Julius Stinde
Emma das geheimnißvolle Hausmädchen
Julius Stinde

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Sechstes Kapitel.

Entlarvt.

Der Kommerzienrath Heimstein war mit seiner gesammten Dienerschaft unzufrieden.

Nur der Kammerdiener Leopoldo Kravalli erfreute sich seiner Gunst. Der hatte ihm einen italienischen Salat angerührt, wie der Rath noch nie gegessen zu haben vermeinte, zumal die Trüffeln darin schienen ihm von besonderer Güte.

Anfangs wurde viel von dem Salat des Italieners geredet, der als Insalata alla Medici sehr oft auf die Tafel kam, allein bald fanden die Gäste des Kommerzienraths, daß das Oel zu der Sauce ranzig sei und die ganze Mischung der feinen Kochkunst nicht entspräche. »Wer einmal davon genossen, der hätte genug für immer,« sagte sie.

»Aber die Trüffeln darin züchtet Kravalli eigens für mich in Italien,« lobte der Rath den Salat.

»Die hat er anderswo her,« sagte Gottfried Nordhäuser, der wahrheitsliebende, »die hat er bei dem Vorkosthändler Wagner in der Bayreuther Straße auf Pump genommen.«

Darüber ergrimmt der Rath und verklagte Gottfried wegen Lästerung.

Gottfried kam in den Kerker.

»Ich bin verloren,« seufzte er, »es sei denn, der Richter ist nicht zu schneidig. Und was wird aus Emma, wenn ich sie nicht mehr beschützen kann?«

»Warum hielt ich auch nicht meine Zunge im Zaume?«

Nun war es zu spät.

Die Reue nützt nie etwas, wenn sie zu spät kommt.

Der Kommerzienrath hielt immer größere Stücke auf Leopoldo Kravalli. Er jagte seinen Küchenchef davon und machte Leopoldo zu seinem Leibkoch. »Bereite mir Pökelfleisch, Erbsen und Sauerkraut für das nächste große Diner,« befahl er.

Die Gesellschaft war glänzend. Man sprach in den Kreisen der Vornehmen nur noch von Kravalli und seiner Kochkunst und war gespannt darauf, wie wohl der Italiener das echt deutsche Gericht verarbeiten würde. Die Zuthaten waren ihm geliefert worden, da er zu wenig Deutsch verstand, um sich in der Markthalle zurechtzufinden.

Der Kommerzienrath schlug an sein Glas. »Meine Herrschaften,« sprach er, »Sie werden jetzt sehen, was wir können. Wenn Sie wollen, haben Sie eine Kunst. Olla potrida alla Rolando – bitte, kosten Sie.«

Man kostete.

Es waren Eisbeine mit Schlagsahne, Sauerkraut mit Parmesankäse, Erbsenbrei mit Pommeranzenschalen.

Man fand die Gerichte dem Gastgeber zu Gefallen sehr ausländisch, dankte aber für mehr.

Dies verdroß den Rath. Er ließ seinen neugebackenen Leibkoch kommen.

»Italiener, bleibe bei Deinem Salat,« rief er ihm zu; »von unserer deutschen Kost hast Du keine Ahnung. Wärest Du ein wahrer Künstler, hättest Du Dich nicht einer Aufgabe unterzogen, der Du nie gewachsen bist. Fleuch, Dilettant!«

Und lächelnd wandte er sich zu den Gästen:

»Sie sehen, was wir nicht können. Wenn wir so weiter machten, hätten wir bald gar keine deutsche Küche mehr.«

Gottfried Nordhäuser aber wurde zu zehn Jahren schweren Kerkers verurtheilt, denn er hatte gelästert.

Wird er befreit werden? Und auf welche Weise?

Die Wege der Vorsehung sind unerforschlich.


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