Arthur Schurig
Die Eroberung von Mexiko durch Ferdinand Cortes
Arthur Schurig

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Das vierte Kapitel

Als wir nun am Neujahrsabend in Tezkuko eingerückt und im Quartier waren, überlegten wir uns, warum wir in dieser Stadt, die doch sonst so volkreich ist, nur wenige Leute fanden, und daß diese wenigen unruhlg und mürrisch waren. Wir mutmaßten, man käme aus Furcht nicht zum Vorschein, und achteten deshalb nicht weiter darauf. Als aber die Nacht anbrach, ließ ich etliche Hispanier auf einen hohen Söller steigen, um die ganze Stadt zu überschauen. Da nahmen sie wahr, daß Scharen von Bürgern im Abzuge nach dem nahen großen See waren und ihr Hab und Gut zu Schiffe brachten, während ein andrer Teil der Einwohner dem Gebirge zustrebte. Wiewohl ich sofort den strengen Befehl gab, die Flucht der Leute zu verhindern, war dies vergebens, dieweil die Nacht dazwischen kam. Auch der Herr der Stadt samt den Vornehmsten, die ich gern in meiner Hand gehabt hätte, waren nach Temixtitan entwichen, das von dort noch sechs Meilen entfernt ist. Jetzt erkannte ich, daß die mir entgegengeschickten Gesandten nur zu mir gekommen waren, um mich aufzuhalten.

In den drei Tagen, die wir in der Stadt verblieben, hatten wir mit den Indianern keinerlei Zusammenstoß, da sie es nicht wagten, uns anzugreifen, wir aber auch kein Begehr danach hatten. Mein Sinn war darauf gerichtet, mit ihnen Frieden zu haben. Da kamen zu mir die Vornehmen von Koatlinchan, Huexotla und Atengo, den drei Vororten der Stadt, und baten mich unter Tränen, ich möge ihnen verzeihen, daß sie ihre Dörfer verlassen hätten. Es wäre wahrlich nicht aus eigenem Willen geschehen, und sie seien bereit, alles zu tun, was ich ihnen im Namen Eurer Kaiserlichen Majestät auferlege. Ich antwortete ihnen durch einen Dolmetsch, sie müßten doch wissen, daß ich es allezeit gut und ehrlich mit ihnen gehalten hätte, und also wäre es unrecht von ihnen, daß sie ihre Orte verlassen und sich mir dadurch feindselig gezeigt hätten. Da sie jetzt aber in Freundschaft gekommen wären, so wolle ich ihnen gestatten, mit Weib und Kind wiederum in ihre Heimat zu ziehen. Wie sie sich fortan in Worten und Werken gegen uns verhielten, also sollten auch sie von mir gehalten werden. Danach gingen sie, wie mir schien, zufrieden von mir.

Als die Herren von Mexiko und Temixtitan vernahmen, daß sich die Leute von Koatlinchan, Huexotla und Atengo Eurer Kaiserlichen Majestät unterworfen hatten, schickten sie eilends Boten zu ihnen, die ihnen vorhielten, wie übel sie in diesem Fall gehandelt hatten. Wenn es aus Furcht geschehen wäre, so hätten sie wohl vergessen, wie mächtig Temixtitan wäre, so mächtig, daß es stark genug sei, alle Hispanier samt allem Volk aus Tlaskala mit einem Schlage zu vernichten. Und dies stünde nahe bevor. Wenn jenes aber geschehen wäre, um ihr Hab und Gut zu sichern, so sollten sie nur nach Temixtitan kommen, wo sie größere und bessere Güter bekommen könnten. Die Vornehmen von Koatlinchan und Huexotla hörten sich dies an, ergriffen die Boten und überantworteten sie mir. Ich vernahm sie, und selbige sagten mir, sie wären nur darum hergekommen, um die Leute der genannten drei Orte zu Mittlern zu machen. Da diese unsere Freundschaft erlangt hätten, so sollten sie auch zwischen mir und den Herren von Mexiko Frieden stiften. Die Edlen von Koatlinchan und Huexotla sagten mir aber, dies wäre erdichtet und unwahr, und die in Mexiko und Temixtitan hätten nichts andres im Sinn, als mit uns Krieg zu führen und uns zu verderben. Gleichwohl stellte ich mich, als glaubte ich den Boten, und zwar aus der Ursache, daß ich erhoffte, mit den Herren von Temixtitan ohne Gewalt in Freundschaft zu gelangen. Denn wenn ich mit diesen in Frieden war, so war ich mit dem ganzen Lande in Frieden. Andernfalls aber hatte ich allerorts Aufstand und Kampf.

Also ließ ich die gefangenen Boten wieder frei und sagte zu ihnen, sie sollten ihren Herren vermelden, daß ich nicht als Feind wider Temixtitan zöge, wiewohl ich Ursach und Recht dazu hätte. Ich wäre vielmehr ihr guter Freund wie zuvor. Und um sie noch williger zu machen, fügte ich hinzu, ich wisse sehr wohl, daß die Hauptschuldigen am Aufstande wider mich und die Hispanier inzwischen mit dem Tode abgegangen wären. Was geschehen wäre, möge geschehen sein. Ich gedächte dessen nicht mehr. Nur sollten sie uns nicht von neuem Anlaß geben, Krieg wider sie führen und ihnen Stadt und Land verheeren zu müssen. Dazu spürte ich wenig Lust. Indem sie mir erklärten, sie wollten wiederkommen und Antwort von ihren Herren bringen, zogen sie ungehindert von dannen.

