Arthur Schurig
Die Eroberung von Mexiko durch Ferdinand Cortes
Arthur Schurig

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Vorbemerkung

Unsere Kenntnis von diesem Zuge des Eroberers stützt sich auf die Carta Quinta de Cortes (den 5. Bericht an Kaiser Karl V.), niedergeschrieben im Juni oder Juli 1526 zu Mexiko, sodann auf die Schilderung des Bernal Diaz, niedergeschrieben etwa dreißig Jahre später nach dem Gedächtnisse, sowie schließlich auf die folgende Darstellung des Gomara, dem die uns verlorenen Tagebücher des Feldherrn zu Gebote gestanden haben.

Alle späteren Schilderungen von Herrera, Torquemada und anderen sind nur Bearbeitungen der Darstellung des Gomara, kommen also nicht in Frage.

Der Zweck des Zuges ist bereits in der Einleitung (S. 58 ff.) berührt. Cortes wollte den Christoval von Olid, der sich unabhängig gemacht hatte, zur Rechenschaft ziehen. Zugleich aber gedachte er die Siedelungen in Honduras zu fördern und sein Gebiet nach Nikaragua hin zu sichern. Der jenseitige Statthalter Pedrarias von Avila hatte sich schon wiederholt Übergriffe in den Machtbereich des Cortes erlaubt.

Cortes konnte auf drei Wegen nach Triunfo de la Cruz, dem Hafenort von Honduras, gelangen: auf dem Seeweg um Yukatan, sodann auf dem alten Handelsweg über Chiapa und Guatemala, den der inzwischen von Honduras heimkehrende Franz von Las Casas benutzte, und schließlich auf einem anderen Handelswege, der von der Mündung des Tabasko, am Haff von Terminos hin, zwischen dem 19. und 20. Breitengrade quer durch die Halbinsel Yukatan nach der Landschaft Akalan führte. Diesen Weg kannte Cortes aus Berichten von eingeborenen Handelsleuten und aus einer ihm vorgelegten indianischen, ziemlich genauen und ins einzelne gehenden Landkarte. Ihn nahm der Feldherr. Es reizte ihn wie immer das noch Unbekannte. Entscheidend war wohl die Frage der Verpflegung und der rückwärtigen Verbindung. Cortes wählte als Ausgangspunkt seiner Unternehmung die Ansiedelung am Koazakualko. Von da bildete er eine Art Etappenstraße zur See, mit einem Zwischenpunkt in Xikalanko (am Haff von Terminos) nach der Himmelfahrts-Bai (Bay de l'Ascension), von wo aus sich nach Westen und Süden das Land Akalan erstreckte. Die Entfernung von dort bis zum Golfo dolce betrug rund 500 km. Der gesamte Weg von Mexiko über Yukatan bis Nito war ungefähr 2800 km lang, der über Guatemala nur etwa 1800 km. Cortes machte also einen Umweg von 1000 km. Dafür erweiterte er aber seine Kenntnis des Landes ganz beträchtlich.

Der Marschweg im einzelnen ist nicht klar erforscht. Prescott (II, 356 - 372) zum Beispiel irrt sich in seinen Angaben vielfach. Cortes, der am 12. Oktober 1524 von Mexiko aufgebrochen war, ging etwa um die Mitte des Dezember vom Koazakualko über Kopilko (heute Cupilco) und Chilapa bis an den Rio Usumacinta, wo Iztapa lag, etwa 30 km von seiner Mündung entfernt. Nach einigem Aufenthalt daselbst, währenddem Cortes mit seinen Karavellen (in Xikalanko) Verbindung gewann, setzte er den Marsch stromauf fort, etwa bis zu dem heutigen Orte Jonuta. Von dort ist er vermutlich geradenwegs, nicht am Strom, nach Balankan marschiert; dann nordöstlich weiter, in der allgemeinen Richtung auf die Himmelfahrts-Bai. Die Lage von Izansanak ist uns nicht bekannt. Der Ort muß wohl südwestlich von Santa Cruz de Bravo gesucht werden. Hier erreichte den unglücklichen Guatemozin sein Schicksal.

