Julius Stinde
Emma das geheimnißvolle Hausmädchen
Julius Stinde

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Siebenundvierzigstes Kapitel.

Der Prediger in der Wüste.

Welch ein Wiedersehen zwischen Emma und Nordhäuser! Kein Pinsel kann es malen, seine Farben sind zu matt, kein Sänger kann es singen, seine Harfe hat nicht genug Saiten.

Schon wollte Nordhäuser Emma in seine verlangenden Arme schließen und sie ihn in die ihrigen, denn, ach, auch in dem Herzen dieses sittlichen Sohnes einer durchaus sittenreinen Destille vom Koppenplatz knospete die Liebe zu Emma, die [er] sorgsam verhehlte, als der Leutnant Nordhäuser mit gröbster Exercierplatzstimme anschrie: »Herr, was fällt Ihnen ein?« und ihn am Kragen fassend, einige Meter von Emma abrückte. »Sie werden ja unverschämt, Sie Affe!«

Mit der Treuherzigkeit unbescholtenen Gemüthes blickte Nordhäuser ihn an und sprach: »Sie verkennen mich, Herr Leutnant; es ist mehr Freundschaft, als daß ich durch Berührung die engelgleiche Tugendhaftigkeit dieses, ah, nur allzu schönen Wesens trüben möchte. Wie wohl wäre ich im Stande, eine solche Perle der Schöpfung auch nur in Gedanken zu verunehren? Wer solche Schuld auf sich lüde, dem wäre besser, er läge unter einem Mühlstein als auf ihm.«

»Aber wenn man liebt?« wandte der Leutnant ein, der sich durch die Worte getroffen fühlte.

»Man muß prüfen, ob es Liebe ist oder Lust. Die erstere entsagt, der letzteren muß man entsagen.«

»Entsagen?« rief der Leutnant. »Entsagen, wenn man mit allen Sinnen liebt? Wie kann man das?«

»Es geht,« erwiderte Nordhäuser. »Da einsiedelte hier in Afrika der heilige Antonius, den versuchte der Teufel in den schönsten Frauengestalten,Die selbstverständlich nichts gegen Emma waren. aber er wälzte sich im Schnee, seine Gluthen zu kühlen . . .«

»Blödsinn! Hier giebt es nie Schnee!« unterbrach ihn der Leutnant.

»Er warf sich auch in Dornengesträuch, um seine Leidenschaft zu bemeistern. Und, o Herr Leutnant, sehen Sie hier diesen Igel-Kaktus, wenn Sie sich darauf setzen wollten, würden Sie gewiß Ihr sündiges Verlangen dämpfen, indem Sie Ihr irdisches Theil kasteien.«

Emma's schönen Augen entströmten Thränen der Rührung, als sie ihren einstigen Gespielen so erbaulich reden hörte. Aber durch den sanften Schmerz verklärt, ward sie so unerhört thaufrisch, so wunderschön, daß der Leutnant von zehnfach gesteigertem Verlangen durchfeuert wurde.

»Denken Sie an Ihr besseres Theil,« mahnte Nordhäuser und deutete auf einen besonders großen Igel-Kaktus hin.

»Und Sie an das Ihrige!« schrie ihn der Leutnant aufgebracht an. Dabei packte er Nordhäuser und drückte ihn mit Macht auf den Kaktus nieder, dessen nadelscharfe Stacheln dem Armen in das bischen Muskulatur drangen, des ihm die niederträchtige Behandlung in Kimberley noch gelassen hatte.

»Herr Leutnant!« rief Emma hochnobel, »wenn Sie so etwas thun, mag ich Sie gar nicht mehr leiden.«

»Du verwendest Dich noch für den Kerl?« entgegnete der Leutnant, wüthend durch Eifersucht, Liebe, Tropenkoller, Entbehrung, Aufregung . . . »Das Spinngebein schlage ich todt.« Schon irrten seine Blicke suchend nach einem geeigneten mordfähigen Gegenstand, da stellte Emma sich schützend vor Nordhäuser.

»Tödt' erst seine Gespielin!« rief sie mit höchstem Ausdruck.

Es entstand eine ängstliche Pause. Herzensdieb bohrte wie der Strauß ihren Kopf in den Sand, um das Gräßliche nicht zu sehen . . . da . . . da pustete es deutlich . . . und deutlicher . . . und immer deutlicher: Töff – töff – töff . . .

»Gerettet!« rief Emma. »O namenlose Freude! Gerettet!«

»Nein, nein!« schrie Herzensdieb, »wir sind verloren. Es ist das Automobil des Sultans; der Wind steht auf uns zu . . . es ist kein reiner Benzingeruch . . . es ist . . . Rosenöl dabei. Nur der Sultan selbst fährt mit einem Schuß Rosenöl im Benzin, nur er allein. Er wird uns in Stücke zerfleischen, uns Alle!«

Da flog etwas großes Rundes über sie hinweg.

»Was ist das?« fragte der Leutnant.

»Der lenkbare Luftballon,« erklärte Nordhäuser versöhnlich von seinem Schmerzenssitz. »Drei der Diamanten-Könige bauten ihn in Kimberley. Mich nahmen sie wegen meiner Leichtigkeit als Diener mit und zur Unterhaltung zwei Kunstmacher (siehe das untenstehende Bild). Ach, nur für vielfache Millionäre ist Luftsport und Schnellverkehr. Mich setzten sie mit etwas aufzuwärmender Speise ab, um ohne Zeugen Diamantfelder zu hissen. Nun lassen sie mich im Stich, damit ich nicht verrathe, wo ihre neuen Quellen unermeßlichen Reichthums liegen.«

»Und was haben wir davon als Gegenleistung?« fragte der Leutnant.

»Das Nachsehen!« seufzte der Dulder auf dem Kaktus.

»Jawohl!« sagte Emma, dem in den Wolken verschwindenden Ballon nachschauend und sprach in trüber Vorahnung nahenden Mißgeschickes:

»Eilendes Luftschiff, Segler der Lüfte,
Wer in die säße, wer mit dir schiffte!
Grüße mir freundlich mein Spree-Athen!«

Denn auf dem Automobil raste die Rache mit Mordbegier in der Person des von ihnen so schmählich hintergangenen Sultans heran.

Oder raste sie nicht? Der Sultan saß doch in dem Geierkäfig? Und wenn er los war, wie war er herausgekommen?

Nichts thürmt sich leichter auf als Räthsel.

Ach, und jede Flucht unmöglich.

Aber Nordhäuser! Wird die Blutwuth auch ihn, den Rechtlichen, der, wie man ihn auch besah, ohne Schuld war, in ihre Kreise ziehen?

Nein! Harre aus als guter Deutscher auf dem Kaktus und Du wirst ein hohes und herrliches Ziel erreichen.


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