Arthur Schurig
Die Eroberung von Mexiko durch Ferdinand Cortes
Arthur Schurig

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Das achtzehnte Kapitel

Zwei Tage nach diesem Unfall, der alsbald im ganzen umliegenden Lande bekannt war, kamen in mein Hauptquartier Abgesandte aus Kuernavaka, einer Stadt, die ehedem der Hauptstadt untertan war, sich dann aber in unseren Schutz begeben hatte. Sie vermeldeten mir, daß ihre Nachbarstadt Malinalko ihnen ihr Land verwüstet und sich mit einer dritten Stadt namens Kuiskon verbunden hätte, um über sie herzufallen und sie zu vernichten, dieweil sie den Hispaniern ergeben wären. Nach ihrem eigenen Untergange wäre es zu erwarten, daß man gegen uns zöge. Wiewohl wir aber mehr der Hilfe anderer bedurften, als daß wir anderen hätten beistehen können, so verhieß ich ihnen dennoch Hilfe. Ungeachtet daß meine Hauptleute dagegen waren, dieweil ich mich dadurch schwächte, schickte ich ihnen 80 Mann zu Fuß und 10 Reiter unter dem Befehl des Hauptmanns Andreas von Tapia, dem ich die Weisung gab, er solle alles tun, was Eurer Kaiserlichen Majestät zu Nutzen und uns vonnöten sei. Er wisse, wie arg die Dinge bei uns stünden. Deshalb solle er in zehn Tagen wieder bei mir sein.

Tapia brach auf und stieß bei einem Dorfe zwischen Malinalko und Kurenaba auf den Feind, der ihn daselbst erwartet hatte. Es gelang den Unsrigen, die Feinde derb zu schlagen und nach Malinalko zurückzuwerfen. Dieser Ort liegt in den Bergen, so daß die Reiter nicht zu folgen vermochten. Also begnügten sie sich, alles zu verwüsten, was in der Ebene lag. Darnach kehrten sie am zehnten Tag befehlsgemäß in das Hauptquartier zurück.

Ein Edelmann aus dem Lande Tlaskala namens Chichimekatl, derselbe, der ehedem die zerlegten Rennschiffe aus Tlaskala nach Tezkuko geleitet hatte, befand sich seit Beginn der Belagerung mit all seinem Kriegsvolk im Lager des Peter von Alvarado. Als er sah, daß die Hispanier auf mein Geheiß vorläufig nicht mehr angreifen durften, kam er von selbst auf den Entschluß, ohne uns, nur mit den Seinen, einen Sturm auf die Hauptstadt zu wagen. Es gelang ihm, was bis dahin die Indianer nie ohne unsere Hilfe vollbracht hatten, einen sehr gefährlichen Wassergraben einzunehmen. Er ließ 400 Bogenschützen daselbst zurück, um den Platz zu bewachen, und drang mit den übrigen gar tapfer und unter großem Feldgeschrei weiter vorwärts. Es entspann sich eine große Schlacht, wobei es auf beiden Seiten viele Verwundete und Tote gab. Als die Tlaskalaner dann aber den Rückzug begannen, drängten die Temixtitaner in wildem Eifer nach, wie sie dies immer tun, wenn ihr Feind zurückgeht, auch wenn sie bis dahin die Besiegten waren. Offenbar vermeinten sie, sich am Brückengraben blutig rächen zu können, dieweil an solchem Ort zurückgehende Truppen stets in großer Gefahr sind. Gerade deshalb aber hatte Chichimekatl daselbst die 400 Schützen zurückgelassen. Als nun die Tlaskalaner auf ihrem Rückzuge an den Graben gelangten, in ihrem Rücken von den Temixtitanern hart bedrängt, sprangen sie ins Wasser und schwammen hinüber, alles das gedeckt durch die Pfeile besagter 400 Schützen. Die Temixtitaner aber gaben die Verfolgung auf, verwundert ob der Kühnheit des Chichimekatl.

Etliche Tage darauf machte ein kleiner Haufen Hispanier einen Streifzug wider die Stadt. Da riefen ihnen die Temixtitaner zu, unser Dolmetsch solle kommen, dieweil sie Frieden haben möchten. Es war dies aber nur eine List, um Gelegenheit zu bekommen, neue Lebensmittel in die Stadt zu bringen. Unsere indianischen Bundesgenossen sagten uns sofort, das Angebot der Feinde sei Lug und Trug, und wir sollten lieber weiterfechten. Trotzdem ward für diesen Tag der Kampf beendet.

Um die nämliche Zeit kamen in mein Hauptquartier Gesandtschaften aus Malinalko und Kuiskon und baten, ich möge ihnen das Geschehene in Gnaden verzeihen. Sie seien willens, fortan treue Untertanen Eurer Kaiserlichen Majestät zu sein. Ich nahm sie freundlich an. Seitdem sind sie unsere Freunde bis heute.