Es sei an dieser Stelle eingefügt, daß Cortes bald nach seiner Rückkehr aus Honduras der Witwe des hingerichteten Fürsten, Doña Isabel, der ältesten Tochter Montezumas, die Stadt Takuba und andere Orte zum Geschenk gemacht hat, wie aus der erhaltenen Schenkungsurkunde vom 27. Juni 1526 hervorgeht. Offenbar war der Eroberer ein Verehrer ihrer Schönheit. Sie hat später den Don Thoan Cano, einen kastilischen Edelmann, geheiratet, der mit Narvaez ins Land gekommen war. (Er ist auch in der Anmerkung 35 erwähnt.)

Der Weitermarsch ging an der Ostküste von Yukatan hin. Die Stadt des Fürsten Kanek ist wohl auf einer Insel im Bacalar-See anzunehmen. Erst unweit von Nito (am Golfo dolce), wo Cortes Ende April 1525 eintraf, erfuhr er das inzwischen an Olid vollzogene Strafgericht. Da der Vorfall so recht den Geist jener Zeit und jener Männer widerspiegelt, sei er in der Darstellung des Bernal Diaz nacherzählt:

Franz von Las Casas war, hinlänglich bevollmächtigt, mit 100 Mann auf fünf Schiffen von Verakruz unter Segel gegangen. Er hatte eine glückliche Fahrt und langte binnen kurzem in der Bai Triunfo de la Cruz an, wo Olids Flotte lag und selbiger eine Siedelung gleichen Namens gegründet hatte. Da er die Friedensflagge aussteckte, wußte Olid nicht recht, was Las Casas eigentlich bei ihm wollte. Gleichwohl glaubte er, auf der Hut sein zu müssen, und befahl, zwei Karavellen mit vieler Mannschaft und reichlichem Geschütz sollten auslaufen und den unbekannten Gästen die Einfahrt verwehren. Wie Las Casas, ein entschlossener und mutiger Mann, diese feindseligen Anstalten sah, ließ er alsogleich seine Boote ins Meer, bemannte sie mit tüchtigen Leuten und war gewillt, die Einfahrt zu erzwingen. Es kam zu einem hitzigen Gefecht, wobei Las Casas eine der beiden Karavellen in den Grund schoß, vier Mann tötete und viele verwundete.

Christoval von Olid merkte, daß die Sache ernst ward. Es kam ihm darauf an, Zeit zu gewinnen, um seine gesamte Streitmacht zu vereinen. Er hatte gerade wenige Tage zuvor zwei Kompagnien gegen einen gewissen Gil Gonzalez von Avila ausrücken lassen, der am Pechin-Fluß Eroberungen zu machen begann. Daher bot er dem Franz von Las Casas Unterhandlungen an. Dieser ging insoweit darauf ein, daß er von der Landung abstand und auf der See blieb. Vermutlich wollte er in einer anderen Bucht landen. Das war aber sein Unglück. Denn in der Nacht erhob sich ein heftiger Nordwind, der in jener Gegend sehr gefährlich ist. Alle seine Schiffe scheiterten, die ganze Ladung ging verloren und 30 Mann ertranken. Die übrigen irrten zwei Tage in Regen und Kälte und ohne Nahrung umher, bis sie allesamt gefangengenommen wurden.

Olid war über diese Wendung höchst erfreut. Jetzt hatte er den Las Casas in seiner Gewalt. Er setzte ihn in Haft und ließ seine Mannschaft auf sich vereiden. Kurz danach trafen auch die beiden Kompagnien wieder ein, die gegen Gil Gonzalez ausgezogen waren. Dieser war Befehlshaber am Golfo dolce und hatte eine Stunde vom Hafen eine Siedelung angelegt, die er San Gil de Buena Vista nannte. Er verfügte nur über geringe Streitkräfte, denn die Indianerstämme am Pechin waren dazumal friedlich. In San Gil wohnten 40 Hispanier, 4 Hispanierinnen und 2 Mulattinnen. Olid hatte diese Siedelung überfallen wollen, aber die Sache war nicht so leicht, wie er sich dies vorgestellt hatte. Die Besatzung verteidigte sich mit allem Nachdruck, wobei acht Mann fielen, darunter ein Vetter des Gonzalez. Gil Gonzalez selbst geriet schließlich in die Hände der Angreifer.

Olid hatte seinen Standort in Nako, das in einer starkbevölkerten Gegend im Lande lag. Von dort aus sandte er Streiftrupps unter der Führung des Briones durch das ganze Gebiet. Das war ein unruhiger Kopf, ein leidenschaftlicher Mann und der eigentliche Urheber von Olids Abfall. Er ist seinem Schicksal nicht entgangen. Er hat später, in Guatemala, wegen Anstiftung zur Meuterei sein Leben am Galgen geendet.

