Arthur Schurig
Die Eroberung von Mexiko durch Ferdinand Cortes
Arthur Schurig

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II

Vom Heereswesen der Mexikaner

von Franz Xaver Clavigero, gedruckt 1780. (Vgl. S. 43 u. 322 ff.)

Kein Stand ward im alten Mexiko höher geachtet als der Soldatenstand. Der Kriegsgott war der höchste aller Götter und der Schutzherr des ganzen Volkes. Kein Prinz wurde König, der nicht in mehreren Schlachten seinen Mut bewiesen und seine Kenntnisse in der Kriegführung an den Tag gelegt hatte. Er mußte die Stellung eines Oberfeldherrn innegehabt haben. Und kein König ward gekrönt, wenn er nicht mit eigener Hand Gefangene gemacht hatte, die dann zu seinem Krönungsfeste geopfert wurden. Alle mexikanischen Könige haben vor ihrer Thronbesteigung das Heer gefuhrt.

Die Geister der im Felde für das Vaterland Gefallenen waren im Jenseits die allerseligsten. Bei der Hochschätzung des Kriegerstandes war es natürlich, daß die Jugend vor allem zur Tapferkeit und Kriegstüchtigkeit erzogen ward. Dies hat es bewirkt, daß Mexiko aus kleinem Anfang ein mächtiges Königreich geworden ist und seine Herrschaft von den Ufern des Binnensees bis zu den beiden Weltmeeren ausgedehnt hat.

Die höchste Würde im Heere war die des Generals. Ihm waren vier Obristen unterstellt; diesen wieder die Hauptleute, und ihnen die in Kompagnien eingeteilte Mannschaft.

Zur Belohnung kriegerischer Verdienste und zur Anspornung hatten die Mexikaner drei Orden, den Fürsten-Orden, den Adler-Orden und den Tiger-Orden. Die Ritter des Fürsten- Ordens waren die Angesehensten. Sie trugen das Haar oben auf dem Kopf mit einer roten Schnur zusammengebunden, und so viel rühmliche Taten sie vollbracht, so viele Locken aus Baumwolle hingen von diesem Nets hernieder. Der Orden stand in so hohen Ehren, daß die Fürsten und Generäle stolz waren, wenn sie in ihn gelangten. Auch Montezuma gehörte ihm an. Die Ritter des Tiger-Ordens waren daran kenntlich, daß ihr Waffenkleid tigerfellartig aussah. Aber dieses Abzeichen trug man nur im Kriege. Bei Hofe erschienen alle Offiziere in der Uniform ihres Ranges. Wer zum erstenmal ins Feld ging, durfte kein Abzeichen tragen, sondern nur einen Rock aus grobem weißen Zeug. Diese Vorschrift wurde so streng eingehalten, daß sogar die königlichen Prinzen erst Proben ihrer Tapferkeit ablegen mußten, ehe sie den einfachen Feldrock mit einem kostbaren Waffenkleid vertauschen durften. Die Ritter der Kriegsorden, hatten außer den äußerlichen Abzeichen auch das Recht, ein besonderes Gemach im Schlosse zu bewohnen, wenn sie den Nachtdienst darin hatten. Auch war es ihnen vergönnt, goldenes Gerät in ihrem Hause zu benutzen, sowie bessere Stoffe und feinere Schuhe als der gemeine Mann zu tragen. Erst wenn einer befördert wurde, hob sich auch seine Tracht. Soldaten, die durch ihr gutes Verhalten im Gefecht den Mut der anderen neubelebt hatten, trugen besondere Abzeichen.

Die Mexikaner hielten ungemein viel auf alle diese Unterscheidungsmerkmale. Ganz besonders ausgezeichnet war der Feldanzug des Königs. Er trug Halbstiefel mit dünnen goldenen Schuppen, ebensolche Fausthandschuhe, dazu Armspangen, besetzt mit Edelsteinen. An der Unterlippe trug er einen in Gold gefaßten Smaragd oder Türkis und Ohrringe mit ebensolchen Steinen. Die Halskette war aus Gold und Juwelen. Auf dem Kopfe hatte er einen prächtigen Federbusch. Das vornehmste Abzeichen aber der Königswürde war ein Schmuck aus Federn, der den ganzen Rücken hinabging.