Etliche Tage zuvor hatte ich auf die Bitten von uns befreundeten Indianern den Obristen Gonzalo von Sandoval mit 18 Reitern und 100 Fußknechten, darunter nur einen einzigen Armbruster, wider eine Stadt namens Matlalcingo entsandt, von der wir nichts wußten, als daß sie 22 Meilen entfernt liegt. Dieser Zug war glücklich verlaufen; nur hatten die Temixtitaner das Fernsein Sandovals benutzt, einen Überfall auf das Lager des Peter von Alvarado zu machen. In der Morgenfrühe stürmten sie plötzlich an, aber die Vorposten entdeckten sie und machten Lärm. Es begann ein Gefecht, das drei volle Stunden währte. Als ich in meinem Hauptquartier die Schüsse von Alvarados Feldgeschütz hörte, da ließ ich aus Argwohn, er könne in Not sein, mein Kriegsvolk alarmieren und rückte gegen die Hauptstadt, um Alvarado Luft zu verschaffen. Indes aber hatten sich die Temixtitaner von selber wieder zurückgezogen.

Nunmehr hatten wir uns von der vermeldeten schlimmen Schlacht wieder erholt. Zudem war im Hafen von Sankt Juan ein Schiff des Ponce von Leon eingelaufen, der von der Insel Florida zurückkam, wo es ihm übel ergangen warJuan Ponce de Leon, Statthalter von Puertoriko, hatte auf einer Fahrt nach dem sagenhaften Eilande Bimini mit einer verjüngenden Wunderquelle im Jahre 1513 Florida entdeckt. 1520 unternahm er mit 200 Mann eine zweite, erfolglose Fahrt ebendahin. Erstarb bald nach seiner Rückkehr in Kuba an einer auf Florida erhaltenen Pfeilschußwunde. Es ist übrigens merkwürdig, wie sich die uralte Sage von der Fontaine de Jouvence nach Westindien (Florida) übertragen hat. Ehedem suchte man diesen Jungbrunnen im eigentlichen Indien. In der Alexandersage baden sich König Alexander und seine Mannen darin jung.. Dadurch war man in die Lage gekommen, mir Schießpulver und etliche Armbrüste zu schicken, deren wir sehr bedurften. Wiewohl dies unsere Lage besserte, so sah ich doch ein, daß die Verteidiger der Hauptstadt aufsässiger denn je waren und offenbar fest entschlossen, eher zu sterben als den Kampf aufzugeben. Ich wußte nun kaum noch ein Mittel, um uns der vielen Gefahren und Mühsale dieser Belagerung endlich zu entheben, ohne die Stadt, eine der schönsten der ganzen Welt, zu verderben und zu vernichten. Es half uns nichts, wenn ich ihnen sagen ließ, daß wir nimmermehr abzögen, daß unsere Rennschiffe ihnen alle Zufuhr abschneiden würden und daß wir nach und nach immer neue Bundesgenossen gewönnen. Je mehr wir ihnen derlei vorhielten, um so halsstarriger und zuversichtlicher zeigten sie sich.

Nachdem also die Belagerung bereits 45 Tage (bis l4. Juli) dauerte, entschloß ich mich zu einer neuen Maßregel. Ich befahl, daß fortan bei jedem Vorrücken in den Straßen der Hauptstadt die Häuser zu beiden Seiten niedergerissen werden sollten. Bei jedem Schritt, den wir nunmehr vorwärts kamen, sollte hinter uns alles der Erde gleich gemacht werden, wo aber Wasser gewesen, da sollte fester Boden werden, so mühevoll dies wäre und so viel Zeit es auch kostete. Ich berief alle Edelleute und Führer unserer indianischen Hilfsvölker und eröffnete ihnen meinen Entschluß, wobei ich ihnen anbefahl, ihre Leute mit dem nötigen Schanzzeug versehen zu lassen. Man antwortete mir, man sei mit Freuden bereit, solches zu vollbringen. Mein Plan sei der beste Weg, die feindliche Stadt endlich zu bezwingen, und nichts begehrten sie mehr als die Vernichtung von Temixtitan.

Wiederum vergingen unter den neuen Vorbereitungen drei oder vier Tage. Drinnen in der Stadt merkte man gar wohl, daß wir einen großen Anschlag wider sie schmiedeten, und wie sich später gezeigt, rüsteten sie sich zu ihrem Schutz soviel sie nur konnten.