Sieben oder acht Tage blieben wir in Tezkuko, ohne daß wir Widerwärtigkeiten hatten. Wir befestigten unser Quartier und rüsteten uns, aber es griff uns niemand an. Um den Feind aufzusuchen, zog ich nun aus der Stadt mit 20O Hispaniern, darunter 18 Reitern, 30 Armbrustern und zehn Büchsenschützen, sowie mit 3 bis 4000 uns verbündeten Indianern, marschierte am See hin und kam vor Iztapalapan an, einer Stadt, die auf dem Wasserwege zwei Meilen von Temixtitan und sechs Meilen von Tezkuko entfernt liegt. Der Ort hat 10000 Häuser, von denen die meisten in den See gebaut sind. Herr der Stadt war ehedem ein Bruder des Herrn Montezuma; sein Nachfolger war der Urheber des Aufstandes wider uns und unserer Vertreibung aus der Hauptstadt.

Deshalb und insonderheit, dieweil ich erfahren hatte, daß die Leute von Iztapalapan arglistigen und feindseligen Sinnes gegen uns waren, entschloß ich mich, die Stadt anzugreifen. Wir standen noch zwei Meilen davor, da merkten sie unseren Anmarsch. Alsbald erschien feindliches Kriegsvolk zu Wasser und zu Lande, sowohl im Felde wie in Kähnen auf dem See, so daß wir das letzte Stück Wegs in einem fort fechtend zurücklegen mußten. Nahe bei der Stadt liegt ein Steindamm, der den großen Salzsee vom Süßwassersee trennt. Bei unserem Angriff öffnete man das Wehr, so daß die Salzflut das ganze Land überschwemmte. Ungeachtet dieser Tücke haben wir die Stadt erstürmt.

Wir fanden die Häuser, die auf dem Lande gebaut sind, verlassen. Alles Volk war mit Hab und Gut in die Häuser geflohen, die im See stehen. In diesem Teil der Stadt wehrten sie sich tapfer weiter. Aber auch diese Häuser nahmen wir und trieben die Verteidiger in den See hinein. Mehr denn 6000 Männer, Weiber und Kinder kamen dabei um, sonderlich unter den Händen der Indianer, die auf unserer Seite waren, die alles niederstachen, was ihnen vor die Waffen kam. Ein Tell der Stadt ging in Flammen auf.

Da die Nacht schon stark angebrochen war, versammelte ich mein Kriegsvolk. Angesichts des Brandes fügte es Gott der Allmächtige, daß ich wieder an den Damm zwischen den Seen dachte und an die große Gefahr, die uns dadurch drohte. Eilends marschierte ich in voller Ordnung von der Stadt ab und erreichte um die neunte Stunde, in der Finsterheit das feste Land jenseits der Überschwemmung. Das Wasser strömte so wild und ungestüm und war sehr bald so tief, daß wir nur unter großer Gefahr hindurchzogen, wobei etliche meiner Indianer ersoffen und die ganze Beute verloren ging, die wir in der Stadt gemacht hatten. Eure Kaiserliche Majestät mögen mir glauben, daß wir allesamt hätten ertrinken müssen, wenn wir nicht noch am selbigen Abend hindurchgegangen wären und nur drei Stunden länger gesäumt hätten, denn das ganze Land in und um die Stadt ward unter Wasser gesetzt. Am folgenden Morgen haben wir dies erkannt.

Ich marschierte nach Tezkuko zurück. Uns zur Linken, auf dem See, verfolgten uns Kähne, voll von feindlichem Kriegsvolk. Aber wir konnten ihnen wenig antun, dieweil sie bei jeglichem Angriff zurückwichen.

In Tezkuko fand ich die daselbst zurückgelassenen Hispanier unbehelligt wieder vor. Unsere Rückkehr und unser Sieg machte ihnen viel Freude. Am anderen Tage starb ein Hispanier, der vor Iztapalapan war verwundet worden. Er wer der erste, der auf diesem Feldzug fiel.

Am Tage darauf kamen Gesandte zu mir aus Otumba und aus vier anderen Orten der Nachbarschaft im Umkreise von vier bis sechs Meilen. Selbige baten mich, ihnen allergnädigst zu verzeihen, daß sie ehedem am Kriege wider mich hatten teilgenommen. Eure Kaiserliche Majestät werden sich erinnern, daß es bei Otumba war, wo uns nach unserem Abzug aus der Hauptstadt die ganze Macht von Temixtitan und Mexiko entgegentrat, in der Hoffnung, uns den Rest zu geben. Offenbar sahen die Leute von Otumba sehr wohl ein, daß sie sich nicht damit konnten entschuldigen, uns damals auf höheren Befehl angegriffen zu haben. Um mich aber milder zu stimmmen, vermeldeten sie mir, daß die Herren von Temixtitan ihnen unlängst hatten sagen lassen, sie möchten im Bunde mit ihnen bleiben und nicht unsere Freunde werden, andernfalls wolle man sie bekriegen und vernichten. Ungeachtet dieser Drohung seien sie aber doch willens, Eurer Kaiserlichen Majestät Lehensleute und Untertanen zu sein und allen meinen Befehlen nachzukommen.

Ich gab ihnen zur Antwort, daß sie wahrhaftiglich Strafe wegen ihrer Feindseligkeit von ehedem verdient hätte; aber ich wolle ihren Worten glauben und sie verschonen, wenn sie mir die Boten aus Temixtitan unverzüglich überantworteten, desgleichen alle die von meinen Feinden, die man auf ihrem Gebiete ergriffe. Geschähe dies nicht, so könne ich sie nicht begnadigen. Mit dem Versprechen, Eurer Kaiserlichen Majestät treu und gehorsam sein zu wollen, sind sie in ihre Heimat zurückgekehrt.


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