Weiß-Ferdl
O mei!
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Die Macht der Presse.

Eine fürchterliche, gewaltige, unheimliche Macht. Selbst Minister zittern vor dieser zermalmenden Macht. Sie kann dich hochheben, sie kann dich aber auch zerschmettern. Wir von Bühne und Brettl, wir sind ihr ja ganz auf Gnade und Ungnade ausgeliefert. Du kannst noch so schön singen, spielen, vortragen, das Publikum kann sich die Hände wundklatschen – alles umsonst, wenn die Presse nicht ein bißchen mitklatscht. Selbst wenn sie dich verreißt, ist das schon ein kleiner Erfolg, aber wenn sie dich ganz verschweigen, dann kannst du dich entweder begraben oder einäschern lassen. Das steht dann vielleicht drin, wenn deine Hinterbliebenen für dich so viel ausgeben. Dazu kommt noch das niederdrückende Gefühl, zu wissen, daß sich die breite Masse so leicht beeinflussen läßt. Wenn du ein noch so gottbegnadeter Künstler bist, es nützt dir gar nichts –, wenn die Presse deinen Namen nicht nennt, heißt es geringschätzig: »Kann der was? Ich hab noch nie was von ihm gehört!« Wehr- und machtlos stehst du diesem furchtbaren 80 Gegner gegenüber. Greift er dich an, schreibt er etwas über dich, was nach deiner Ansicht eine schreiende Ungerechtigkeit ist, was kannst du tun? Du kannst deiner Hausfrau, deinem Freundeskreis erzählen, daß der Schreiber dieser Zeilen ein ausgemachter Idiot ist, vielleicht bist du so kühn und teilst ihm deine Meinung in einem eingeschriebenen Brief mit. In der Zeitung erscheint dies nicht. Wenn du noch so rührig bist, mehr wie dreißig Personen kannst du deine Meinung nicht mitteilen. Sein Urteil lesen mindestens 80 000, die erzählen es nochmal 120 000. Zum Schluß steht der Kampf 200 000:30, dann glauben es die dreißig auch nicht mehr.

Und doch, auch die Macht der Presse hat ihre Grenze. Während des Krieges verbreitete sich das Gerücht, ich sei gestorben. Es war eine ausgesprochene Lügenpropaganda, ich veranlaßte die Presse, dies zu dementieren. Zum Schluß schrieb ich: »Ich lebe noch, von Blumenspenden bitte ich abzusehen – Dauerwürste sind mir lieber!«

Natürlich war das nur scherzhaft aufzufassen – denn wer sollte jetzt bei 250 Gramm Fleisch pro Woche – undenkbar! – Trotzdem hatte ich wieder einmal Gelegenheit, die gewaltige Macht der Presse festzustellen. Die Mitteilung, daß ich noch am Leben, war anscheinend für die große Masse nicht erschütternd, aber das Wort »Dauerwurst« hat eingeschlagen und prägte sich tiefschürfend in die Gehirne meiner lieben Zeitgenossen ein.

Sofort erreichten mich Angebote, wo ich meine vielen Dauerwürste bombensicher und kühl aufbewahren könnte. Die Teilnahme – nicht an mir – aber an den Dauerwürsten war rührend. Einige scheuten nicht einmal die beschwerliche Reise in den 81 ungeheizten Zügen, besuchten mich und bevor sie fragten, wie es mir geht, sagten sie mit vielsagendem Lächeln: »A Brot und a Messer hab i schon dabei!« Ein lieber Kegelbruder sandte mir zwei Eisenhaken zum Aufhängen der Würste – ohne Eisenschein. 82

Außer den beiden Eisenhaken kam nichts, was mich nur im entferntesten an Dauerwürste erinnert hätte. Ach ja. Die Nachwelt flicht dem Mimen keine Kränze und dem Lebenden keine Dauerwürste. So weit reichte – leider – die Macht der Presse nicht. Hingegen schrieb ich einmal eine kleine lustige Geschichte über die Rentabilität der Hühnerzucht. Schon am nächsten Tag wurde mir eine Henne gestohlen. – Das ist die Macht der Presse!



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