Weiß-Ferdl
O mei!
Weiß-Ferdl

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Der Herr Salverer.

Dieser Vortrag entstand im Jahre 1936. Er hat bei den Zuhörern im Platzl viel Beifall errungen, mir hat er viel Unruhe und Herzklopfen bereitet. Unter einem »Salverer« versteht man bei uns in München einen harmlosen Schwätzer, einen, der über alles redet, am liebsten über das, was er nicht versteht. Also, ich kam in der Maske eines alten Hofbräuhäuslers mit Maßkrug auf die Bühne, setzte mich an den Tisch und fing sofort zu schimpfen an.

Salverer: Einschenken tuans, also man muß sich wundern, daß da die Regierung, die sich sonst um alles kümmert, nicht einschreitet. Das ist ja Mundraub. Draußen steht groß angeschrieben: »Dieser Betrieb steht geschlossen in der Arbeitsfront.« – Ja, geschlossen g'hörns alle 73 abg'führt, dö Bande, dö g'stohlne, dö ausg'schamte!

Kellnerin: (Grüßt) Gut'n Abend, Herr Salverer, über was ärgerns Eahna denn scho wieder?

Salverer: Grüaß Gott, Marie. Wo ist denn euer Betriebsrat?

Kellnerin: I woaß net, wo der Herr is!

Salverer: Is er . . . .? (Gebärde des Fesselns.)

Kellnerin: Geh, redens net so dumm daher. Wenn dös der Herr hört, schmeißt er Eahna glei naus.

Salverer: Ja, dös geht heutzutag schnell. Wia is denn dem Kramer am Lechl drunt ganga? Der hat am Nachmittag Frühkartoffl vakauft, glei ham's ihn verhaft und fort. Ja!

Kellnerin: Geh, dös glaubns ja selber net.

Salverer: Jo, jo. Ein guter Freund von mir, der is durch die Von-der-Tannstraßn ganga, da wo die schöna Häuser weggrißn werdn. Jetzt hoaßts »Schüttlstraß«, weil d'Leut alle die Köpf schütteln. Also, der hat einen Kragn ang'habt, der ihm a bisserl zu eng war und hat deswegn an Kopf a bisserl hin und her bewegt – sofort habn sie ihn verhaft!

Kellnerin: Geh, hörns auf!

Salverer: An Weiß Ferdl im Platzl drübn habns aa verhaft. Da hat dö Kellnerin ihn g'fragt: »Herr Weiß, wollns Wiener oder Regensburger«; drauf hat er g'sagt: »Na, dö brauna mag i net, bringens mir Weißwürst mit Blaukraut.« Sofort habn sie ihn direkt von der Bühne runter verhaftet.

Kellnerin: Habn Sie dös g'sehn? 74

Salverer: I? Na, i geh do net ins Platzl, wo's für drei Zehntl Bier a Fuchzgerl verlanga. Da war i meiner Lebtag no net drin!

Fremder: (Tritt an den Tisch) Jestattn Sie, is hier frei?

Salverer: (Nickt) s'Good. Kaufens Ihna aa a Maß?

Kellnerin: (Stellt eine Maß Bier hin) Zwoarasechzg, ohne!

Fremder: Wie bitte?

Kellnerin: Zwoarasechzg, ohne.

Salverer: (Zum Fremden, der nicht versteht) Ja, gellns, da tuat ma sich schwer im fremden Land, wo man die Sprache nicht versteht. Das Fräulein möcht glei kassieren.

Fremder: Ach so, nu bejreife ick. (Gibt ihr eine Mark und winkt, daß es richtig ist.) Bei uns ist 10 Prozent Bedienung gleich mit bei. Hier in Bayern ist alles ein bisken anders.

Salverer: Ja, bei uns is alls anders!

Fremder: Dett is mir ooch uffjefallen. Ausjerechnet hier in der Hauptstadt der Bewechung sachen alle ejal »Grüaß di Gott«.

Salverer: Ja, wissens Herr Nachba, mir stelln uns net so schnell um, wia ihr. Bei uns dauerts a bisserl länger, mir san die Hauptstadt der »Grüaß-Gott-Bewegung«!

Fremder: Sachen Sie mal, da drüben im Platzerl soll eener sin, der ooch ne kesse Lippe riskiert?

Salverer: Da Weiß Ferdl, ja der sitzt do mehra Zeit. Den bringt auf d'Nacht d'Gestapo, nacha muaß er auftretn und wenn er firti is, nacha haun's eahm glei wieda d'Haftl nei. 75

Fremder: Sachen Sie mal, watt erzählt denn der Mann da drüben?

Salverer: Neulich hat er erzählt, ich sag euch nur dös oane, meine lieben Landsleut, oaner, der gar koa Bier trinkt, ob das der richtige Mann für uns ist, bezweifle ich!

Fremder: Was Sie nich sagen, dett hat der Mann da drüben erzählt. Das ist ja toll. Haben Sie das jehört?

Salverer: Freili, i bin ja guat bekannt mit eahm!

Fremder: Dett muß ich mir anhören! (Steht auf) 'n Tach. (Rasch ab.)

Salverer: (Zieht den Maßkrug des Fremden zu sich) Gibts dös aa, laßt der dös guate Bier steh. Na, dö Preißn, mit dene werdn mir uns nia vastehn. (Trinkt von dem ergatterten Maßkrug.)

Ängstlich: (Kommt mit seinem Maßkrug an den Tisch. Mit der rechten Hand macht er eine Bewegung ähnlich dem deutschen Gruß.)

Salverer: Grüaß Gott, Herr Nachba!

