Weiß-Ferdl
O mei!
Weiß-Ferdl

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Der Mensch hat es nicht leicht. Nicht nur der Kampf ums Dasein ist schwer, nein auch die Menschen selbst müssen sich gegenseitig quälen. Ein besonderes Übel ist die Neugierde der lieben Mitmenschen. Die ewige Fragerei. Das erste, wenn Dir jemand begegnet: »Wie gehts denn???« Da braucht man doch jetzt gar nicht fragen. Natürlich miserabl!

Es gibt Leute, die sehr mitteilsam sind, die reden, wenn sie gar nicht gefragt werden, zu denen gehöre ich nicht. Ich halte es eher mit dem Lohengrin: »Nie sollst du mich befragen.« Schon als kleiner Bub hab ich das Getue und Gefrage der Tanten gehaßt. »Wo ist denn 's Bubele?« Dabei hats mich am Arm ghabt. Wenn mich was gedrückt hat und ich hab geschrien, dann gings weiter, die blöde Fragerei: »Was hat denn 's Bubele? Warum tut er denn so schreierle?« Reden konnt ich nicht, aber voll Wut hab ich mir gedacht: »Wickelt mich aus, dann kommts schon drauf, warum ich schrei!«

Kaum hast du dann ein bisserl pappeln können, dann ist die Fragerei erst recht losgangen: »Wie heißt denn?« »Wem ghörst denn?« »Wie heißt denn dei Vater?« Herrschaft, hab ich diese Fragerei dick gehabt. Dann in der Schule: »Wann wurde Bayern ein Königreich?« »Wo entspringt die Isar?« »Wie lang dauerte der 30jährige Krieg?« »Wann wurde Amerika entdeckt?« usw. 52

Dann im Beichtstuhl, immer wieder die Frage: »Wie oft?« Auch die Ehe ist das reinste Frag- und Antwortspiel. Gleich am Anfang heißt es schon: »Ist es ihr freier und ungezwungener Wille?« Ungezwungen mhm! »Mit Willn«, sagn d'Bauern, 53 wenn's müaßn. Die Frauen sind Meisterinnen im Fragen, sie fragen mit einer Inbrunst und einer Ausdauer, bewundernswert, aber unangenehm: »Wo warst du denn gestern?« »Warum hats denn soo lang gedauert?« »Wo hast denn das viele Geld hingetan?« »Wie kommt denn ein rotes Frauenhaar an deinen Hemdkragen?« usw.

Lästig, diese Fragerei. Fragt die Frau nicht, fragt das Finanzamt, auch sehr eindringlich und immer mit der Drohung am Schluß: »Ich versichere nach bestem Wissen und Gewissen usw.«

Dann gab es eine Zeit bei uns in Deutschland, da wurde man mit Hartnäckigkeit nach der arischen Abstammung gefragt. Bis zur Ur-Großmutter und dem Ur-Großvater mußtest du alles angeben, dabei war es oft schon furchtbar schwer, den eigenen Vater namhaft zu machen. Dies ist nun Gottlob vorbei, doch ein altes deutsches Sprichwort sagt: »Es kommt nix besseres nach.«

Was die Fragerei anbelangt, haben die Amerikaner alle bisherigen Rekorde geschlagen. Herrschaft, san die neugierig! Wenn wir das gewußt hätten, was die von uns alles wissen wollen, dann hätten wir es uns reiflich überlegt – dies Land zu entdecken. Jetzt zahlen sie uns Europäern die Neugierde heim. Sie wollen nicht bloß entdeckt werden, jetzt wollen sie die Entdecker entdecken.

