Arthur Schurig
Die Eroberung von Mexiko durch Ferdinand Cortes
Arthur Schurig

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Drittes Kapitel

Von Huatekpa nahm Cortes seinen Weg nach dem Lande Akalan auf einem Fußpfade, den die Händler gehen. Andere Leute, so sagten sie, reisten nicht von Ort zu Ort.

Der Fluß ward in Barken überschritten, wobei ein Pferd nebst einigem Gepäck verloren ging. Drei Tage lang zog man unter den größten Mühen durch ein überaus wildes und rauhes Gebirge. Sodann kam man an ein Haff, das 500 Schritte (= 400 m) breit war. Die Verlegenheit war groß. Fahrzeuge waren nicht da, und das Wasser war so tief, daß man keinen Grund fand. Weinend beteten viele. Es schien unmöglich, hinüberzukommen. Umkehren aber, wie die meisten wollten, wäre der sichere Untergang aller gewesen. Der Regen hatte überall die Flüsse angeschwellt und die Brücken zerstört.

Cortes bestieg mit zwei hispanischen Seeleuten einen Kahn und erkundete die Wassertiefe an verschiedenen Stellen. Überall fand er sie zum mindesten vier Ellen tief, und als man mit langen Piken den Grund untersuchte, war der auch noch zwei Ellen tief, so daß die Tiefe im ganzen sechs Ellen (= 4 m) betrug. Mithin war ein Brückenschlag eine fragwürdige Sache. Trotzdem entschloß sich Cortes zu einem Versuche.

Zu diesem Zweck ließ er sich von den indianischen Häuptlingen Leute stellen, die große Bäume fällen und dicke Pfähle bereiten mußten. Sowie einer fertig war, rammten ihn die Hispanier, von Flößen und drei vorhandenen Kähnen aus, in den schlammigen Grund. Diese Arbeit war so mühevoll und zeitraubend, daß die hispanische Mannschaft die Brücke wie den Feldherrn zum Teufel wünschte. Man zog schrecklich wider ihn los. Er habe sie wie ein Toller in eine Lage geführt, aus der ihnen all sein vielgerühmter Witz und Verstand nicht wieder heraus helfen könne. Die Brücke werde in aller Ewigkeit nicht fertig, und wenn sie auch zustande käme, so erlebte das keiner. Man solle also lieber umkehren, ehe die Lebensmittel aufgezehrt seien. Nach Honduras gelange man nie und nimmer.

Cortes war selten in so unangenehmer Lage gewesen. Um aber die Leute nicht noch kopfloser zu machen, ließ er sie reden und jammern. Nur bat er sie, sich noch fünf Tage zu geduldigen. Wäre dann die Brücke nicht fertig, so sei er bereit, umzukehren.

Jetzt feuerte er die Indianer an, alle ihre Kräfte einzusetzen. Er war sich klar, daß er hier durchkommen mußte oder völlig verloren war. Sind wir erst einmal über dieses Wasser – so sagte er – dann sind wir auch in Akalan. Das ist eln fruchtbares Land, wo wir uns befreundete Stämme antreffen und auch unsere Schiffe finden, die alles, was wir brauchen, in Menge mit sich führen. Allen aber machte er die herrlichsten Versprechen.

Die Indianer zeigten den besten Willen. Sie ordneten sich in bestimmte Trupps, von denen der eine Baumfrüchte, Wurzeln und Kräuter zur Nahrung in den Bergen suchte, ein anderer Bäume fällte, ein dritter sie bearbeitete, ein vierter sie zum See trug, ein fünfter sie einrammte. Cortes war der Werkmeister. Er war so eifrig und verstand die Indianer dermaßen anzutreiben, daß die Brücke am sechsten Tage fertig war. Am siebenten Tage marschierte das Heer hinüber. Das erst Unmögliche war geschafft. Den hispanischen Soldaten war es schier unbegreifbar. Schließlich hatten sie auch mitgearbeitet. Wie Hispanler nun einmal sind: sie lassen den Zungen freien Lauf und rühren dann auch die Hände.