Ängstlich: (Leise) Grüaß Gott!

Salverer: Habns Ihna aa a Maß genehmigt? Zu was anderem glangts a so nimma in den herrlichen Zeiten. Da war ma die Verfallszeit scho hint lieba wia dö Zeit vorn. Is net so?

Ängstlich: (Unsicher) Mhm.

Salverer: Mit mir derfa's scho redn. Ich kenn ja Ihre politische Einstellung nicht, aber da werden Sie mir doch recht gebn, a so kann's nimma weiter gehn?

Ängstlich: (Nickt.) 76

Salverer: Es freut mich, daß Sie auch so denken wie ich.

Ängstlich: (Erschrocken) Ich hab ja gar nichts g'sagt!

Salverer: Dös brauchts gar net, dös siagt ma, daß Sie nix zum Lacha habn, es geht uns ja alle so. Sie nehman uns ja alls. Wenn i drei Maß trunka hab, muaß ich es mir schon überlegn, ob ich noch eine vierte mir erlaubn darf. Ist das ein menschenwürdiges Dasein?

Ängstlich: (Lächelt.)

Salverer: A paar tausad Mark hab i auf der Bank, jetzt muaß i, ein alteingesessener Münchner Bürger, Kapitalertragssteuer zahln. Is das net ausgschamt?

Ängstlich: (Trinkt.)

Salverer: Das ist Nationalbolschewismus!

Ängstlich: (Räuspert sich verlegen.)

Salverer: Freut mich, daß Sie auch meiner Ansicht sind.

Ängstlich: Ich hab ja gar nix g'sagt.

Salverer: Da habn ma's, ma derf ja nix sagn, wenn ma was sagt, kummt ma glei nach . . . das darf ma aa net sagn!

Ängstlich: Das versteh i net.

Salverer: Grad weil Sie nix sagn, beweisen Sie, daß Sie ein aufrechter deutscher Mann sind, der sein Herz und sein Maul am rechten Fleck hat. Man braucht sich net alles gefallen zu lassen!

Ängstlich: Ich will mit der Politik nichts zu tun haben.

Salverer: Bravo, Sie wolln mit der Politik nichts zu tun haben, Sie sind ein mutiger Mann!

Ängstlich: (Läßt in seiner Angst das Bier stehn und läuft schnell ab.) 77

Salverer: (Nimmt auch diesen Krug zu sich und sagt schmunzelnd) Heut hab ich einen guten Tag.

Schweiger: (Tritt auf; ohne Salverer zu beachten, setzt er sich zu ihm an den Tisch. Der Mann macht einen sehr verschlossenen Eindruck.)

Salverer: (Beobachtet ihn lauernd. Als dieser einmal den Kopf nach seiner Seite dreht, frägt er) Wie meinens?

Schweiger: (Wendet sich mürrisch ab.)

Salverer: Ja, ja, so is!

Kellnerin: (Stellt das Bier hin) Wohl bekomm's!

Schweiger: (Zahlt.)

Kellnerin: Kriegt der Herr auch was zu essen?

Schweiger: (Schüttelt den Kopf. Kellnerin ab.)

Salverer: Essen aa no, san ma froh, wenns für 's Bier langt. Gellns?

Schweiger: (Beachtet ihn nicht.)

Salverer: (Läßt sich nicht abwimmeln) Neulich hat sich am Finanzamt einer beschwert und hat g'sagt: »Da arbat ma dö ganz Woch, kaum daß für a Stückerl Brot und an Kas g'langt, a Fleisch kann i mir dö ganz Woch net leisten!« Dann hat der Beamte g'sagt: »Die Regierung hat euch Arbeit und Brot versprochen, von an Schweinsbratn war keine Rede!« (Lacht lärmend, als aber sein Tischnachbar abweisend dreinschaut, verstummt er und meint) Es ist natürlich nur ein Witz. (Nun wird er unsicher und will das Gesagte abschwächen.) Unzufriedene Leut hat es immer geben. Da kann's die Regierung machen, wie's will.

Schweiger: (Hat sich eine Zigarre angezündet, er hustet.) 78

Salverer: Jawohl, das ist am allergescheidsten, wenn ma drauf huast. (Lacht) Ich weiß ja nicht, wie Sie darüber denken. Es gibt ja auch Leute, die mit der Lage zufrieden sind? (Beobachtet ihn, nachdem Schweiger keine Miene verzieht) Aba dö mehran schimpfn!

Schweiger: (Lächelt.)

Salverer: (Glücklich)^ Ah, jetzt kenn i mi aus. Sie gehören auch zu denjenigen, die wo nicht ganz überzeugt sind – daß – – net?

Schweiger: (Raucht.)

Salverer: Es gibt zu viel Leut, die grad 's Durchkommen habn und die können das nicht verstehen, daß ma dö schönen Häuser da einfach niederreißt, als wenn dös Sach nix kosten tät. Sie, das wenn die Herren hören könnten, was da die Leut dazua sagn. Ein Hausbesitzer, den's getroffen hat, der hat neulich mitten auf der Straßn ganz laut g'sagt, – i habs selber g'hört . . . 79

Schweiger: Hörns auf, i will nix davon wißn!

Salverer: (Wird wieder stutzig) Sind sie vielleicht selber einer davon, der da betroffen . . .?

Schweiger: (Abwehrend) Na, i bin bei der Gestapo!

Salverer: (Momentan sprachlos. Wird blaß, dann steht er auf, zitternd. Hebt die Hand und sagt) Ja – dann – (Geht ängstlich sich umblickend eilig ab.)



 << zurück weiter >>