So weit und so groß wie ihr Land, sind auch die Fragebogen.
Die mußt du alle ausfüllen, wehe wenn du gelogen.
Zuerst Name, Alter, Haare, Gewicht,
Farbe der Augen, wieviel im Gesicht,
Wieviel an den Füßen, 55
In Blockschrift, alls wolln sie wissen.
Dann – warst du bei der Nazipartei?
Oder bei den Gliederungen so nebenbei?
Hattest du etwa gar ein Amt?
Oder warst du mit einem Bonzen gut bekannt?
War von deiner Sippe oder dein Familienpart
Etwa gar ein Blockwart??
Hast du fürs WHW. heftig spendiert
Oder sonst mit der braunen Bande sympathisiert?
Hast du Reisen gemacht? Das Ausland besucht?
Selbst bezahlt, oder nur bei KdF. gebucht?
Warst du Soldat? Welche Charge tatst erreichen?
Bei welcher Waffengattung? Was hast du für Ehrenzeichen?
Warst etwa beim Generalstab eingerückt?
Oder hast dich beim Volkssturm mit der Panzerfaust herumgedrückt?
Warst du u.k., zu gescheit oder zu dumm
Und nicht Soldat, dann schreib warum?
Was hast du die letzten 30 Jahr gewählt?
Was hast du verdient? Einzeln aufgezählt!
Hast du Religion und das auch bewiesen?
Die Kirchensteuer rechtzeitig überwiesen?
Und so geht es fort immer weiter
Eine endlos lange Frageleiter.
Nicht nur einmal, nein, bei jeder Gelegenheit
Liegen die Bogen da ausfüllbereit
Ob du arbeiten willst, ein Geschäft selbst führen,
Ob du dir den Blinddarm willst rausoperieren,
Ob du Autofahren willst oder Benzin,
Immer legn's dir einen Bogen hin.
Ob du eine Wohnung hast oder keine,
Ob du rauswillst oder zu dir wer eine,
Ob du ein Telefon willst oder Geld abholen, 56
Oder wennst dir laßt die Stiefl sohln,
Kurzum bei allem, bei jeden Dreck,
Um den Fragebogen kommst net weg.
Neulich sind mir die Nerven durchgegangen,
Selbstmörderisch tat ich an Revolver verlangen.
Die Schußwaffen habn wir abgeliefert all,
Erschieß dich, wenns geht, mit'n Futteral.
Wütend tat ich zum Seiler laufen
Und wollt mir einen Strick kaufen.
Brauchens zum Aufhängen einen?
Wenns bei der Partei warn, kriegns keinen!
Dann bin ich nach Großhesseloh gerannt
Auf die hohe Brücke, die jeden bekannt.
Ein Schutzmann stand da wie angeschraubt.
»Ich will mich hinunterstürzen, das ist doch erlaubt?«
»Ja«, sagt er und tat ein Papier herausknüllen,
»Nur müassens z'erst den Fragebogen ausfüllen!«

Den Sturz ließ ich dann bleiben lieber
Und seufzte: »Wär doch der Columbus net da nüber!«

 

Peinliche Frage.

(Spielt in der Zeit, als die Militärregierung Wagen zuließ.)

Personen: Lallinger, Frl. Schmidt.
Spielt im Vorzimmer eines Captain der Militär-Regierung.

Lallinger: (Eine saftige Figur aus dem bayrischen Oberland, tritt ein und schaut sich um.)

Schmidt: (Betrachtet sich im Taschenspiegel und pudert sich ohne Lallinger zu beachten.) 57

Lallinger: (Sehr freundlich) Grüaß Gott, Freiln!

Schmidt: (Unnahbar) Zu wem wollen Sie?

Lallinger: I hätt gern an Herrn – an Mister – an Capo – an Mister Capitän persönlich gesprochen!

Schmidt: Sind Sie bestellt?

Lallinger: Bstellt? (Man merkt, daß er lügt) Jja!

Schmidt: Wie ist Ihr Name?

Lallinger: Josef Lallinger. Wie man Lalle schreibt. (Lacht.)

Schmidt: (Sieht auf ihrem Block nach) Ihr Name ist nicht verzeichnet.

Lallinger: Net? – Er wirds halt vergessen haben. Dene Herrn geht ja aa so vui im Kopf rum. I hab an Herrn, an Mister (deutet mit dem Kopf auf die Tür) erzählt, daß i aa an Brudern in Amerika drübn hab – und da san ma halt nacha so z'redn kumma.

Schmidt: You speak english?

Lallinger: Ja, vui net, a bisserl bloß, was i halt von mein Brudern glernt hab, wia er da war!

Schmidt: In which matter do you come? (Nachdem sie merkt, er hat es nicht verstanden) In welcher Angelegenheit kommen Sie?

Lallinger: Ja, es is wegen meinem Auterl. Wissens, i hab mein Wagn vor dö Nazi gerettet, dö warn ja net vui scharf drauf. O mei, aber da habn sie sich brennt. Wissens, i hab dö Gummi obatoa, Batterie weg, net, i bin do net so dumm und gib dene Sau-Nazi mein Wagn. Jetzt möcht i halt Genehmigung, Permission, daß i wieder fahrn derf!

Schmidt: Waren Sie Parteimitglied? 58

Lallinger: (Peinlich berührt, übergeht die Frage) Da Mister hat sich in Reining drübn verfahrn ghabt und da hat er mi um an Weg gfragt, bei der Gelegenheit san ma z'redn komma. Er redt ganz gut deutsch. Ja, der Mister Capitän war recht froh, daß i grad dazu kemma bin und eahm an rechtn Weg zoagt hab.

Schmidt: (Beachtet das Geschwätz nicht.)

Lallinger: Da Herr Capitän wird sich gwiß freun, wenn er mi wieda siecht. Kann i dann nei, Freiln?

Schmidt: (Gibt keine Antwort.)

Lallinger: Mei Bruda is in Buffalo drübn, ja dem gehts guat. I wollt, i war aa nüba. Da is ja ganz a anders Lebn da drübn, wia bei uns, vui freier. Da wird koan was vorgschriebn, da wird net allwei gfragt. Hoffentlich kommt das bei uns aa bald!

Schmidt: (Ganz unberührt.)

Lallinger: I hab oft gsagt, so wias dö Nazi triebn habn, kanns net weitergehn. Wissens, i bin a Demokrat durch und durch. I sag mir, dö Amerikaner, ein Volk, das die Freiheit so liebt, das wird auch Verständnis haben, daß ich z. B. unbedingt meinen Wagn wieder brauch?

