Julius Stinde
Emma das geheimnißvolle Hausmädchen
Julius Stinde

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Motto:

    Ridiculum acri
Fertius et melius magnas plerumque secat res!
(Horaz.)        
    Schwierige Fälle entscheidet
Besser als Schärfe oft Scherz.

 

Vorrede
für
Verständige und sehr Verständige.

Der Kolportage- oder Hintertreppen-Roman wendet sich an die Unverständigen, seine Parodie, wie sie in »Emma« vorliegt, wendet sich an die Verständigen.

Diese wissen, daß das Wesen der Parodie darin besteht, einer erhabenen Dichtung, bei möglichster Wahrung der Form und des Tones, einen niedrigen Gegenstand unterzuschieben; sie wissen ferner, daß Kolportage-Romane unfreiwillige Parodien sind, die jedoch von ihren Erzeugern sowohl, wie von ihren Lesern sehr ernst genommen werden. Mit Spannung wird jede neue Lieferung erwartet, mit Andacht gelesen und mit hingebender Einfalt findet das Unglaubwürdigste unerschütterlichen Glauben.

Sehr Verständige werden beweisen, daß die Parodie einer Parodie ein Widerspruch in sich selber und daher unmöglich sei; Verständige aber sehen ein, daß, wenn umgekehrt ein erhabener Gegenstand in niederer Form zum Ausdruck gelangt, ebenfalls die Komik des Mißverhältnisses in Wirksamkeit tritt. Aus der Parodie entsteht dann durch sachgemäße Uebertreibung des Charakteristischen die litterarische Karikatur.

Die Karikatur läßt ihren Witz an lächerlichen Erscheinungen aus, die Satire macht Thorheiten, Verkehrtheiten und Irrungen lächerlich, die Ironie, die Mutter des lobenden Tadels und des tadelnden Lobes, sagt spottend das Gegentheil von dem, was sie eigentlich meint. Alle drei zusammen, die so schwer Trennbaren, bilden die Satura lanx der Römer, die bunte Schüssel, von deren Mannigfaltigkeit der Begriff der Satire abgeleitet wurde.

Verstände können nun »Emma« als Parodie, Karikatur, Satire u. s. w. auffassen, je nach dem Kapitel, das sie gerade lesen, oder wie sie mögen; am besten thun sie, sich an lustigen Stellen zu ergötzen, Alles zu glauben, was der Abonnent eines echten Kolportage-Romans glauben würde und wo Sinn verborgen scheint, ihn herauszuholen. Das macht mehr Vergnügen, als sich über die Einreihung in die litterarische Rangliste den Kopf zu zermartern.

Auf die Frage, ob Emma lebt oder gelebt hat, wird, selbst bei verstärktem Zeugnißzwang, jede Auskunft verweigert.

Mitzutheilen ist jedoch, daß die ersten Lieferungen von »Emma« anläßlich der glänzenden, als Demonstration gegen die Einführung des sogenannten Gesindeparagraphen in die Theatergesetze von den Bühnenangehörigen Berlins arrangirten Gesindebälle erschienen. Man erkennt, wie der damals vorgeschobene Verfasser, Herr Jeremias Steinkopf, besser in der Theaterwelt und Leihbibliotheken Bescheid weiß, als in der Welt, und mit seinem Halbwissen und der Biederkeit eines Engbegrenzten selber für wahr und wirklich hält, was seine unkritische Erinnerung und mißgeleitete Phantasie ihm diktirten.

Sehr Verständige merken das Maskenspiel sofort und streichen die Seiten an, wo der Autor aus der Rolle fällt. Ich bitte sie jedoch eindringlich, ihm solches zu entschuldigen, denn es zeichnet nicht mehr der J. Steinkopf, sondern

ihr ganz ergebenster

Julius Stinde.

 

Die Henker des Urwaldes.
Probeabdruck des Prämienbildes zu »Emma, das geheimnißvolle Hausmädchen«.


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