Julius Stinde
Emma das geheimnißvolle Hausmädchen
Julius Stinde

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Vierzehntes Kapitel.

Das Brillanten-Halsband.

In dem vornehmsten Restaurant der Wasserthorstraße saßen spät in der Nacht zwei Herren an einem einsamen Tische. Die geleerten Flaschen zeigten deutlich, daß sie zu leben verstanden.

Es waren in der That zwei Lebemänner.

»Also abgemacht!« sagte der Eine, dessen Gesicht von Leidenschaften durchfurcht, einen listig lauernden Ausdruck angenommen hatte.

»Nur die wahnsinnige Liebe zu dem reizenden Mädchen läßt mich auf Ihren Vorschlag eingehen,« entgegnete der Andere, dessen Wangen theils vom genossenen Wein, theils von innerem Feuer glühten. »Ach, warum ist sie so spröde und abweisend?«

»Weil Sie den Weg zum Herzen nicht gefunden haben.«

»Ich schrieb ihr die zärtlichsten Liebesbriefe. Aber vergebens. Selbst die schönsten Gedichte blieben ohne Wirkung.«

»Gedichte ziehen nicht,« sprach der Erste. »Aber hier, dies ist der Schlüssel, der in das Paradies der Wonne führt.«

Bei diesen Worten öffnete er ein Etui aus blauem Sammt, worin ein kostbares Brillanten-Halsband lag, dessen Steine wie Sterne funkelten und in allen Farben des Regenbogens glitzerten.

»So weit reichen meine Mittel nicht.«

»Sie sollen es nicht kaufen, sondern nur leihen. Nachdem es seinen Zweck erfüllt hat, geht es wieder in meinen Besitz zurück.«

»Und was verlangen Sie für diesen . . . Freundschaftsdienst,« fragte der Heißblütige, dem trotz der Weinlaune aufdämmerte, daß ein teuflisches Komplott vorlag.

»Wer wahrhaftig liebt, fragt nicht. Der Zweck heiligt die Mittel

»Nein. Nein!«

»Gut, so verzichten Sie auf den Besitz der reizenden Elliorina. Ein Anderer wird ihre Gunst erwerben. Einem Anderen werden die Rosenlippen das süße Bekenntniß entgegenstammeln: ich liebe Dich. Einen Anderen umschlingen die Eiderdaunenarme, an einen Anderen drängt sich der heißathmende Busen . . .«

»Halten Sie auf! Ich willige ein.«

»Ich wußte es,« sprach der Erstere zu sich selbst. Laut fügte er dann hinzu: »Unterzeichnen Sie dieses Schriftstück, eine einfache Leih-Urkunde.«

»Geben Sie her,« rief der Letztere vor Aufregung zitternd, nachdem er das Dokument gelesen. »Aber die Feder schreibt nicht.«Es war eine eigens zu diesem Zwecke gefertigte Feder mit doppeltem Boden.

»Der Kellner wird eine bessere besorgen. Fragen Sie ihn, bitte.«

Während Jener ging, den schlafenden Kellner zu wecken, der mit verstellter Müdigkeit in einer Ecke saß, vertauschte der Zurückbleibende das Schriftstück mit einem anderen, genau ebenso aussehenden.

Der Zurückkommende merkte den abgefeimten Betrug nicht, sondern unterzeichnete mit fester Hand:

Stephan Graf Szmoltopski.

»Auf das Wohl der reizenden Elliorina!« rief der von Leidenschaft Durchfurchte und schenkte ein.

Sie stießen an und leerten die Gläser.

Wer aber war Elliorina?

Und welche Absichten hatte der Mann mit dem Brillanten-Halsband?

Der Leser wird bald erfahren, wie haarsträubend die Abgründe menschlicher Verruchtheit sind.


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