Weiß-Ferdl
O mei!
Weiß-Ferdl

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D'Leut schimpfn halt gern!

So lang die Welt steht, hat es solche gegeben, die regiert und solche, die regiert worden sind. Immer haben die Letzteren an den Ersteren etwas auszusetzen gehabt. Wenn sie nicht die Macht hatten, den Regierer zu stürzen oder abzumurksen, dann haben sie wenigstens geschimpft, gemurrt oder 38 Witze gemacht. In früherer Zeit gab es sogar Hofnarren, die hatten die Aufgabe, den hohen Herren beim Festmahl zwischendurch die Meinung des Volkes zu servieren. Wenn der hohe Herr guter Laune war, hat er dazu gelacht; war er schlecht gelaunt, ließ er den Hofnarren aufhängen. Sie sehen, unser Beruf war immer schon gefährlich. Es ist unser Verhängnis, daß wir viel zu ernst genommen werden. Wir stehen am Brettl oben, um die Leute zu unterhalten, um ihnen ein bißchen Freude zu machen. Nun kann man aber dem Menschen keine größere Freude machen, als wenn man über einen etwas sagt, den er nicht leiden kann. Da heißt es dann: »Bravo, ausgezeichnet, das ist ein geistreicher Humorist!« Aber wehe, wenn man etwas sagt, was ihm nicht paßt, dann heißt es gleich: »So ein blöder Kerl. Das ist doch kein Witz!« Nicht gleich eingeschnappt sein, wenn so was kommt, hinunterschlucken – wie man den Lebertran hinunterschluckt. Er schmeckt nicht gut, aber er ist gesund. Schon Julius Bierbaum sagt: »Humor ist, wenn man trotzdem lacht.« Aber – d'Leut schimpfen gern. Jetzt haben wir keinen Krieg mehr, man braucht nicht mehr verdunkeln, es fallen keine Bomben, es gibt keinen bösen Luftschutzwart mehr, trotzdem wird geschimpft.

Da sind einmal die edlen Frauen, die fangen schon in aller Frühe an. »Ich hab keine Streichhölzer, mit was soll ich a Feuer machn?« »Zum Kochen hab i aa nix, zum Einheizen aa nix, i mag mich gar nicht lang ärgern, schau daß du wo anders was kriegst, i bleib liegen!« Doch auch die Männer, von denen doch bekannt ist, daß sie leiden ohne zu klagen, auch denen wird es manchmal zu dumm. Da haben sich zwei Freunde gegenseitig ihr Leid 40 geklagt. »Woaßt, i war meiner Lebtag scho' a Rindviech. Seinerzeit, wie die Roten am Ruder war'n, da war i bei dö Schwarzen. Wie dann das Dritte Reich kam, hab i mir denkt, probierst du 's amol mit dö Brauna. Dö haben mich net gnumma, weil i zuerst bei dö Schwarzen war. Du meinst, das ist jetzt gut für mich? Ah na, ich war gar nirgends dabei, i bin vollkommen unbelastet – aber a Depp bin i wie früher!« »Tröst dich«, sagte sein Freund, »mir ist es net besser gangen. Ich war aa Soldat, – man darfs jetzt gar nicht laut sagen, sonst heißt's gleich, man ist ein Militarist. Ich bin Ehrenmitglied meiner Regimentsvereinigung, fünfazwanzg Jahr hab i in die Sterbekassa nei'zahlt und hab mi immer scho auf den Tag meiner Beerdigung g'freut, wenn über mein Sarg das Bahrtuch mit der goldenen Regimentsnummer liegt, daneben mein Ordenskissen und wenn dann die drei Schuß über mein kühles Grab hinüber donnern – und jetzt habns 's Schiaßn verbotn. Aja, jetzt kann ma sich aufs Sterbn aa nimma freun. Is dös aa no a Lebn?«

