Weiß-Ferdl
O mei!
Weiß-Ferdl

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So lang da drunt am Platzl . . .

Diese Worte aus dem alten Lied haben für mich eine ganz besondere Bedeutung, denn ich war wirklich lang drunt am Platzl. Sechsunddreißig Jahre bin ich auf dem Brettl droben gestanden, hab gesungen und meine Witze gemacht. Am 16. November 1907 bin ich zum erstenmal dort aufgetreten. Damals waren wir noch ein bayrisches Königreich, schön wars, ich muß das sagen, selbst auf die Gefahr hin als Reaktionär oder Partikularist verschrien zu werden. Viele Regierungswechsel habe ich in den 36 Jahren erlebt und jedesmal habe ich dies Ereignis in irgendeiner Form besungen. Es hat bisher noch keine Regierung gegeben, die mit meinen Gesängen restlos einverstanden gewesen wäre. Da ich in meinen Liedeln immer die Meinung des Volkes oder wenigstens eines Teiles desselben ausgedrückt habe, bin ich von allen Regierungen, der königlichen, der »schwarzen«, der »roten« und ganz besonders heftig auch von der »nationalsozialistischen« gemaßregelt worden. Wer weiß, was mir noch passiert wäre, wenn ich 43 nicht krank geworden wäre und von meinem geliebten Brettl im Platzl drunt Abschied nehmen mußte.

Im Jahre 1910 wurde ich wegen folgendem harmlosen Witz auf die Polizei beordert und mein Witzbüchl beschlagnahmt:

»Ein Geschäftsreisender trifft im D-Zug die Tochter eines seiner Kunden, die nach Paris in ein Pensionat fuhr. Er wußte nicht, was er mit dem jungen Mädchen sprechen sollte und erklärte ihr die Bedeutung der Farben. Rot ist die Liebe, blau die Treue, gelb die Eifersucht, grün die Hoffnung, weiß 16 die Unschuld. Nach zwei Jahren traf er bei einem Kundenbesuch das gnädige Fräulein wieder zu Haus und fragte sie, ob sie sich an das Gespräch auf der Fahrt nach Paris noch erinnere? »Jawohl«, sprach das junge Fräulein und wiederholte das Gespräch, nur bei der Farbe »weiß« stockte sie und sagte dann: »Alles kann man nicht behalten, wenn man zwei Jahre in Paris war!« So sittenstreng waren wir damals gehalten.

Die Revolution räumte mit diesen Zimperlichkeiten auf. Vom Krieg heimgekehrt, ließ ich mir die Münchner Revolution erzählen und bereits bei meinem ersten Auftreten am 16. November 1918 sang ich mein Revoluzzerliedl.

        Krrruzitürkenelementn
        Gehts auf d'Seit herent und drentn,
        Revoluzzer ruckan o',
        A rote Fahna tragn's voro.
        Herrschaft, mir san Freiheitsbringa!
        Wenn ma pfeifn durch dö Finga,
        Reißt's an Kini von sein Thron,
        Er packt ei' und fahrt davo'.

Revoluzilazilizilazi hollaradium, alls drah ma um,
Alls kehrn ma um, alls schmeiß ma um, bum bum!

        »Revoluzzer!« schreit a Stenz,
        »Jetzi gehn ma nei in d'Residenz.
        D'Hartschier tean grad Brotzeit macha,
        Dö wer'n schaun wenn's da tuat kracha!«
        »Kruzinesn!« schrein's voll Zorn,
        »Dö habn ja zug'sperrt hint und vorn.
        Was tean ma jetzt, da kannst net nei'?
        Nacha schmeiß ma d'Fenster ei'!«

Revoluzilazilizilazi usw. 17

        Kruzitürkn, Hermandixn,
        Fürchtn tean ma scho gar nixn.
        Aber oamal san ma g'loffa,
        Hamm ma uns gar schnell verschloffa,
        »Preuß'n kemma 's gibt koan Zweifi!«
        So hamm's g'schrian dö dumma Teifi.
        Doch als man keinen Preiß'n sah,
        War'n mir aa glei wieda da.

