Weiß-Ferdl
O mei!
Weiß-Ferdl

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Meine Spruchkammer-Verhandlung.

Das Publikum erwartet von einem Humoristen, daß er in jeder Situation, selbst wenn es ihm an den Kragen geht, etwas lustiges zu sagen hat. So will ich auch meine Spruchkammer-Tragödie so schildern wie es das Volk wünscht.

Als ich mich mit meinem Rechtsanwalt dem Sitzungssaal näherte, ging es vor der Tür schon recht fidel zu. Schutzleute bemühten sich vergebens, die Menge, die die Tür belagerte, zurückzudrängen. Ein Wachtmeister appellierte an die Vernunft der Einlaßheischenden. »Seids doch gscheidt, das seht's do selba, daß net geht!« Ein Gelächter, Gejohle und Geschiebe war die Antwort. Die Schutzleute stemmten sich mit aller Macht gegen die Menge, umsonst, die Obrigkeit wurde glatt an die Wand gedrückt. Helme verschoben sich und aus bedrängter Schutzmannskehle rang sich der SOS-Ruf: »Hans, hol 's Überfall-Kommando!« Mit Genugtuung stellte ich fest, daß mich meine lieben Münchner noch nicht vergessen hatten. Mein Erscheinen feuerte den Offensivgeist – halt stop, das war ja militärisch – will sagen den Tatendrang der Menge aufs Neue an. »Jetzt bringans'n. Auf gehts!« Der neuerliche Hilferuf nach dem Überfall-Kommando ging kläglich unter. Mein Rechtsanwalt, ich, die Schutzleute, der Gerichtsdiener, wir wurden alle hin und her geschoben. Die Overtüre zu dem Drama war ganz heiter. Ich drängte mich gar nicht vor, am liebsten wäre ich bei den Menschen da heraußen geblieben, denn ich fühlte, die waren mir gut gesinnt, wie sich die drinn gegen mich stellten, wußte ich nicht, es waren zum großen Teil geladene Gäste. Schließlich 35 landete ich doch im Sitzungssaal. Jupiterlampen flammten auf, ich mußte lächeln. Der Operateur Koch, der manchen lustigen »Weiß-Ferdl-Film« gedreht, stand an der Kamera, auch einige Beleuchter von der Bavaria erkannte ich noch. Nach langer Pause stand ich wieder einmal vor der Linse und spielte wieder die Hauptrolle. Mir wurde kein Manuskript vorgelegt, es wurde kein arischer Nachweis verlangt, aber es wurde auch kein Ton vom Honorar gesprochen. Ist das demokratisch?? Ich setzte mich an den Tisch, an dem der Betroffene Platz zu nehmen hat, das Mikrophon wurde hingestellt, der Hilfsoperateur maß die Entfernung, ich war bedacht als erfahrener Filmhase, daß mir der Rechtsbeistand nicht das Licht wegnahm. Ein Maskenbildner, der mir rasch einige braune Flecken überpudert hätte, war leider nicht da. Hinten saß wie immer die Komparserie, ein Minister war auch dabei, ich war fertig zur Aufnahme. »Das Spiel kann beginnen.«

Regie führte der Vorsitzende, der mit den beiden Beisitzern den Saal betrat. Das Gesicht des Vorsitzenden war unbeweglich, wie das einer Sphinx, die Beisitzer blickten mich – mir schien es so – etwas mißtrauisch an. Keinen von dem hohen Gericht habe ich jemals im Platzl gesehen, der eine davon sprach auch noch außerbayerischen Dialekt. O je! Am wohlwollendsten blickte mich eigentlich der Ankläger an. Später stellte sich heraus, dies war der beste Schauspieler, denn der wollte mir gar nicht wohl. Nein, ich bin absolut kein Menschenkenner und Politiker schon gar nicht. Nachdem, was ich im Dritten Reich an Verwarnungen, Drohungen, Einschränkungen, Verboten mitgemacht, 36 hoffte ich als Opfer des Faschismus herauszukommen. Daher wunderte ich mich nicht wenig, als der oben geschilderte Ankläger mich in die Gruppe II hineinstufen wollte. Eines hab ich mir geschworen, ich gebe keinem Minister und keinem General mehr ein Autogramm. Ferner laß ich mich in keinen Verein, auch keinen Tierschutzverein aufnehmen. Im letzten Sommer, als ich mich an der Suche nach Kartoffelkäfer beteiligte, wollten sie mich zum Capo machen. Energisch lehnte ich ab – denn wer weiß, auch die jetzt bestehende Regierung kann einmal, sagen wir, abgelöst werden. Die neue gibt wieder Fragebogen heraus: »Haben Sie bei der letzten Regierung ein Amt innegehabt?« »Ja, Capo bei der Kartoffelkäfersammlung!« Schon liegst du drinn!

Nach der Anklagerede rief mich der Vorsitzende an den Richtertisch. Als Filmschaffender war mein 37 erster Gedanke: »O je, jetzt ist die ganze Einstellung umsonst gewesen, die Entfernung stimmt nicht mehr, die Bilder werden unscharf. Die Verhandlung dauerte von 9 Uhr bis halb 2 Uhr. Die Zuhörer, die sich eine Gaudi hofften, werden sehr enttäuscht gewesen sein, meine nächste Verhandlung wird sicher nicht mehr so gut besucht sein.

Das Gericht reihte mich in die Gruppe IV (Mitläufer) ein. Es heißt zahlen, aber das sind wir ja gewöhnt. Im Dritten Reich hab ich ein Couplet gesungen mit dem Kehrreim:

»Es is allerweil das Gleiche, zum Schluß da muaßt halt zahln.« Das ist auch jetzt noch aktuell. Folgender Satz in meinem Urteil gefiel mir besonders. Er lautet: »Wer ganz ohne Fehl, werfe den ersten Stein auf ihn!« Gemessen an dem, was ganz Unschuldige leiden mußten, kann ich meine Sühne ruhig tragen. Die ganze Sache war bestimmt eine Reklame für mich; allerdings ein bißchen teuer.

Wichtig ist für mich als Darsteller, daß ich in diesem meinen neuen Film die Rolle des Betroffenen betroffen genug gespielt habe. Vielleicht wird Hollywood auf mich aufmerksam!?

I hope so!



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