Arthur Schurig
Die Eroberung von Mexiko durch Ferdinand Cortes
Arthur Schurig

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Von den Kriegsleuten, Waffen und Kriegsbräuchen

Die Menschen in Neu-Hispanien sind ein wohlgestaltetes Volk von schlankem, fast hohem Wuchs. Ihre ebenmäßigen Gesichter haben die Farbe der Oliven. Ihre Körper sind geschmeidig und gewandt, der Anstrengung aller Art fähig. Insbesondere vermögen sie den Hunger leicht wie kein ander Volk zu erdulden.

Der Neu-Hispanier ist kriegerisch und geht dem Tode mutig und gefaßt entgegen. Vor der Eroberung des Landes durch uns hatten die einzelnen Stämme und Städte unaufhörlich Krieg miteinander. Ihre Kriegsgefangenen aßen sie auf oder machten sie zu Leibeigenen. Wenn sich die Einwohner einer belagerten Stadt ergaben, ohne mit den Waffen Widerstand zu leisten, so wurden sie Untertanen der Sieger, ohne daß man sie irgendwie vergewaltigte; hatten sie sich aber gewehrt, so machte man sie sämtlich zu Sklaven.

Das Kriegswesen der Eingeborenen besitzt eine gewisse Ordnung. Sie haben Oberste, unter denen Hauptleute mit Kompagnien von zwei- bis vierhundert Mann stehen. Jede Kompagnie hat eine Fahne, die dem Fähnrich in der Art auf dem Rücken befestigt ist, daß sie ihn an keiner Bewegung und auch nicht am Fechten hindert, ihm aber auch nicht abgenommen werden kann, ohne daß man ihn schier in Stücke haut. Wer sich im Krieg ausgezeichnet, erhält Ehrensold sowie Auszeichnungen und Belohnungen, und wer sich durch eine besonders kühne Tat hervorgetan, wird, selbst wenn er unfrei war, nicht nur zum Offizier befördert und mit einem ansehnlichen Lehen beschenkt, sondern auch von jedermann und bei allen Gelegenheiten im ganzen Lande fast wie ein Fürst geehrt. Damit er nun von jedwedem sofort als Held erkannt wird, trägt er sein Haar auf besondere Art. Hüte hat man nämlich für gewöhnlich hierzulande nicht. Zeichnet sich ein also Ausgezeichneter durch eine neue Kriegstat aus, so wird das erste Abzeichen um ein zweites vermehrt und sein Lehen durch eine neue Schenkung an Land und Leibeigenen vergrößert.

Zu ihrem leiblichen Schutze tragen die Krieger lange Wämse, die anderthalb bis zwei Finger dick mit Baumwolle gesteppt sind. Darüber haben sie eine Art Schürze, die hinten festgebunden wird, aus grober Leinwand, über und über mit Federn in den verschiedensten Farben bedeckt, was gar prächtig anzusehen ist. Die Kompagnien unterscheiden sich in den Hauptfarben dieser Federn voneinander, indem die eine Kompagnie vor allem weiße, eine andere rote, eine dritte gelbe, eine vierte blaue Federn an ihren Schürzen hat. Die Hauptleute und die Vornehmen tragen darüber noch eine Art Küraß, von Gold oder Silber überzogen. Beides gewährt Schutz gegen Wurfspieße und Pfeile, ja sogar einigermaßen gegen Degenstöße und Lanzenstiche.

Auf dem Kopfe tragen die Krieger eine Art Helm von der Gestalt eines Schlangen-, Löwen-, Tiger- oder Wolfskopfes mit offenem Rachen, in den der Mann sein Haupt so hineinsteckt, als hätte das Tier ihn eben mit den Zähnen gepackt, um ihn zu verschlingen. Diese Helme sind aus Holz, mit goldenen Platten überzogen und mit Edelgestein besetzt; oben darauf ist ein Federbusch befestigt, so daß das Ganze einen stattlichen Eindruck macht.

Die Schilde, die sie führen, sind verschieden. Meist bestehen sie aus starken Rohrstäben, die mit dicken Schnüren aus Baumwolle zusammengeflochten und mit Federn und runden Goldplatten bedeckt sind. Es gehört schon eine tüchtige Armbrust dazu, wenn man einen solchen Schild durchschießen will. Aber auch wenn ein Pfeil hindurchgeht, so wird doch die rechte Gewalt des Schusses genommen. Man hat Schilde nach Hispanien gebracht, aber es waren keine, wie sie die Indianer im Kriege gebrauchen, sondern nur solche, die sie bei ihren Festen und Tänzen tragen.