Revoluzilazilizilazi usw. 18

        »Runter mit dö Königswappn,
        Teats was anders auffipappn!«
        Schrei'n vor einem Hoflieferant
        A paar Weiber wutentbrannt.
        Oane schreit voll Leidenschaft
        »I hab da drinn no nia was kaaft,
        Ja dös derfts ma glaubn ganz gwiß,
        Weil ma dö Bande z'teuer is.«

Revoluzilazilizilazi usw.

        Freiheit, Gleichheit herrscht im Lande.
        Nehmt's eah' alls, der g'schwollna Bande.
        Was net angenagelt is,
        Dös g'hört uns, dös sell is g'wiß!
        Dreißg Paar Stiefi hat er g'stohln,
        Doch als d' Soldatn wieder holn,
        Schimpft er laut: »Jetzt pfeif i schon,
        Auf die ganz Revolution!«

Revoluzilazilizilazi usw.

Das war ein Schlager – und welch seltenes Glück – er hat allen Parteirichtungen gefallen – er hat den Männern mit der roten Binde so gut wie denen mit der weißen Binde gefallen. Wenn ich meine alten Vorträge durchsehe, spiegelt sich in ihnen das ganze Zeitgeschehen wieder. Stets hab ich versucht, auch den schlechtesten Zeiten etwas Heiteres abzugewinnen. Während der Inflationszeit sang ich:

A so kanns nimma weita gehn,
Jammern d'Weiba, dö am Markt drübn stehn.
A Fleisch kannst dir net kaafa mehr, 19
Wo nahm ma denn 's Geld dazu her?
Dös Gmüas, dö Milch und nacha d'Oar,
Kannst nimma redn, es is scho wahr.
Dö Leut, dö Leut, dö san ausg'schamt,
Geh, gehn ma ins Kino mitanand.

A so kanns nimma weita gehn,
Sagt Bäckermoaster Dampflerin.
Für mei Seidenkleid, ach das ist stark,
Hab zahlt i hundertachtzigtausad Mark.
Fahrst am Sonntag mitn Auto wohin,
Brauchst um dreißgtausad Mark Benzin.
Fürs Brot sollst net verlanga mehr.
Ja wo nahm ma 's Geld denn nacha her?

A so kanns nimma weiter gehn,
Sagn d'Maurer, die am Grüst drobn stehn.
Trinkst zu der Brotzeit jetzt a Maß,
Vierhundert Mark kost di der G'spaß.
An Leberkas möchst aa dazu,
Um tausad Mark hast no net gnua.
Dös bloß für d'Brotzeit, da zahlst drauf,
Da hört sich 's Brotzeitmacha auf.

Als dann die bürgerlichen Parteien erstarkten und Bayern allgemein als die Ordnungszelle gepriesen wurde, sang ich:

In allen deutschen Ländern tobt wild Parteienzwist.
Es ist mal nicht zu ändern, Ordnung wohl nirgends ist.
Doch Vielen ist's so lieber, im Trüben fischen die,
Die Wuchrer und die Schieber, so gut gings denen nie. 20
Nur ein Land gibt's, wo Ordnung, Pflicht
Sich stets vereint erneuern
Und wo's nicht einen Schieber gibt:
Dies Land ist unser Bayern.
Ja wir sind die Ordnungszelle,
Bei uns blüht noch still das Glück,
Sind Deutschlands Gesundungsquelle,
Die königlich bayrische Republik.