Von einem seiner Streifzüge kam er nicht wieder. Man erfuhr, er wäre mit all seiner Mannschaft nach Mexiko marschiert. In der Tat war dies so. Jetzt schien dem Las Casas und dem Gil Gonzalez die rechte Zeit gekommen, den Olid zu beseitigen. Beide waren zwar Kriegsgefangene, durften sich aber frei bewegen. Olid verließ sich viel zu sehr auf seine persönliche Tapferkeit, als daß er sich vor seinen Gefangenen gefürchtet hätte.

In aller Stille hatten sich die Anhänger des Cortes miteinander verständigt. Auf die Losung: »Für Cortes im Namen des Kaisers nieder mit dem Tyrannen!« wollte man über Olid herfallen und ihn niedermachen.

Alles war auf das beste vorbereitet. Einmal sagte Franz von Las Casas zu Christoval von Olid wie im Scherz: »Herr Obrist, schenkt mir die Freiheit! Ich möchte nach Neu-Hispanien und dem Generalkapitän berichten, warum mein Zug Mißerfolg gehabt hat. Dabei werde ich Euch auswirken, daß Ihr die Statthalterschaft hier und den Oberbefehl in aller Form erhaltet. Was nützt es Euch, wenn ich hier als Gefangener bleibe? Ich bin Euch bloß im Wege.«

Olid gab zur Antwort: »Es bleibt, wie es ist. Im übrigen bin ich froh, einen so trefflichen Herrn wie Euch bei mir zu haben!«

»So denkt wenigstens an die Sicherhett Eurer eigenen Person!« fuhr Las Casas fort. »Es könnte mir eines schönen Tages in den Sinn kommen, Euch den Garaus zu machen.«

Da Las Casas dies lachend sagte, nahm es Olid auch als Scherz auf und blieb sorglos wie zuvor. Bald darauf versammelten sich Las Casas, Gil Gonzalez sowie mehrere Kriegsleute, die Anhänger des Cortes waren, zum Abendessen bei Olid. Die beiden Erstgenannten trugen als Kriegsgefangene keine Waffen, nur große scharfe Messer. Die andere Gesellschaft hatte das Gehänge bereits abgelegt. Eben wollte man sich zu Tisch setzen. Alle standen um Olid herum. Man unterhielt sich von Cortes und seinem Glück als Feldherr. Da faßte Las Casas den Olid, der an nichts Schlimmes dachte, plötzlich beim Barte und stach ihn mit dem Messer in die Kehle. Alsbald stürzten auch die anderen Verschwörer auf den Verwundeten los und stachen alle auf ihn ein. Olid sank zu Boden.

Während sich die Verschwörer nun fröhlich zu Tisch setzten und wohlgelaunt zu schmausen begannen, erhob sich Olid aus seiner Ohnmacht, raffte sich zusammen und lief unter dem Rufe:

»Zu Hilfe Eurem Hauptmann!« nach einem nahen Busch, wo er sich verbarg, bis seine Getreuen herbeikamen. Ein Teil der Mannschaft versammelte sich auch um ihn und wollte ihn verteidigen. Aber Franz von Las Casas rief den Leuten zu: »Im Namen des Kaisers und des Cortes! Nieder mit dem Tyrannen!«

Bei diesen beiden Namen wagte niemand mehr, eine Hand für Olid zu rühren; vielmehr gehorchte man willig, als Las Casas den Befehl gab, den Davongelaufenen einzuholen und gefangen herzubringen. Sehr bald fand man ihn und nahm ihn fest. Es ward ihm in aller Form der Prozeß gemacht, und zufolge des kriegsgerichtlichen Urteils ließen ihm die beiden Hauptleute auf dem Marktplatze den Kopf abschlagen.

Nachdem sie sich so ihres gemeinsamen Feindes entledigt hatten, zogen sie die Truppen zusammen und teilten sich in Frieden und Eintracht in den Oberbefehl. Las Casas gründete die Stadt Truxillo, und Gonzalez sandte Mannschaft nach San Gil de Buena Vista, die sehen sollten, was aus seiner Siedelung geworden sei. Er selbst machte sich auf die Reise nach Mexiko, und Las Casas schloß sich ihm an.


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