Arthur Schurig
Die Eroberung von Mexiko durch Ferdinand Cortes
Arthur Schurig

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Das sechste Kapitel

Die Hispanier, die ich zum Bau der Rennschiffe in Tlaskala gelassen hatte, erfuhren, daß in Verakruz ein Schiff angekommen war mit 3O oder 40 Hispaniern, nicht gerechnet die Schiffsleute, dazu 8 Pferden und einem Vorrat an Hakenbüchsen und Schießpulver. Man wußte nun aber in Tlaskala nicht, wie mein Feldzug stand, und war darob sehr traurig. Wiewohl daselbst etliche Hispanier waren, so sind sie doch nicht so kühn gewesen, sich auf den unsicheren Weg zu mir zu machen, um mir die gute Nachricht zu überbringen. Schließlich aber wagte es ein Knecht, brach bei Nacht auf und kam glücklich nach Tezkuko. Wir waren nicht wenig verwundert, daß ihm dies gelungen war. Der neuen Kunde aber freuten wir uns gar sehr, denn wir bedurften des Nachschubs.

Am selbigen Tage trafen bei mir ein etliche Boten aus der Stadt Chalko, gute und brave Leute, die mir vermeldeten, daß die Mexikaner dabei wären, über sie herzufallen und sie zu vernichten. Sie baten mich, ihnen in ihrer Not Beistand zu senden. Im Namen Eurer Kaiserlichen Majestät erwiderte ich ihnen, es sei mir wahrhaft schmerzlich, ihnen als meinen Freunden zurzeit nicht helfen zu können. Wiewohl ich immerdar bemüht bin, die indianischen Lehensleute Eurer Kaiserlichen Majestät zu unterstützen, dieweil es mich dünkt, daß ich Allerhöchstdero Macht hierzulande durch solches in hohem Maße mehre, so hinderten mich in diesem Falle die Umstände, etwas für besagte Stadt zu tun. Also erklärte ich den Boten, ich müsse gerade jetzt alle mir entbehrlichen Reiter und Fußknechte nach Tlaskala schicken, um meine Rennschiffe von dort herzuschaffen. Da sie nun wüßten, daß die Indianer von Huexozinko, Churultekal und Huaquechula auch Lehensleute Eurer Kaiserlichen Majestät und unsere guten Freunde wären, und da diese doch ihre Nachbarn seien, so möchten sie sich an selbige wenden und sie in meinem Namen um Hilfe angehen, damit ihre Stadt Schutz hätte, bis Hilfe von mir käme. Auf andere Weise könne ich ihnen im Augenblick weder mit Rat noch Tat dienen. Obgleich ihnen dies nicht so angenehm war, als wenn ich ihnen etliche Hispanier zugeteilt hätte, so sagten sie mir trotzdem ihren Dank, nur baten sie mich, ihnen wenigstens ein Handschreiben mitzugeben, damit man ihnen glaube und sie die erbetene Hilfe sicher erhielten. Freundschaft nämlich bestand zwischen den Leuten von Chalko und ihren genannten Nachbarn nicht.

Während ich dies anordnete, kamen just Boten zu mir aus den Grafschaften Huexozinko und Huaquechula und sagten mir im Beisein der Gesandten aus Chalko, daß ihre Herren von mir keinerlei Kunde hätten, seitdem ich Tlaskala verlassen. Indessen stünden ihre Wachen allezeit auf den Höhen an ihrer Grenze, um Ausschau nach Mexiko und Temixtitan zu halten, und dieweil sie viele Rauchsäulen bemerkt hätten – das herkömmliche Zeichen des Krieges –, so wären sie bereit, mir mit all ihrem Kriegsvolk zu Hilfe zu eilen. In den letzten Tagen sei mehr Rauch denn je zu sehen gewesen. Deshalb kämen sie, zu fragen, wie es um mich stünde. Wenn ich ihrer Hilfe bedürfe, so könne eilends ein Haufen Kriegsvolk kommen.

Ich dankte ihnen und sagte, durch Gottes Gnade ginge es mir und meinen Hispaniern gut, und wir hätten bisher auch allerwegen über unsere Feinde gesiegt. Von ihrem guten Willen zu hören, bereite mir große Freude, zumal in Gegenwart der Leute aus Chalko. Dieweil sie ebenso wie diese Eurer Kaiserlichen Majestät Lehensleute wären, so läge es mir nun am Herzen, alle drei Länder zu Freunden untereinander zu machen. Gerade jetzt hätten die Chalkoaner nachbarliche Hilfe sehr nötig, denn die Mexikaner bedrohten sie mit einem Überfall. Also machten sie miteinander einen Bund, und nachdem sie allesamt zwei Tage bei mir verweilt hatten, zogen sie wohlgemut und zufrieden ihrer Wege und standen fortan einander bei in der Not.