Vor der Tür einer behördlichen Kanzlei steht eine lange, lange Schlange. An der Tür steht: »Nur eine Person eintreten.« Ein Fräulein kommt heraus und sagt zu den Wartenden: »Zuerst kommen die politisch Verfolgten!« Da fragt einer, der ganz hinten dran steht: »Was für oa, die früheren oder die jetzigen?«

Den ganzen Sommer 47 hat es nicht geregnet, alles ist verdorrt und zurückgeblieben. In einer Gemeinde haben sie einen Bittgang um Regen abgehalten. Vier Stund sind die Bauern rosenkranzbetend durch die Fluren gezogen. Abends sitzen sie müd und durstig auf der Post drunt, aber geregnet 42 hat es nicht. Da sind harte Worte gefallen, wie »beten nutzt aa nix mehr«, »da Petrus hat ja gar koa Ei'sehgn«. Der dabeisitzende Mesner hörte dies alles mit an, er wollte die Bauern beschwichtigen und sagte: »I glaub dö G'schicht is so: da Petrus hat doch allweil, wenn die Nazi eine Festlichkeit g'habt habn, a schöns Wetta g'macht. Vielleicht is er deswegn aa a bisserl belastet und hat einen Treuhänder kriagt und der kennt sich net recht aus?«

Was wird bloß über mich alles erzählt, früher schon und auch jetzt gehts schon wieder an. Da stand in einer Zeitung: »Weiß Ferdl kommt auf die Bühne, hat einen Regenschirm in der Hand und fängt an: ›Mein Gott habn's uns angelogen. Erinnert ihr euch noch, wie einmal einer gesagt hat: Ich will Maier heißen, wenn ein einziger feindlicher Flieger die deutsche Grenze überfliegt!? So ein lügater Tropf. Dann hatten wir einen Kleinen, aber mit dem Mundstück ganz groß, der sagte einmal: Jeder vernünftige Mensch muß doch einsehen, daß wir den Sieg in der Tasche haben! Das war erst ein Tröpferl!‹ Dann soll ich den Schirm aufgespannt haben und auf die Frage, warum, soll ich geantwortet haben: ›Es tröpfelt schon wieder!‹« So was steht in der Zeitung.

D'Leut schimpfn halt gern. Auch über die große Säuberungsaktion wird geschimpft. In erster Linie schimpfen die, die darunter zu leiden haben. So mancher, der unter der Säuberungswurzelbürsten schmachtet, flucht: »So viel habns kaput g'macht in dem Kriag, die schönsten Häuser habns z'sammghaut, aber ausgerechnet die Parteikartothek ist ganz bliebn!« Die Säuberungsaktion kommt mir vor, wie wenn eine Hausfrau ihre Wohnung stöbert. Da 43 werden alle Schränke und Kästen weggerückt. Aus jedem Winkel rausgekehrt, gewischt, geklopft, gebürstelt und dann, wenn alles blitzblank ist, wird wieder alles auf den alten Platz gestellt – und neuer Dreck hinein getragen. Nun ist es aber schon vorgekommen, daß sich besonders eifrige Helfer bei der schmierigen Arbeit selber dreckig g'macht habn und dann auch gesäubert werden mußten. Minister, Staatssekretäre, Landräte, Ober- und gewöhnliche Bürgermeister, die purzeln wie die Fliegn. O, es ist sehr schwer, wenn man im Brennpunkt des öffentlichen Lebens steht, ganz fleckenlos dazustehen! Mit gutem Willen kann man jedem, aber auch jedem irgend etwas nachsagn. Wenn man sonst nichts weiß: Hitlerbriefmarken hat er bestimmt benützt! Das hätt er nicht tun dürfen, damit hat er das Großdeutsche Reich finanziell unterstützt, er hätte seine Post unfrankiert verschicken sollen, damit hätte er das Großdeutsche Reich ruiniert – na, jetzt is a so aa drauf ganga!

D'Leut schimpfn halt so gern!



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