Julius Stinde
Emma das geheimnißvolle Hausmädchen
Julius Stinde

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Dreißigstes Kapitel.

Das Blutdrama zu Jochenbrunn.

Wie eine Mauer umstanden die Gensdarmen das Gehöft des Flecklbauern.

»Flecklbauer!« sagte der Kneißl in dem Hause, »die Stunde der Entscheidung naht. Jetzt ist's gar.«

»Wer wird so verzagt sein?« spottete der Flecklbauer. »Schieß' sie nieder, die Schandimuckl, daß sie hin werden, da bist Du befreit.«

»Ich hab' meinem Vater selig gelobt, kein'n Gensdarm zu derschieß'n, weil sie meist Familienväter sind und möcht' mein Gewissen nicht belasten

»Daß sie sich auch noch vermehren?« höhnte der Rieger. »Haben sie uns nicht genug sekkirt und das Leben verbittert? Da ist der Stationskommandant Brandmayr, der ist der Aergste. Der hat mich angezeigt und wiederholt in Arrest gebracht. Der Große ist's halt, der die anderen kommandirt; den wann Du'n erschießt, verdienst Du Dir 'n Gott's Lohn.«

Der Brandmayr ging auf das Haus zu.

Er kam nicht heran. Paff! Ein Feuerstrom, ein Rauchstrahl, und er stürzte. Der Kneißl hatte ihn durch die Küchenthür erschossen.

Satanische Freude durchzuckte das hagere Antlitz des Flecklbauern. Ja, er haßte den Brandmayr, aber zu feige, sich selber zu rächen, trieb er den sonst so gemüthvollen und gutdenkenden Kneißl an, den pflichttreuen Stationskommandanten aus dem Hinterhalt zu tödten.

Der Kneißl sah den in der Vollkraft seiner Jahre stehenden Brandmayr fallen. »O Jegerl!« rief er. »Mein Gewissen . . . . jetzt ist es nimmer rein!«

Darauf legte er wieder an und erschoß den Scheibel.

Hierdurch gereizt, eröffneten die Gensdarmen und die zu ihrer Sicherheit mitgekommenen Schutzleute ein Bombardement aus ihren Karabinern auf das Gehöft.

Die Kugeln pfiffen durch die Luft; zackige Pulverblitze erglühten in den Pulverdampfwolken, die wie in trüber Schwermuth über dies grauenvolle Blutbad herniederwallten, in dem die Gefallenen plätschernd mit dem Tode rangen.

Der Kneißl begriff, daß er der Uebermacht erliegen müsse.

»Hund,« schrie er den Flecklbauer an, »Du hast die Schandarm'n herbeigelockt mit Deinen Raketen. Stirb von meiner Hand den Tod des Verräthers.«

Die Flinten knatterten draußen, die Kugeln zertrümmerten die Fensterscheiben. Ein Schuß zerschmetterte dem Kneißl die Hand.

Die Mühlen der Nemesis mahlen manchmal sehr rasch.

Es waren die Schwurfinger, mit denen er geschworen hatte, nie einen Gensdarmen zu erschießen.

Aber auch geschworen, treu für die Drillinge zu sorgen.

Diesen Schwur mußte er halten, wollte er den höllischen Mächten nicht mit Haut und Haaren für die endlose Ewigkeit verfallen.

Wie aber die Aermsten vor der Wuth der Belagerer retten, die blutdürstend und mordschnaubend sich zum Sturm auf das Gehöft sammelten?

»Kommt,« sagte er, »Ihr schuldlosen Waisen, Euch sollen sie nicht finden, die grimmigen Schergen.« Bei diesen Worten nahm er die Drillinge und stopfte sie in den Kamin und zwar so sicher, daß sie später nur mit einer Axt herausgehauen werden konnten.Jetzt wird es uns zu viel mit den Drillingen. Wir haben bis hierher geschwiegen, aber um nicht den Verdacht unheilbaren Blödsinns auf uns zu laden, erklären wir hiermit, daß wir nach den Zeitungsberichten unter »Drilling« nie etwas anderes verstanden haben, als das dreiläufige Gewehr des Kneißl. Der Verfasser muß entweder sehr flüchtig gelesen oder nur von solchen Jagden eine Ahnung haben, wobei statt des Schießpulvers Insektenpulver zur Verwendung kommt.

Der Setzer und der Correktor
im Interesse ihrer unbescholtenen Familien.
       

Dann lud er sein Gewehr und legte an.

Aber zu spät. Die wüthende Soldateska war ins Haus gedrungen und entwaffnete ihn, den Kühnen, Furchtlosen, der gegen die Uebermacht wehrlos, sich trotzdem nicht ergab.

Mit den Füßen trat er Brüche, mit den Fäusten schlug er den Gegnern die Zähne aus und riß ihnen die Ohrwascheln ab.

Seine Kraft aber ermattete.

Nun wandte sich das Blatt. Die Gensdarmen schlugen auf den Kneißl ein und verholzten ihn derart, daß er nur als todte, formlose Masse für das Gericht übrig geblieben wäre, wenn nicht die Schutzleute, um den Kneißl lebend in die Hand der Gerechtigkeit zu liefern, wiederum hauend die Gensdarmen umknäult und diese ihrerseits mit heftigen Schlägen traktirt hätten.

So eminent gerauft ist selten worden im Bayerlande.

»Der Flecklbauer ist an allem Schuld,« rief er und brach erschöpft zusammen.

Der Herr Dr. Pannwitz sprach mit lauter Stimme: »Nun verlange ich vollständige Ruhe. Wir haben es jetzt nicht mehr mit dem Räuber und Mörder Kneißl, sondern mit einem schwer kranken Menschen zu thun. Gebt ihm eine Maaß Bier!«

Dann fuhren sie mit ihm ab zum Kerker.

So endete das Heldenleben des großen Räubers, dem die Zeit kein volles Verständniß entgegenbrachte. Er war tapfer und bedeutend veranlagt, nur war seine Stimme in der Mittellage nicht ausgeglichen und sein Spiel ließ zu wünschen übrig. Sein größter Fehler aber war:

Er hatte zu viel Gemüth.


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