Nachdem ich meinen Bundesgenossen Befehl gegeben, daß der Kampf zu Wasser und zu Lande von neuem beginnen solle, rückten wir eines Morgens in der Frühe, nach gehörter Messe, wider die Stadt. Als wir vor dem großen Graben und dem Wall unweit vor dem Hauptmarkte ankamen und uns zum Sturm anschickten, da winkten uns die Temixtitaner und riefen uns zu, sie wollten Frieden mit uns machen. Darauf befahl ich meinen Leuten, den Angriff einzustellen, und ließ den Feinden sagen, Guatemozin, der Herr der Stadt, möge kommen und mit uns verhandeln. Die Feinde erwiderten, es wären schon Boten unterwegs, ihn zu holen. Hierdurch verging mehr denn eine Stunde. Es war ihnen aber nicht ernst mit dem Frieden, denn bald darauf, während wir noch müßig dastanden, begannen sie Pfeile, Wurfspieße und Steine gegen uns zu schießen. Als ich dies sah, gab ich den Befehl zum Angriff. Wir stürmten und nahmen den Wall, und als wir an den großen Platz gelangten, fanden wir ihn besät mit großen Steinen, um meine Reiter am Vormarsche zu hindern. Selbige fürchteten sie nämlich am meisten. Auch die Nebengassen waren voller Steine.

An diesem Tage haben wir die Wasserstraße am großen Platze derartig verschüttet, daß die Temixtitaner sie hernach niemals konnten wieder instand setzen. Zudem begannen wir die nächstliegenden Häuser zu schleifen, auch alle Wassergräben, die wir bisher genommen, gründlich zuzuschütten. Da ich an diesem Tage viele Tausende uns befreundeter Indianer bei mir hatte, ging die Arbeit hurtig vonstatten. Darnach zogen wir uns in unsere Lager zurück. Auch die Rennschiffe sowie die Zillen unserer Indianer hatten der Stadt an diesem Tage nicht geringen Schaden zugefügt.

Am nächsten Morgen griffen mir in der nämlichen Weise an. Nachdem wir in den ummauerten Bezirk der großen Moschee vorgedrungen waren, ließ ich haltmachen und befahl den Hauptleuten, nichts weiter zu tun als die eroberten Gräben einzuebnen, während unsere Indianer die Häuser niederbrannten und abrissen. Mit etlichen Indianerhaufen aber ließ ich in gewohnter Weise Angriffe machen, unter dem Schutze von Reitern, die ihnen den Rücken deckten. Währenddem bestieg ich die Plattform des großen Tempels, dieweil ich wußte, daß mich die Temixtitaner alsbald erkannten. Von da aus leitete ich die einzelnen Angriffe der Unsrigen und sandte an alle Orte Hilfe, wo es not tat. Es geschah wie immer, daß bald die Feinde, bald die Unsrigen vor- oder zurückgingen. Wo ich aber drei oder vier Reiter hinbeorderte, da gewannen die Unsrigen sofort neuen Mut und warfen die Feinde zurück.

In dieser Art und Welse rückten wir sechs Tage nacheinander immer wieder von neuem gegen die Stadt. Jeden Abend, wenn wir in unsere Standorte zurückgehen wollten, legte ich eine Anzahl Hispanier in etliche Häuser in den Hinterhalt. Sodann ließ ich die Reiter zurückgehen, wobei sie sich stellten, als seien wir in voller Flucht. Dadurch lockten wir die Verfolger am Hinterhalte vorbei, wonach sie im Rücken angegriffen und niedergemacht wurden.

An einem jener Tage standen 8 Reiter auf dem großen Platze und warteten auf das Erscheinen von Feinden. Als aber keine kamen, taten sie, als ob sie abrücken wollten. Die Feinde, die sich bis dahin versteckt gehalten hatten, zeigten sich jetzt zwar; da sie aber Angst hatten, daß sie in der Verfolgung angefallen werden könnten, wie das oft geschehen war, so blieben sie hinter den Mauern und Tempeln, deren dort mehrere standen. Als sich die 8 Reiter gegen sie wandten, wurden sie an einer Straßenecke von oben beschossen und konnten die Feinde, die dort in eine Gasse flohen, nicht verfolgen, sondern mußten sich sogar selber zurückziehen. Jetzt aber brachen die Feinde aus der Gasse heraus wie tolle Hunde, unter Freudengeheul ob des Rückzugs unserer Reiter. Bei alledem blieben sie beieinander und wagten sich nicht aus der Deckung heraus. Mit zwei verwundeten Pferden mußten die Reiter also zurückgehen.

Sehr spät kamen wir an diesem Abend in unsere Lager zurück, nachdem wir alle eroberten Gräben und Wälle sorgfältig zugeworfen und abgetragen hatten. Da aber die Temixtitaner hinter uns laut frohlockten, als geschähe unser Rückzug aus Furcht und Schwäche, da entschloß ich mich, ihnen einen ordentlichen Denkzettel zu verabreichen. Noch in der Nacht sandte ich Boten an Sandoval, mit dem Befehle, er solle vor Tag mit 15 Reitern von seiner und Alvarados Abteilung in mein Hauptquartier kommen.


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