In einem Couplet habe ich mir sogar einmal erlaubt, den Humoristen mit einem Minister zu vergleichen:

»Ich« und ein Herr Minister,
Wir haben Ähnlichkeit.
Beim Volk beliebt oft ist er,
Mich mögn auch viele Leut.
Wenn wir zum Volke reden,
Was wir uns ausgedacht,
So intressiert das jeden,
's wird meistens viel gelacht.
Wir müssen uns halt richten!
Woher grad weht der Wind,
So muß er redn, ich dichten,
Sonst beid verlorn wir sind.
Sagn anders wir, d'Leut grollen:
»Wie so an Mist man reden kann.«
Doch redn wir, wie sie wollen,
Heißt's: »Ein feiner, gscheidter Mann!«
Steh ich hier oben, wie's so Brauch,
Denk ich wie der Minister auch:
Mein Gott, was wird die Rechte machen?
Wirds über meine Sachen lachen?
Und was tun die, die von der Linken?
Pfeifens, oder werfens Bomben, die so stinken? 21
Und was macht 's Zentrum?
Die sind heut ganz stumm.
Doch lachen d'Leut: »Bravo, sehr schön!«
Tu ich wie er, so schnell nicht gehn!

Als Reichskanzler Marx dem Reichstag das Ermächtigungsgesetz vorlegte, stellte ich über das Wort folgende Betrachtung an:

Bei uns in Bayern sagt man statt: »Er möcht« – »Er mächt«. Die Sache ist die. »Er mächt« die nationalen Kreise für sich gewinnen und andernteils den Poincaré zufrieden stellen. »Er mächt« keine Sozialdemokraten in der Regierung – aber ganz ohne sie »mächt er« auch nichts unternehmen. »Er mächt« durch die massenhafte Beamtenentlassung die Arbeitslosenplage aus der Welt schaffen. »Er mächt« noch vieles Gute vollbringen und »Er mächt« noch lang auf seinem Posten bleiben und darum heißt es das »Ermächtigungsgesetz«. Im Jahre 1927 habe ich dann mein Lieblingslied »und unser Fähnelein ist weiß und blau« geschrieben. Die erste Strophe lautet:

»Kennt ihr mein Heimatland, mein schönes Bayern,
Das möcht mit diesem Liedl ich heut feiern.
Am Main im Norden wächst der süße Wein,
Im Süden stehn die Berg aus Felsenstein.
Grad in der Mittn durch fließt die Donau.
Hollarehollaridiaho
Und unser Fähnelein ist weiß und blau!

Im Jahre 33 beim Abschiedsabend habe ich das Liedl im bayerischen Landtagsgebäude gesungen. Es war das erste und zugleich letztemal, daß mir im Bayrischen Landtag das Wort erteilt wurde. Das 22 Propagandaamt hat dann das Lied verboten. Unser großer Ludwig Thoma hat einmal geschrieben:

Spott untergräbt keine echte Autorität, weil er sie nicht treffen kann, aber den auf Äußerlichkeiten ruhenden, konventionell festgehaltenen, dem übertriebenen und angemaßten Ansehen tut er Abbruch und das ist nicht schädlich, denn treffender Spott heilt unklare Verstimmungen, in dem er mit einem Worte, mit einer Geste, die Ursache des Unbehagens aufdeckt.

Das sind herrliche Worte, leider hat sie unser ehemalige Propagandaminister anscheinend nicht gelesen. Denn der hat mich einmal kommen lassen und hat mich ganz elend zusammengestaucht und mit Ausschluß aus der Kulturkammer gedroht. Viele glaubten, ich hätte einen Freibrief und dürfte alles sagen. Das war leider nicht der Fall, im Gegenteil, ich bin sehr oft gemaßregelt worden. Darum habe ich mich in dieser Zeit auch mit keinem Couplet festgelegt, sondern meine Bosheiten in Prosavorträgen verspritzt. Da ist man nicht so leicht zu erwischen, da läßt sich schnell ein Wort umdrehen.

