Julius Stinde
Emma das geheimnißvolle Hausmädchen
Julius Stinde

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++


 
Elftes Kapitel.

Das Haus in der Klosterstraße.

Fräulein Amelie Schwudicke lebte seit undenklicher Zeit ihr Geld. Man sagte mit Recht von ihr, daß sie welches hätte, denn ihr Vater der Bäckermeister C. F. A. Schwudicke hinterließ ihr drei Häuser, sieben Grundstücke und vier gestrichene ostpreußische Scheffel Goldes.

Nun war sie alt und leidend und mit sich im Streit, ob sie ihr kolossales Vermögen ihrem männlich schönen, aber leichtsinnigen Neffen Fritz, dem Kavallerieoffizier, vermachen oder es für ihr Seelenheil verwenden sollte. Fritz konnte es gebrauchen.Soll auch wiederholt die Ansicht des Regimentskommandeurs gewesen sein.

Als die Tante noch gesünder war, ging Fritz oft mit ihr in die Kirche und las ihr Abends aus der Hauspostille vor bis zu dem Abschnitt, wo die Tante einen blauen Schein als Mitnehmelesezeichen eingelegt hatte.

Nie jedoch gab Fritz ihr Rechenschaft über den Verbrauch des Geldes. Auch wir können es nicht, unsere Feder folgt nicht den schlüpfrigen Pfaden, die der hübsche Fritz ging, dessen Erfolge bei den Frauen sprichwörtlich waren.

Wie überrascht mußte Fritz sein, als er eines Tages eine barmherzige Schwester neben dem Krankenlager der Tante fand, aus der Hundertmarkscheinpostille lesend. Und er brauchte gerade Geld.

Er wollte fluchen.

Der Fluch erstarb auf seinen Lippen . . . . eine so verlockend schöne Barmherzige hatte er noch nie gesehen. Was waren alle blauen Scheine gegen diese weiblichen Reize? Wie mußten sie strahlen ohne die entstellende Tracht. Fritz war hingerissen. Er gab sich sein Wort, hier als waghalsiger Reiter zu siegen.

Aber er hatte sich verrechnet. Schwester Susanne war ebenso kühl wie schön. Sie reichte ihm nichts als die Hand, und auch die war kalt.

Fritzens Leidenschaft wuchs von Tage zu Tage. Wo er ging, wo er stand, seufzte er: »O Susanne,« und von brennenden Gefühlen gespornt, beschloß er einen Gewaltstreich.

Er wußte, daß Susanne, nachdem die Tante durch die ihr von dem Arzte verordneten hundert Gramm Chloral in zehnstündigen Schlaf versenkt war, sich in ihr, im zweiten Stock gelegenes Schlafgemach begab. Hierauf baute er seinen Plan, den wir in keiner Weise billigen können.

Der Schlaf der Unschuld soll heilig sein; selbst einem Kavalleristen! –

Es regnete – der Sturm heulte. Aus Susanna's Fenster schimmerte Licht.

Eine vermummte Gestalt näherte sich dem in der Klosterstraße gelegenen Hause des Fräuleins Amelie Schwudicke. Die Gestalt öffnete leise die Hausthür und verschwand.

Aber nicht unbeobachtet!

Hinter dem gegenüberstehenden Laternenpfahl verbarg sich eine zweite vermummte Gestalt, die mit glühenden Augen den eben geschilderten Vorgang verfolgte.

Sie trat hervor und ließ einen leisen aber vernehmlichen Pfiff hören.

Aus dem Schatten der nächstgelegenen Hauseinfahrt trat mit unhörbaren Schritten eine dritte vermummte Gestalt hervor.

»Do!« flüsterte sie.

»Mino!« antwortete die erste. Das war das geheime Paßwort.

»Wer ging in das Haus?«

»Ich weiß es nicht.«

»Du solltest es wissen. Da Du es aber nicht weißt, gehst Du nach Rom, meldest Dich beim Profoß und büßest mit Geißelung und finsterem Kerker. Geh.« –

Susanne hörte Pochen an ihrer Thor. Ihr Herz erbebte. Die Stunde der Befreiung schlug . . . ihr Plan sollte in Erfüllung gehen.

Der Augenblick der Rache war gekommen!


 << zurück weiter >>