Weiß-Ferdl
O mei!
Weiß-Ferdl

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»Pst! Vorsicht!«

Der Zipfelberger Anderl steht zum Fortgehen bereit auf dem Gang, als ihn seine Frau entdeckt und ein bißchen spitz fragt: »Wo gehst denn du scho' wieder hin?« »I – i – wollt grad amol schnell zum Wirt drüb'n neischaun, ob net zufälligerweis der Rauscher Beni drinsitzt. Der hat nämlich zu mir gsagt, er könnt mir a billigs Brennholz zuabringa!« Die Rede klang etwas unsicher und der Blick, der ihn aus den Augen seiner Frau traf, sagte ihm deutlich, daß sie ihm keine Silbe glaubte. Er brummelte, daß man im Winter sehr froh sei, wenn man eine warme Stube habe und wollte sich grad hinausdrücken – da winkte ihn seine Frau zurück und sagte leise und eindringlich: »Red fei' wieder recht gscheit daher, wennst mit deine Schpezln beinanderhockst. Grad heut steht wieder in der Zeitung drin, 70 daß drei ganz elendig ei'gsperrt ham, die wo a so dumm dahergredt ham wia ihr allweil!« »Kümmer di net um mi, i red net so dumm daher als wia du«, brummte er unwillig und stapfte die Stiege hinunter.

Als der Anderl sein bereits etwas eingeschrumpftes Bierbäucherl durch die alten Münchner Gassen trug, dachte er doch an die Mahnung seiner Ehehälfte. Denn, so gestand er sich ein, hie und da hat sie doch recht.

Diese Erkenntnis wirkte noch nach, als er kurz darauf einen alten Bekannten, den Wimbeißer Peter, traf. Dieser hatte anscheinend auch eine ähnliche Lehre auf den Weg mitbekommen, denn die Unterhaltung der beiden Freunde bewegte sich in sehr oberflächlichen Redensarten. »Ja, der Peter, wia gehts denn, alter Schwed?« »Ja, der Anderl! Wia's mir geht? Ja mei, wia's halt jetzt einem Mitteleuropäer geht! Und wia geht's denn dir, Anderl?« »Mir? Ja, mir geht's genau a so.« »Ja, Ja. Es san halt jetzt amol solche Zeiten. Da kann ma net drüba naus!« »Ja, da hast recht, Peter! Wenn ma halt so zruck denkt an früher . . .!« »Ja, früher!« Eine Welt voll Seligkeit lag in den zwei kleinen Worten.

Aha, jetzt hab ich ihn so weit! dachte der Zipfelberger und bohrte eifrig weiter. »Gell, denkst auch oft dran, an die schönen Zeiten, die wo wir früher g'habt ham?« »Schöne Zeiten? Wenn ma so richtig drüber nachdenkt, was ham ma Schöns g'habt? Arbatn ham ma müaßn, jahrein, jahraus, und was is da bliebn, wenns Jahr rum war? Nix, grad daß umganga is. Wars net a so?« Der Anderl war sehr 71 enttäuscht von dieser Antwort, er versuchte es anders rum: »Was sagst jetzt du . . .? Moanst, daß bald . . . Hmmm???« Peter nickte. »Meiner Schätzung nach dauerts nimma lang!« Anderls Augen leuchteten interessiert auf. »Gell Peter, dös sagst aa!« »Gar nimma lang«, sagte der Peter mit Nachdruck, »seit aa paar Tag schpür is scho in mein linkn Harn. Da woaß i ganz bestimmt, daß 's Wedda umschlagt!«

Das Feuer in den Augen Anderls erlosch wieder. Er blickte ärgerlich und nicht frei von Mißtrauen auf seinen alten Schpezi. Eine Weile standen sie sich schweigend gegenüber. Der Peter fuhr harmlos fort: »Früher hab i allweil Peinexpeller in der Apothekn gholt, – aber den gibt's ja nimma!« Noch einmal witterte Anderl eine Gelegenheit, den Andern aus seiner Reserve herauszulocken, und brummte bissig: »Jetzt gibt's bald gar nix mehr. Dö arma krankn Leut!« »Und doch geht's allweil wieder um, ma muß si' grad wundern. Mir hat mei Dokta an Alkohol vaschriebn zum Eireibn. Mei Alte hat davo an Eierkognak gmacht, der hat aa gholfn!« Er lachte so herzlich und fröhlich wie in früheren sorglosen Friedenstagen. Der Anderl lachte nicht, aber er wollte seinem Freund nicht nachstehen. »Ich bin ganz deiner Ansicht, das gfallt ma von dir Peter, daß du an Kopf net hänga laßt. Da gibt's Leut, dö könnan an ganzen Tag nix wia schimpfa und granteln. Deswegn wird's aa net besser. Net?« »Bravo Anderl, des is des einzig Richtige. Hat mi recht gfreut, daß ma uns wieda amol gsehn ham und uns gegenseitig unser Herz habn ausschüttn könna. D' Hauptsach is, Anderl – übrig bleibn!« 72 Die beiden Freunde schüttelten sich die Hände, doch war der Abschied nicht so herzlich wie die Begrüßung.

Zu Hause erzählte Zipfelberger: »An Wimbeißer hab i auf der Straß troffa, der kimmt mir aa bisserl hinterkünfti vür. Er hat mi ausfratschln wolln – aber da is er bei mir grad an Rechtn kumma. Koa Wort hat er aus mir rausbracht, der staubige Bruada. Im Gegenteil, i hab extra mit Fleiß recht optimistisch daher gredt. Da hat er eahm graucht!« Fast mit den gleichen Worten schilderte auch Wimbeißer daheim diese Begegnung. Sie waren eben zwei gute, gleichgesinnte alte Schpezi.



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