Weiß-Ferdl
O mei!
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Männererziehung reformbedürftig?

Man kann jetzt öfters in Lebensmittelgeschäften arme, alte Junggesellen oder Witwer mit der Einholtüte oder dem Netz hilflos, voll Hemmungen drin stehen sehen. Tiefes Mitleid mit diesen bedauernswerten Wesen erfaßt uns Männer. Die Frauen nicht, im Gegenteil, die weiden sich voll grausamer Lust an seiner Hilflosigkeit, wenn er seine Lebensmittelkarte vorzeigt und zaghaft frägt: »Was krieg ich denn da drauf?« Die Verkäuferin wirft ihren Kennerblick darauf und sagt dann kalt, herzlos: »Nix! – Stärkemittel kriagatn's drauf, aber 97 i hab koa!« Unter gefühllosem Gekicher der Frauen schleicht sich der Mann hinaus und versteckt seine leere Einkaufstüte. Die Frauen aber verstehen es, teils mit Schmeichelreden, teils mit versteckten Drohungen, alles herauszuholen, was in dem Laden drin ist. Diese Finessen und Schleichwege liegen dem Manne nicht, er ist gar nicht dazu erzogen. Die meisten verstehen vom Haushalt nichts und haben es auch unter ihrer Würde gehalten, sich um so was zu kümmern. Die Erziehung des Mannes war darauf bedacht, möglichst viel zu lernen, um möglichst viel verdienen zu können.

Doch jetzt in dieser Zeit, wo sich so viel ums Essen und häusliche Gemütlichkeit dreht, rächt sich diese einseitige Erziehung, wir sind den Frauen, die den Haushalt führen, erbarmungslos ausgeliefert. Was 98 nützen dem Mann seine großen Kenntnisse, wenn er hungrig in der kalten, unfreundlichen Stube hockt? Durch jahrzehntelanges Studium hat der Herr Professor herausgebracht, daß unsere Welt 20 Milliarden Jahre alt ist. Kein Wunder, wenn dieser Mann, der mit solch gigantischen Zahlen zu tun hat, seine Nährmittel verfallen läßt. Ein anderer, eine Leuchte der Mathematik, der die schwierigsten Aufgaben spielend löst – doch zu Hause rechnet ihm seine Haushälterin vor, wieviel Gramm Butter er auf sein Brot streichen darf. Dabei beherrscht diese Person nicht einmal das »kleine Einmaleins« fehlerlos.

Der Herr Direktor, der ein Riesenwerk leitet, kann heute nicht zur Sitzung kommen, weil sie in sein Hemd keinen Knopf genäht haben. Der berühmte Chirurg, der mit sicherer Hand den menschlichen Körper aufschneidet, der jedes Äderchen, jede Muskel kennt, war beim Metzger. Erst beim Mittagessen merkt er es, daß ihm die Metzgerin ein altes, zaches Kuhfleisch hinauf gehängt hat. Es kann einer ein großer Physiker sein und trotzdem kein Feuer in den Ofen hineinbringen oder ein anerkannt tüchtiger Botaniker, der alle Pflanzen auf den ersten Blick erkennt und trotzdem keine Kartoffelknödel machen kann.

Aber gerade auf diese Kleinigkeiten kommt es zur Zeit an. Darum behaupte ich: unsere Erziehung ist reformbedürftig! Schon in der Schule soll das gelernt werden. Es ist natürlich nicht notwendig, daß der Mann alle diese unangenehmen Arbeiten mit anschließendem Abspülen selbst macht; aber er muß sich darin auskennen, er muß die nötigen Befehle geben können und im Notfall es selbst 99 machen können. Dann sind wir nicht mehr abhängig und wenn die Frauen das wissen, wagen sie es auch nicht, den Zorn des Herrn heraufzubeschwören. Also, Geschlechtsgenossen, verschafft euch die notwendigen Kenntnisse, dann könnt ihr herrschen!



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