Schmidt: (Macht sich an ihren Nägeln zu schaffen.)

Lallinger: Moanans, daß er mir an Wagn zualaßt?

Schmidt: (Keine Antwort.)

Lallinger: Is wer drinn bei eahm?

Schmidt: So lang Sie meine Frage nicht beantworten, kann ich Sie nicht vormerken.

Lallinger: (Unschuldig) Was für a Frag?

Schmidt: Waren Sie bei der Partei? 59

Lallinger: Ach so, deswegn. – Das is so – eigentlich – is ja die Partei aufgelöst. Da habn's recht ghabt, daß dös gmacht habn. Das war ein Saustall, wia dö Nazi mit dö Leut umganga san. Wer da net mitgmacht hat, war einfach daschoßn! (Im ganz anderen Ton) I brauchat ja gar net vui Benzin, wissens, i hab an kloan DKW., zwanzg Liter wenn i hab, kummat i aus damit. Also lassens mi halt nei'!

Schmidt: Bevor Sie die Frage nicht beantwortet haben, geht das nicht.

Lallinger: I kann gar net verstehn, daß sich Amerika, das Land der Freiheit, um den Schmarrn da so 60 kümmern mag. Sehngn's, dös gfallt mir so an der Demokratie, weil da a jeder toa und lassen ko, was er mag. Ich bin für die Freiheit, da bin i ganz amerikanisch ei'gstellt. Keinen Zwang in gar keiner Richtung.

Schmidt: (Lacht für sich.)

Lallinger: Jetzt lachans, aber es is a so. Also lassens mi amol nei, wenn er mi siecht, nacha macht er's scho!

Schmidt: Sie müssen zuerst auch den Fragebogen ausfüllen.

Lallinger: O je, dö hab i dick, dö Bluatsfragebögen überananda. – Gehts a so net?

Schmidt: (Schüttelt den Kopf.)

Lallinger: (Leise) Sie Freiln, is da Herr Mister vielleicht a Freund von einem ganz ausgezeichnet guten niederbayerischen Bauerngselchtn??

Schmidt: (Lächelnd) Ich weiß nicht.

Lallinger: Wissens Freilein, koa solchas, wia d' Metzga verkaafa, mit recht vui Salpeta, dös mei is im Rauchfang gselcht, mit Wachholder, ganz was guats! (Schaut sie erwartungsvoll an) Sie kriagn scho aa a Stückerl davo. Also sagn's sie's eahm, so oans kriagt er in ganz Amerika net. (Zieht ein schmieriges Paket heraus.)

Schmidt: Lassen Sie das, ich darf Sie nicht melden, bevor Sie mir nicht sagen, ob Sie Parteimitglied waren.

Lallinger: (Kämpft mit sich) Meine politische Einstellung innerlich – war also ganz bestimmt so, daß in gar keiner Hinsicht – innerlich – auch nur das Geringste – sie verstehn mi? 61

Schmidt: (Ruhig) Nein, ich verstehe Sie nicht!

Lallinger: (Für sich) Wia nur so was Sekretärin werden kann. (Laut) Meine Schwester z. B., die war fuchzehn Jahr lang Pfarrersköchin – mir stammen nämlich von einer streng katholischen Familie. Das sagt ja alles!

Schmidt: No, das sagt nicht alles.

Lallinger: Wenn Sie an Mister Kapitän sagen, daß mei Bruada in Buffalo Demokrat durch und durch is und sogar an Rosefeld und an Truman g'wählt hat – das glangt doch, was?

Schmidt: (Schüttelt den Kopf.)

Lallinger: No net? Und wenn i eahm sag, daß i unsern Ortsgruppenleiter amol Watschn o'tragn hab? I moan, diese mutige Tat, die mich bald ins Konzentrationslager gebracht hätt, muß do genügen, daß mei Wagn wieder zuglass'n wird?

Schmidt: Das genügt nicht!

Lallinger: Dann woaß i nimma, was i sag'n soll?

Schmidt: Sie brauchen nur »Ja« oder »Nein« zu sagen.

Lallinger: Das hätt i net glaubt, daß d'Amerikaner da solche Umständlichkeiten machen. Wo ich einer der ersten war, der die weiße Fahna nausg'hängt und dadurch den Kriag verkürzt hab – und wo ich jetzt vielleicht sogar Englisch lern??

Schmidt: (Lacht spöttisch.)

Lallinger: Also, sagns eahm dös alls, nacha muaß er ja doch – –

Schmidt: Das interessiert den Cäpten alles nicht. Er will nur wissen, ob Sie bei der Partei waren. Also, Mister Lällinger, Yes or No? 62

Lallinger: (Öffnet den Mund, als ob er »Ja« sagen wollte, schließt ihn wieder. Eindringlich) Freilein, jetzt sag eahna i was! Wenn das so is – (nimmt das Fleischpaket wieder zu sich) iß i dös Gselchte selba – und fahr mit der Bahn. (Ärgerlich ab.)



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