Es war eine harte Arbeit gewesen, von den Indianern geschickt ausgeführt. Zu der Brücke waren 1000 Pfähle, jeder 8 Ellen (= 5 ½ m) lang und 5 bis 6 Fuß im Umfang, verwendet worden, dazu eine Menge Balken und Bretter zum Belag. Die Verbindung der Teile war durch Lianen hergestellt, da man nur wenige Huf- und Brettnägel hatte.

Die Freude, das Haff überschritten zu haben, währte aber nicht lange. Denn jetzt kam man an einen Sumpf, der zwar nicht breit, aber so tief war, daß die Pferde bis über die Ohren darin versanken. Man bekam sie nicht hindurch. Alle Versuche blieben erfolglos. Da öffnete sich das Wasser von selbst einen Abfluß durch den Schlamm. Schwimmend kamen nun die Pferde hinüber, wenn auch mit großer Anstrengung. Am anderen Ufer angelangt, vermochten sie kaum noch zu stehen.

Als man von neuem aufbrach, trafen vier Hispanier ein, die Cortes vorausgeschickt hatte, zugleich mit ihnen 80 Indianer aus dem Lande Akalan, alle beladen mit Geflügel, Baumfrüchten und Mais. Das ganze Heer war hocherfreut, zumal sie auch die Meldung brachten, daß der Häuptling des Stammes namens Apoxpalon und sein Volk das Heer freundlich zu empfangen bereit sei und Unterkunft gewähren wolle. Der Fürst hatte etliches Gold als Willkommengruß mitgesandt.

Cortes behandelte diese Indianer auf das beste und gab ihnen allerlei Kram für ihren Häuptling. Auch zeigte er ihnen die Brücke, über die sie sich nicht genug wundern konnten. Offenbar hatten sie den Eindruck, daß den Hispaniern kein Ding unmöglich sei.

Tags darauf marschierte das Heer bis Tizapetl, wo die Einwohner reichlich Lebensmittel für die Mannschaft und Mais und Heu für die Pferde bereitgestellt hatten. Es fanden sechs Rasttage statt, in denen sich jedermann erholte und wieder stärkte.

Hier erhielt Cortes den Besuch eines jungen Indianers, eines recht hübschen Mannes, den ein stattliches Gefolge begleitete. Es war der Sohn des Apoxpalon. Der Jüngling brachte eine Menge Hühner und etliches Gold und erzählte, sein Vater sei unlängst verstorben. Er aber und das ganze Land ständen den Fremdlingen zur Verfügung. Obgleich er den Tiefbetrübten spielte, kam die Sache dem Cortes verdächtig vor. Noch vor vier Tagen hatte er vernommen, daß der Fürst wohlauf wäre. Trotz alledem beschenkte Cortes den jungen Mann mit einer Halskette von niederländischen Glasperlen, die sich der Bursche sofort umhing, da er ihr großen Wert beimaß.

Von Tizapetl ging der Marsch nach Teutikakak, das sechs Wegstunden weiter lag. Dort wurden die Hispanier vom Häuptling auf das freundlichste empfangen und in zwei stattlichen Tempeln untergebracht, deren es dort eine große Anzahl in überaus schöner Bauart gibt. Die Hauptmoschee war einer Göttin geweiht, der man von Zeit zu Zeit schöne Jungfrauen zum Opfer schlachtete, jedesmal zehn. Man suchte die armen Mädchen schon ganz klein zu bekommen und erzog sie mit großer Sorgfalt zu ihrer Bestimmung.

Cortes machte den Indianern ernste Vorhaltungen wegen dieses unmenschlichen Brauches. Er predigte ihnen das Christentum und zerstörte ihre Götzenbilder, was ihnen nicht weiter nahe ging. Der Häuptling des Ortes hatte übrigens viel Umgang mit den Hispaniern. Er war sehr wißbegierig und faßte zu Cortes große Zuneigung. Auch gab er Aufschlüsse über die hispanischen Siedelungen in Honduras und über den Weg dahin. Schließlich versicherte er, Apoxpalon sei noch am Leben. Den Umweg, den selbiger die Hispanier habe machen lassen, der übrigens nicht schlimm sei, habe den Zweck, ihnen etliche Orte nicht zu zeigen und den Reichtum des Landes zu verheimlichen. Dabei bat er, diese Mitteilung geheim zu halten.