Mein altes Platzl steht noch und wird in der alten Tradition weiter geführt. Bald nachdem die Amerikaner eingezogen sind, war sich anscheinend die neue Leitung noch nicht ganz im Klaren, wie sie das Platzl weiter führen sollen. Einmal waren Symphoniekonzerte drin, einmal Boxkämpfe und einmal sogar ein Berliner Kabarett. Das wurde der steinernen Figur, die jahrelang als Wahrzeichen auf dem Postamentl oben stand, doch zu bunt. In diesem altbayrischen Lokal, wo sich in vier 23 Jahrzehnten Millionen Menschen an den Jodlern, Landlern und dem Komödigschpiel erfreut hatten, ein Berliner Kabarett – nein, sagte das steinerne Manderl, da mach i nimmer mit, das ist zum Steinerweichen – und hat sich runterfalln lassen. Da lag er, seinen Bauernschädel eigensinnig dem Boden zugekehrt, als wollte er sagen: »Ihr könnts mi alle mitananda . . .!« Ein Arm lag in der Bräuhausstraße, einige Trümmer auf dem Schutthaufen des alten Labererhauses und eines Tages verschwand er ganz auf Nimmerwiedersehn. Mit ihm ein Stück vom alten guten, fröhlichen München.


Musik von heute.

Personen: Sie – Es – Er. Spielt in München 1945.

Es: (Achtzehn Jahre alt) Mutti, heut ist bei Machinger ein musikalischer Abend. Die Evi hat mich eingeladen, darf ich hingehen?

Sie: Was ist da?

Es: So ein musikalischer Abend. Sie spielen Haydn, Mozart, Tschaikoven; ganz feine klassische Musik, auch Lieder von Schubert!

Sie: Seit wann schwärmst denn du für so was?

Es: Schöne Musik ist doch immer schon!

Sie: Warum übst dann so wenig?

Es: Jetzt fang ich dann schon an. Wenn man so schöne Musik hört, dann ist man gleich wieder eifriger!

Sie: (Lacht ungläubig) Mhm! – Wer kommt denn da aller hin? 24

Es: (Lebhaft) Ich weiß nicht. Die Evi hat g'sagt, verschiedene Leute. Die Angehörigen von denen, die Musik machen, und Bekannte.

Sie: Was für Bekannte?

Es: (Unschuldig) Ich hab keine Ahnung!

Sie: Erzähl mir keine Romane. Die Evi wird dir schon gesagt haben, wer kommt. – Was für Herrn!

Es: (Etwas stockend) Der Evi ihr Onkel, – dann ihr Klavierlehrer – und ein Herr, der Cello spielt . . .

Sie: Ich möcht wissen, wer sonst noch kommt. Druck nicht so lang rum, deine Mutti ist nicht so dumm wie sie ausschaut.

Es: Aber Mutti, du schaust doch net dumm aus!

Sie: Aber du hältst mich für dumm. Du kannst doch mir net erzähln, daß du und die Machinger-Evi wegen klassischer Musik allein so wo hingehen. Also, wer kommt da hin?

Es: Das weiß ich doch net!

Sie: Das weißt du schon. Wegen der spinnatn Musik gehst du nicht hin.

Es: Aber Mutti, zur klassischen Musik sagst du spinnat. Wenn das wer hört!

Sie: (Resolut) Bleiben wir bei der Sache. – Wer kommt da hin?

Es: (Hebt die Schultern.)

Sie: Kommen vielleicht auch Amerikaner hin?

Es: (Ganz uninteressiert) Es kann sein!

Sie: (Sehr interessiert) Aha! Wieviel? 25

Es: Das weiß ich nicht. – Die Evi hat g'sagt, daß ihr Klavierlehrer a paar Amerikaner kennt, die sehr für klassische Musik Interesse haben – –

Sie: Das hab ich mir gedacht! Amerikaner schwärmen für klassische Musik. (Lacht) Das kannst du deiner Großmama erzähln und die glaubts aa net. Eure klassische Musik, die kann i mir vorstelln.