Drei Tage darauf ward mir gemeldet, daß die 13 Rennschiffe fertig waren und daß die Träger bereitstünden. Sofort entsandte ich den Hauptmann Gonzalo von Sandoval mit 15 Reitern und 200 Fußknechten, um die Schiffsteile nach Tezkuko zu geleiten. Zugleich gab ich ihm den Befehl, unterwegs das Dorf Zoltepek der Erde gleichzumachen. Dieser ziemlich große Ort gehörte zum Lande Tezkuko und lag an der Grenze der Gebiete von Tezkuko und Tlaskala. Als ich damals in Temixtitan eingeschlossen war, hatte man mir 5 Reiter und 45 Fußknechte, die auf dem Marsche von Verakruz nach Mexiko waren, in Zoltepek ermordet. In einem der Götzentempel von Tezkuko hatte ich die Häute der fünf Pferde, kunstvoll ausgestopft, und mancherlei andere Dinge aus dem Besitz der Ermordeten als Siegeszeichen vorgefunden.

Der Mord war auf tückische Welse geschehen. Als die Hispanier nämlich auf ihrem Marsche durch Zoltepek kamen, waren sie zuerst ganz freundlich empfangen worden, um sie sicher zu machen und sie dann um so grausamer umzubringen. Als sie eine steile Stelle der Straße abwärts zogen, alle zu Fuß, auch die Reiter, hie ihre Pferde am Zaum führten, da wurden sie plötzlich von beiden Seiten von feindlichen Scharen umringt. Etliche Hispanier fielen, andere wurden gefangen und nach der Stadt Tezkuko geschleppt, wo man ihnen vor den Götzenbildern bei lebendigem Leibe die Herzen herausriß und sie sodann abschlachtete. Eine Spur von dem Vorfall fand der Hauptmann Sandoval in einem Dorfe halbwegs zwischen Zoltepek und Tezkuko. In einem Hause stand nämlich auf einer weißen Wand mit Kohle geschrieben: Allhie hat der unglückliche Ritter Hans Juste gefangen gesessen! – Dies war ein hispanischer Edelmann, einer der fünf Reiter. Die Inschrift rührte jeden zu Tränen, der sie las.

Als der Hauptmann im besagten Dorfe einrückte, besannen sich die Bewohner auf ihre Freveltat und flohen in hellen Haufen. Aber die Reiter, die Fußknechte und die uns befreundeten Indianer setzten ihnen nach, brachten ihrer eine Menge um und fingen viele Weiber und Kinder, die zu Leibeigenen gebrandmarkt und verteilt worden sind. Indessen war Sandoval so gnädig, daß er nicht alles mordete und niederbrannte, wie er dies mit Fug und Recht hätte tun können. Er ließ vielmehr das übriggebliebene Volk im Dorf, wo es noch heutigen Tags wohnt, voller Reue ob der Missetat.

Darnach ist Sandoval weitergezogen. Nach fünf oder sechs Meilen Wegs traf er in einem Dorf im Gebiet von Tlaskala, nahe der Grenze des Reiches Mexiko, den von etlichen Hispaniern geleiteten langen Zug, der die zerlegten 13 Rennschiffe von Tlaskala nach Tezkuko beförderte. Mehr denn 8000 Lastträger schleppten die Holzstücke der Schiffe 18 Meilen über Land. Es war dies ein Schauspiel, gar wunderlich anzuschauen. Der ganze Zug, von Anfang bis zu Ende, war zwei Meilen lang. Die Vorhut bildeten 8 Reiter und 100 hispanische Fußknechte. Zu beiden Selten marschierten zwei Trupps als Deckung zu je 10000 Mann indianischen Kriegsvolks, geführt von zwei tlaskalanlschen Edelleuten. In der Nachhut aber waren 8 Reiter und 100 Hispanier zu Fuß samt abermals 10000 wohlgerüsteten Tlaskalanern, wiederum unter einem Vornehmen des Landes. Außer den Trägern der Schiffsteile waren im Zuge noch 2000 Träger mit Lebensmitteln.

In solcher Ordnung ging der Zug vonstatten und erreichte am vierten Tage die Stadt Tezkuko, der man sich unter Jubelgeschrei und Paukenschlägen näherte. Ich ritt ihm entgegen, um ihn zu empfangen. Der Einmarsch in die Stadt währte in einem fort sechs Stunden. Als alles eingetroffen und auf einem Platz aufmarschiert war, sagte ich den drei tlaskalanischen Edelleuten von Herzen meinen Dank für den guten Dienst, den sie Eurer Kaiserlichen Majestät und mir geleistet hatten. Darnach ließ ich alle Leute in die Quartlere rücken und auf das allerbeste bewirten. Beim Festmahl versicherten mir die indianischen Edelleute, daß sie ein groß Verlangen hätten, sich unter meiner Fahne mit den Mexikanern zu schlagen. Sie, wie alle ihre Leute, wären willens, mit uns Hispaniern zu siegen oder zu sterben. Ich brauche es nur zu befehlen. Ich dankte ihnen abermals auf das beste und sagte, sie sollten sich zunächst zur Ruhe legen. Ihr Begehr solle gar bald gestillt werden.


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