Cortes war sehr erfreut über solche Nachricht und versprach, ihn nicht zu verraten. Darauf nahm er den jungen Mann vor und brachte ihn zum Geständnis. Nunmehr befahl er ihm, den Fürsten zu holen. Schon am andern Tage traf selbiger ein und bat den Cortes beschämt um Verzeihung. Er habe Furcht vor den fremden Männern und Tieren gehabt und erst abgewartet, ob sie Böses gegen sein Land im Sinne hätten. Nachdem er nun überzeugt sei, daß niemandem ein Leid geschähe, bäte er ihn, nach seiner volkreichen Hauptstadt Izansanak zu kommen.

Cortes machte sich am folgenden Tage mit Apoxpalon auf den Weg, wobei er ihm ein Pferd zum Reiten gab. Das bereitete dem Fürsten viel Vergnügen, obwohl er im Anfang beinahe vom Gaule fiel. In der Hauptstadt hielten sie feierlichen Einzug. Cortes und alle Hispanier bekamen ein großes Haus angewiesen, wo sie samt den Pferden unterkamen. Die Mexikaner wurden in andere Häuser verteilt. Während des ganzen Aufenthalts hier wurde das Heer auf das beste bewirtet. Auch erhielt man als Gastgeschenk etliches Gold und zwanzig Weiber.

Um einen Boten zum Meere schicken zu können, wo (in der Hlmmelfahrts-Bai) die Karavellen lagen, gab Apoxpalon eine Zille mit der nötigen Bemannung. Ein Hispanier fuhr auf dem Strome dorthin ab. Es war der nämliche Mann, der unlängst mit vier Indianern aus Sant Estevan am Panuko mit Briefen aus Medellin und Mexiko eingetroffen war. Diese Briefe waren indessen vor der Ankunft des Salazar und des Peralmindez daselbst geschrieben. Cortes gab dem Manne die Antworten auf die Briefe mit, worin er mitteilte, er habe zwar viel Mühsal ausgestanden, es gehe aber alles gut. Zugleich sandte er den Karavellen Befehl, wohin sie weiterhin zu fahren hatten.

Im Lande Akalan war es Brauch, den reichsten Handelsmann zum Staatsoberhaupt zu machen. So war Apoxpalon zur Herrschaft gelangt. Er unterhielt einen ausgebreiteten Handel mit Baumwolle, Kakao, Sklaven, Salz, Gold (das einen kleinen Zusatz von Kupfer hatte), Farbmuscheln (mit deren Saft man die Götzenbilder und auch sich selber färbte), Harz, allerlei Räucherwerk für den Gottesdienst, Wachsfackeln, vielerlei Farben und Salben (mit denen sich die Indianer für Schlacht und Spiel sowie zum Schutz gegen Hitze und Kälte den Leib bemalen) und mit allerhand sonstigen Waren, die dort zum Bedürfnis gehören. Es gab in verschiedenen Orten weit und breit Märkte und Messen. In Nito besaß der Fürst ein großes Zweiggeschäft, und dort gehörte ihm ein ganzes Stadtviertel, wo nur seine Angestellten und Hörigen wohnten.

Apoxpalon war in jeder Hinsicht voller Entgegenkommen. So baute er den Hispaniern eine Brücke über einen Sumpf und schaffte Fahrzeuge heran, damit das Heer ein Haff überschreiten konnte. Als Gegenleistung ließ er sich nur eine Urkunde von Cortes ausstellen, in der ihm, für den Fall, daß wieder einmal Hispanier kämen, bezeugt ward, daß er sich als Freund der Hispanler bewiesen hatte.

Es sei noch bemerkt, daß das Land Akalan stark bevölkert und reich und daß Izansanak eine große Stadt ist.


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