Es: Da ist doch gar nichts dabei. Das wäre ganz gut wegen meinem Englisch. Da lernt man's am allerbesten!

Sie: Wenn du Englisch lernen willst, dann brauchst bloß deine Bücher nehmen.

Es: Ach die faden, langweiligen Bücher!

Sie: Ja, ja, du denkst, dö Mannsbilder sind nicht so fad und langweilig.

Es: Die Aussprache lernt man nur in der Konservation.

Sie: Du weißt, wie der Pappa über diese Sache denkt. Wenn der dahinterkommt, daß ich dich wohin gehn laß, wo du mit Amerikaner zusammenkommst, dann daschlagt er uns alle zwoa!

Es: Die Seller-Frieda, die kennt einen Amerikaner, die spricht tadellos englisch und was die alles daheim haben: Kaffee, Tee, Chocolad, Zigaretten – alles. (Weinerlich.) Jetzt hat man aa so nix von seinem Leben, kein Theater, kein Kino, man kommt net zum Tanzen, jetzt vergönnst einem nicht einmal so aa harmloses Vergnügen. Ach Gott, ist das ein Leben! (Weint.) 26

Sie: Deßwegn brauchst net zu heuln. Was sagst, die Seller-Frieda ist mit einem Ami bekannt?

Es: (Nickt schluchzend.)

Sie: Und ihre Mutter war doch a so für d'Nazi, ganz narrisch. (Nach kurzer Pause) Was sagst, dö habn einen Kaffee?

Es: (Nicht mehr weinend) Die haben jeden Tag ihren Bohnenkaffee!

Sie: (Ärgert sich) Eine ausgschamte Bande. Immer und überall san die vorn dran. (Seufzend) Wie gern tät ich wieder einmal eine Taß Kaffee trinken!

Es: (Merkt, daß die Mutter schwankt) Das ist es, weil wir immer in unsern vier Wänden hocken und nirgends hinkommen. Die Greimel-Erni, die ist in einem Büro von dö Ami, die haben auch alles, Zigaretten so viel sie wolln.

Sie: Das wenn der Pappa erfährt, wo er so narrisch ist mitn Rauchen. –(Horcht) Ich glaub, er kommt schon.

Es: Sagst du's ihm, daß ich dahin gehn will?

Sie: Jja. Aber schau, daß du an Kaffee herbringst!

Es: Ja, i schau schon. Du brauchst ja net sagn, daß Ami hinkommen.

Sie: Doch, das sag i schon, denn wenn er's darnach erfährt, dann is ganz aus.

Er: (Verärgert) Man könnt sich zu tot ärgern!

Sie: Guten Abend, liebenswürdiger Gatte.

Es: Guten Abend, Vater! (Geht zu ihm und umschmeichelt ihn.)

Er: (Brummt etwas.) 27

Sie: Über was hast dich denn schon wieder ärgern müssen?

Er: Da brauchst noch fragn. Über was muß man sich am meisten ärgern auf dieser Welt? – Über das weibliche Geschlecht.

Sie: (Mit Humor) Na, ihr liebenswürdigen Männer könnt auch manchmal recht ungemütlich sein.

Er: Das wär ein Wunder, wenn einem da nicht die Galle hochkäm!

Es: Aber Pappi, was hat dich denn so aus dem Häusl bracht?

Er: Grad hab ich wieder so was ansehn müssen, eine Schande für das ganze deutsche Volk. Zwei so Flitscherln haben mit einem Amerikaner geschmust und haben ihn angehimmelt, als wenn er a Herrgott wär. Also, wenn man sich so was anschaun muß, da möcht man am liebsten in Boden neikriechen.

Es: (Schaut betroffen auf die Mutter und geht auf ihren Platz zurück.)

Sie: Mein Gott, die Madeln denken sich da oft gar nichts dabei, die machen bloß Dummheiten.

