Nun kam ein alter Kellner mit einem Tablett voll Biergläser und fragte: »Bier gefällig?« Eigentlich wollten sie erst bei der Pause ein Bier bestellen, aber das Mädchen sagte gleich: »Der kommt mir grad recht, i hab einen narrischen Durscht, es is aa verfluacht hoaß da herobn!« Katsche winkte: »Tuans oans her!« Die Betonung lag auf dem Wörtchen »oans«. Der Ober stellte das Glas hin und sagte ruhig aber bestimmt: »Dreißig bitte!« Katsche und Benni wurden blaß. Katsche legte die 30 Pfennig hin, gleichmütig streifte der Ober ihre letzten Pfennige ein und sagte nicht einmal Danke. »Sie« merkte die Verlegenheit ihrer Kavaliere nicht, denn sie zog mit ihrem Rosenmund so ausgiebig das Bier heraus, daß das Glas bereits halb leer war. Der Katsche und der Benni tranken auch, das heißt sie taten so, in Wirklichkeit netzten sie nur die Lippen, denn das Bier sollte ja bis um 11 Uhr reichen. »Sie«, das echte Naturkind, war nicht fürs Markieren. »Eine Hitz hats da do«, ächzte das durstige Mädchen und um halb achte war das Glas leer. Es war wirklich heiß da oben auf der Galerie, auch die beiden jungen Männer hatten Durst, den löschten sie aber draußen am Wasserhahn in der Herrentoilette.

Noch vor der Vorstellung entdeckte »Sie« einen guten Bekannten: »Ja, dös is ja der Toni, der is jetzt bei dö schwarn Reiter, zu dem muaß i nüba!« Weg war sie. Die beiden Jünglinge beobachteten 127 mit heißen Augen die etwas stürmische Begrüßung, stellten dann aber mit Genugtuung fest, daß er sie gleich trinken ließ und daß sie auch bei dem schweren Reiter einen guten Zug hatte. Weniger begeistert waren sie davon, daß sich das Mädchen gleich dort niederließ und daß der stolze Reiter gleich seinen Arm um ihre Schulter legte. »Ich glaub, das is a Schulkamerad von ihr«, suchte Benni seinen Freund zu trösten. »Ah so, drum«, quetschte Katsche heraus.

Die Vorstellung begann, doch die beiden jungen Kavaliere sahen wenig von den Darbietungen, weil sie ihren Kopf immer bei ihr drüben hatten. Während der Pause kam sie wieder zurück und beide waren wieder glücklich. Doch das Glück dauerte nicht lange. Der alte Ober mit seine Plattfüaß und seinem Tablett kam schon wieder in die Nähe. Der Katsche flüchtete in die Herrentoilette, brachte seinen Scheitel in Ordnung und löschte seinen Durscht an der Wasserleitung. Er freute sich über seinen guten Einfall, auf einmal stand der Benni neben ihm, ganz verstört. »Herrschaft, du kannst as do net alloa sitzen lassen.« »Ja mei«, stotterte der Benni, »was hätt i macha solln. Sie hat fei no a Halbe gnumma!« »Ja, freili, hats sie's zahlt?« »Na, sie hat zum Ober g'sagt, kassierns, wenn der ander Herr da is!« »So is recht, was tean ma jetzt?« »I geh nimma nei!« »I aa net!« Eine sehr peinliche Situation, da führten sie ein Mädchen aus und jetzt traut sich keiner mehr hinein von den Beschützern. Da kam unerwartete Hilfe. Ein Bekannter aus ihrem Viertel betrat ihren Quarantäne-Aufenthalt und pumpte ihnen ein Markl. Stolz kehrten die beiden Kavaliere wieder zu ihrer Herzensdame zurück. Sie kamen grad recht, eben trat der Ober an den Tisch 128 zum Einkassieren. Großspurig warf der Katsche das Markl hin und sagte: »Gebns ma no a Halbe!«

Vom zweiten Teil des Programms hatten sie bedeutend mehr. Das Mädchen mit den dunklen Augen saß zwischen ihnen, blitzte abwechselnd einmal den einen, dann den andern und ab und zu den ganz andern auf der andern Seite drüben an. Gegen Schluß der Vorstellung sagte das Mädchen: »Gell, ihr seids ma net bös, wenn i den Soldaten an d' Kasern hinbegleit. Der arm Teifi muaß ja um zwölfi einpassiern und mir habn uns scho so lang nimma g'sehn und er muaß ma was Wichtigs von meiner Freundin erzähln.« Recht lieb sagte sie noch einmal: »Gell, ihr seids ma net bös?« Nein, o nein, sie waren gar nicht bös, im Gegenteil, sie fühlten sich sogar geschmeichelt, daß sie eigens um Erlaubnis bat, mit dem andern wegzugehen. »Also, dann treff ma uns um zwölfi am Isartorplatz, dann fahrn ma mitanand hoam«, sagte sie fröhlich und verschwand während dem Schlußmarsch mit dem schweren Reiter.

Eine Stunde gingen sie spazieren, einkehren konnten sie nicht, weil sie die 40 Pfennig noch zum Heimfahren brauchten. »Wann muaßt denn du dahoam sei«, fragte der Benni. »Um zwölfi!« »I aa!« »Richt ma dö Uhr um a Stund z'ruck und sagn ma, sie is hint bliebn!« Schon vor zwölf standen sie am Isartorplatz, endlich kam »Sie«, ein bisserl zerzaust, aber quietschvergnügt: »Mei, der hat si g'freut, weil er a bisserl mit mir redn hat könna; morgn in der Früah um Viere muaß er scho wieder raus, der arm Teifi!« In der Trambahn plapperte sie fortwährend und Katsche und Benni waren glücklich und zufrieden. 129

Selig verabschiedeten sie sich von ihr. Sie hatten zum erstenmal ein Mädchen ausgeführt. »Das erzähln ma morgn, da wer'ns schaun.« Die Turmuhr vom Sendlinger Kircherl schlug dreiviertl ein Uhr. Der Katsche stellte die Uhr um eine Stunde zurück. Als er in die Nähe seines Hauses kam, sah er seinen Vater schon unheildrohend vor der Haustür auf und ab gehen. Recht freundlich sagte er: »Grüaß Gott, Vater« und zog dabei seine Uhr heraus. Zur Rechtfertigung kam er nicht mehr, der Vater zog auch aus 130 und Benni hat es einige Male recht kräftig patschn hörn. Auch ihm ging es nicht besser. Die Liebe schlägt Wunden – aber schön war's doch.



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