Als Trutzwaffen haben sie Schwerter, Bogen mit Pfeilen, sowie Wurfspieße und Stockschleudern. Die Wurfspieße haben eine starke und haarscharfe Spitze aus hartem Stein (Obsidian) oder auch aus Fischknochen. Manche haben drei Spitzen, so daß sie mit einem Male drei Wunden verursachen. Die Schwerter werden mit beiden Händen geführt. Sie sind aus schwerem Holz gefertigt, nicht gar lang, aber drei Zoll breit und haben in der Schneide einen Spalt, in dem Zähne aus Feuerstein (Obsidian) befestigt sind, so scharf geschliffen wie die Rasiermesser von Tolosa. Ich hab es mit eigenen Augen gesehen, wie einmal ein Indianer in einem Gefecht dem Pferd eines Ritters mit einem solchen Schwert einen Hieb ln die Brust versetzte, der dem Leben des Tieres im Augenblick ein Ende bereitete. Ein andermal stürzte eins unserer Rosse, von einem einzigen Hieb in den Hals getroffen, auf der Stelle tot nieder. Mit ihren Schleudern werfen sie erstaunlich weit. Die meisten Kriegsleute sind mit allen diesen Waffen zugleich ausgerüstet und gebrauchen eine um die andere.

Es gewährt einen herrlichen Anblick, wenn sie in voller Kriegsrüstung heranmarschieren. Sie halten die beste Ordnung und sehen in ihrem Waffenschmuck allesamt gar heldenhaft aus. Es gibt unter ihnen ungemein tapfere Männer, die sich aus dem Tode nicht das geringste machen. Ich hab einmal zugeschaut, wie sich einer gegen zwei unserer leichten Reiter wehrte, und ein andermal einen, der sich drei, ja vier Reiter über eine Stunde lang vom Leibe hielt. Als sie mit ihm nicht fertig wurden, warf einer voll Ärger seine Lanze nach ihm; aber der Tapfere fing sie mit der Hand auf und schlug sich noch so lange mit seinen Gegnern herum, bis zwei Fußknechte herzukamen, die ihn erst verwundeten und dann niederstießen, wobei der eine ihn von vorn faßte und der andere von hinten.

Im Gefecht tanzen und singen die Indianer ohn Unterlaß. Hin und wieder erheben sie obendrein ein entsetzliches Geheul und Gepfeif, und wer dieses Lärmen und wilde Gebaren noch nicht gewohnt ist, der kann sich der Furcht kaum erwehren. Übrigens sind sie im Krieg ohne jede Barmherzigkeit. Sie lassen keinem Feinde das Leben und morden die schönsten Frauen, um sie hernach aufzufressen. Können sie die Beute, die sie gemacht, nicht fortschleppen, so wird sie verbrannt. Nur Edelleute dürfen nicht sofort umgebracht werden. Sie werden wohl bewacht und zu einem besonderen barbarischen Brauch aufgespart. In der Mitte des Marktplatzes eines jeden Ortes ist nämlich eine Art Pyramide von anderthalb Manneshöhe aus Stein aufgemauert. Hinauf zu ihrer Plattform führt eine Treppe, und oben in der Mitte sieht ein Steinblock mit einer Höhlung darin. An diesen Stein wird der Gefangene mit einem langen Seil an einem Fuß angebunden. Man gibt ihm ein Schwert und einen Schild in die Hände,und nun muß er mit denen, die ihn gefangen haben, einen neuen Kampf bestehen. Bleibt dabei der, der in der Schlacht zuletzt mit ihm fertig geworden war, nochmals Sieger, so gilt dies für eine große Tat, die fortan durch ein tragbares Abzeichen geehrt wird. Behält aber der Gefangene die Oberhand und ist er mit sechs anderen Streitern, die nach dem ersten den Kampf mit ihm fortsetzen müssen, ebenso glücklich, so wird er frei, und es muß ihm alles wiedergegeben werden, was man ihm im Gefecht abgenommen hat.

Einmal hatte das Heer des Volkes von Huexozinko Krieg mit dem von Tula. Da geschah es, daß der Fürst der Tulaner in der Hitze des Gefechts von den Seinigen abkam und so tief in die Feinde eindrang, daß er trotz aller Wunder seiner Tapferkeit am Ende von der Menge überwältigt und gefangen genommen wurde. Die Krieger von Huexozinko führten den Gefangenen im Triumph nach ihrer Stadt, wo er auf die beschriebene Weise den Kampf mit sieben der tapfersten Männer bestehen mußte und auch mit allen sieben fertig wurde. Die gewaltige Tapferkeit dieses Fürsten versetzte das Volk von Huexozinko in einen derartigen Schrecken, daß sie zu fürchten begannen, er werde, wieder frei, nicht ruhen, bis er alle Huexozinkaner von der Erde vertilgt habe. Sie beschlossen daher, ihn umzubringen, und führten solches auch aus. Dadurch luden sie aber eine solch schwere Schande und Schmach auf sich, daß sie alsbald allerorts als ein unehrliches und wortbrüchiges Volk verschrien waren, mit dem niemand zu tun haben wollte.


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