Er: (Bitter) Dummheiten! Ja, ihr machts überhaupt nichts wie Dummheiten!

Sie: Es ist auch nicht immer das Allergescheidteste, was ihr Männer machts.

Er: Es ist würdelos, wenn sich ein deutsches Mädchen oder eine deutsche Frau so benimmt.

Sie: Wenn sie sich schlecht benimmt, ja. Aber wenn sich eine mit einem Amerikaner anständig unterhält, ist doch nichts dabei, das ist doch nur Diplomatie! 28

Er: (Aufbrausend) Als wenn ihr Weiber etwas von Diplomatie verstehn tät'st! Ihr und Diplomatie. (Lacht verächtlich.)

Sie: Diplomatie versteht's nur ihr Männer. – Das hat sich bewiesen!

Er: Ich verbitte mir politische Gespräche, dahoam will i mei Ruah habn. (Kurze Pause.) Ich möcht jetzt eine Tasse heißen Kaffee und was Gescheites zum Rauchen, das wär mir lieber! (Sie und Es schauen sich verständnisvoll an.)

Sie: (Zu Es) Wer hast g'sagt hat jeden Tag einen Bohnenkaffee?

Es: (Bereitwillig) Die Seller-Frieda hat mir's erzählt.

Er: So, wo habn denn die den Kaffee her?

Sie: Wo werdn's herhabn. Die Tochter ist mit einem Amerikaner bekannt, da gibts alls!

Er: So! Da verzicht ich lieber auf den Kaffee.

Sie: Eine Taß guaten Bohnenkaffee ist schon was Wunderbares, das richt einen auf.

Es: Gell, Pappa, wenn du in der Früah deinen Kaffee gehabt hast, dann bist du den ganzen Tag gut aufgelegt gewesen?

Er: Jja, das kommt schon wieder. Die haben ja so viel Kaffee, daß sie nicht wissen, wohin damit. Einheizen tun's damit.

Sie: Ich wollt, ich hätt so einen Sack voll!

Er: Das kommt, die sind froh, wenn wir ihnen wieder einen abkaufen. Das kommt alles wieder.

Sie: Aber wann?

Er: Das mußt die Herrn Amerikaner fragn! 29

Es: (Ergreift die Gelegenheit) Wenn ich einmal mit einem zum Reden komm, dann werd ich ihm . . .

Er: (Einfallend) Du wirst mit keinem zu reden kommen!!!

Sie: Sie könnte doch einmal per Zufall – –

Er: (Streng) Dieser Zufall wird nicht eintreten, sonst kannst du mich einmal kennen lernen. Gell? Das ging mir grad noch ab, meine Tochter mit einem Amerikaner! – Niemals! Niemals!

Sie: Jetzt tu doch nicht gar a so. Es ist eben jetzt eine andere Zeit, andere Leut machen es auch –

Es: Und haben verschiedene Vorteile davon. Wir leben eben jetzt in einem demokratischen Staat.

Er: Sie auch schon, dir gib i nachher Demokratie. Übahaupts das Wort Demokratie wenn ich hör, dann draht's mir schon an Magn um.

Sie: Du hast immer so eigene Ansichten, drum sind wir auch überall in allem hintdran. Dickschädl!

Er: Ja, da wär man dann a Dickschädl, wenn man einen Charakter hat. (Zu Es) Du fahrst heut noch zur Tante Frieda hinunter!

Es: (Erschrocken) Heut noch?

Er: Ja, warum? Hast du keine Zeit für deinen Vater was zu besorgen?

Es: Das schon, aber heut – – da – – (schaut hilfesuchend zur Mutter.)

Sie: Sie ist heut beim Machinger eingeladen, die haben einen musikalischen Abend, da möcht sie gern hingehn. Sie kann ja morgen zur Frieda nunterfahrn. 30

Er: Was is das für ein musikalischer Abend?

Es: Kammermusik, sie spieln Mozart, Haydn, Tschaikoven, gute deutsche Hausmusik.

Er: Wie heißt der gute Deutsche?

Es: Mozart, Haydn, Tscheikoven.

Er: Von dem hab i no nia was g'hört. Wer ist denn da außer dir noch eingeladen?

Es: Bekannte von meiner Freundin, so Leute, die halt für so gute deutsche Musik schwärmen.

Er: (Mißtrauisch) Soo? – Kommen vielleicht auch solche, die für »Musik von heute« schwärmen???

Es: Kann sein, ich weiß es nicht –

Er: Kommen vielleicht auch Amerikaner hin?

Es: (Schweigt.)

Sie: Und wenn, was ist da dabei?

Er: Du fragst, was da dabei ist? Du eine deutsche Mutter, die immer das Mutterkreuz haben wollte?

Sie: Wollte – aber du hast eben deine deutsche Pflicht nicht ganz –

Er: Ruhe! (Zu Es) Du gehst mir nicht in den musikalischen Abend!

Es: (Schluchzt wieder) Nicht die kleinste Freude gönnst einem du.

Sie: Laß s' halt hingehn! Sie hat ja sonst auch nichts von ihrem Lebn.

Er: Ausgeschlossen, ich laß meine Tochter nicht wo hingehen, wo – (sucht nach dem passenden Wort) Militär verkehrt. Ich bin gegen den Militarismus.

Sie: Ah, jetzt drahst du die Sache so um.

Er: Ich bin eben Diplomat. 31

Sie: Ein Egoist bist, ein eigensinniger. Andere Familien lassen ihre Töchter auch wo hingehen. Da kann doch nichts passieren, ich geh ja auch mit!

Er: So du gehst auch hin. Wer erlaubt dir denn das?

Sie: Ich! Wir leben in einem demokratischen Staat, da tut jedes was es will.

Er: So, das ist bei dir Demokratie? – Schon ganz amerikanisch. Der Mann schuftet den ganzen Tag, seine Frau und seine Tochter gehen abends aus und ich kann allein daheim bleiben, ohne was zu rauchen. (Lacht bitter.)

Es: Geh halt aa mit, Pappa!

Er: I? Was tat denn ich dabei? Ich fraternisiere nicht.

Sie: Geh halt mit, dann siagst du selber was demokratisch ist.

Er: Jetzt hör mir nur grad mit deinem ewigen »demokratisch« auf, ich mein grad, i hör die Stimme Amerikas.

Es: (Lieb) Gell Pappa, du hast gar nichts zu rauchen?

Er: Das weißt ja, drum raucht er mir aa so.

Es: Du Pappa, wenn da vielleicht wirkli Amerikaner hinkommen und es tat dir vielleicht einer eine gute Zigarette anbieten!?

Er: (Ist sichtlich getroffen.)

Sie: Es schadet gar nicht, wenn man mit dö Leut zusammenkommt. Beim Seller haben sie alles: Kaffee, Tee, Chocolad, Zigaretten, alles in Hülle und Fülle.

Er: )Schaut unschlüssig von der Mutter zur Tochter.) 32

Es: Geh halt mit Pappa, hörst schöne gute deutsche Musik!

Er: Was gebn's denn?

Es: Mozart, Haydn – –

Er: Haydn hör ich gern. Was gebns noch?

Es: Tscheikoven, Schubert – –

Sie: und Zigaretten!

Er: (Überhört diese Bemerkung) Gute Musik hab ich schon lang nimmer g'hört.

Sie: Also ziehn ma uns um und gehn wir. (Steht auf)

Es: (Zieht Vater hoch) O, i freu mich schon so. Komm!

Er: Gute Musik hab ich immer gern g'hört – und vielleicht ist es von Nutzen, wenn man sich näher kennen lernt! Die solln sehn, daß wir auch demokratisch sind! 33



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