Die Waffen der Mexikaner und der anderen Stämme im Wassergau waren verschiedener Art. Zur Abwehr trugen Offiziere wie Gemeine Schilde von mannigfacher Größe und Form. Einige waren ganz rund, andere nur oben abgerundet. Manche waren von Rohr, mit Baumwolle umwunden und mit Federn bedeckt. Die Schilde der Offiziere hatten Goldschuppen. Manche waren auch aus Schildpatt mit Zierat aus Gold, Silber oder Kupfer, je nach Rang und Vermögen. Es gab auch zusammenlegbare, vermutlich aus Fellen und Gummistoff, die man trug, wie bei uns einen Sonnenschirm. In Friedenszeiten wurden vielfach kleinere, mit Federn gezierte Schilde getragen.

Eine weitere Verteidigungswaffe, zumal der Offiziere, war der Koller aus gesteppter Baumwolle, bis zu zwei Finger dick. Solche Koller, die einen Pfeilschuß abhielten, wurden sehr bald auch von den Hispaniern getragen. Diese Art Harnische schützten die Brust. Man hatte noch andere, die auch die Oberarme und Oberschenkel bedeckten. Die Fürsten und die höheren Offiziere trugen Kürasse aus Gold- oder Silberschuppen und Federmäntel darüber. Sie sollen Schutz gegen Pfeilschüsse wie gegen Schwert- und Lanzenstiche gewährt haben. Das Haupt steckten sie mit Vorliebe in den Kopf eines Tigers oder einer Schlange aus Holz oder anderem Stoff, mit weitaufgesperrtem Rachen und großen Zähnen, um recht fürchterlich auszusehen. Alle Offiziere und Edelleute hatten prächtige Federbüsche auf dem Kopf, um größer zu erscheinen. Die Gemeinen gingen nackt, nur mit einem Gürtel um den Unterleib. Statt der Kleidung waren sie am Körper bemalt.

Ihre Waffen zum Angriff waren: Bogen und Pfeile, Steinschleudern, Wurfspieße, Keulen, Piken und Schwerter. Die Bogen waren aus biegsamem Holz, das nicht leicht brach, die Bogensehnen aus Tiersehnen oder aus Hirschhaar. Bei gewissen Stämmen waren die Bogen so groß, daß die Sehne über fünf Fuß lang war. Die Pfeile wurden aus Hartholz hergestellt mit Spitzen aus Tierknochen, Fischgräten oder Stein Obsidian). Im Bogenschießen waren die Mexikaner ungemein geschickt, weil sie von Kindheit an darin ausgebildet und geübt waren. Berühmt ob ihrer Kunst hierin waren die Tehuakaner, die zwei und drei Pfeile zugleich abschössen. Vergiftete Pfeile waren bei keinem Stamme üblich, vermutlich weil man im Gefecht vor allem Gefangene machen wollte, um sie opfern zu können.

Das mexikanische Schwert bestand aus einer Klinge von 3-1/2 Fuß (= l,15 m) Länge und 4 Zoll (= 10 cm) Breite. Die zweiseitige Schneide wurde von festeingefügten, je 3 Zoll (= 7,8 cm) langen Stücken aus geschliffenem Obsidian gebildet. Acosta berichtet, mit solch einem Schwerte sei einmal einem Pferde mit einem einzigen Hiebe der Kopf abgeschlagen worden. Indessen waren nur die ersten Hiebe so fürchterlich, denn die Schneide wurde schnell stumpf. Die Indianer trugen diese Waffe an einer Schlaufe am Arm, um sie in der Hitze des Gefechts nicht zu verlieren.

Die Lanzen und Piken hatten Spitzen aus Obsidian oder aus Kupfer. In gewissen Gegenden hatte man riesige Piken, 48 Fuß (= 5,85 m) lang. Cortes führte solche bei seinem Fußvolk ein, als er eine wirksame Waffe gegen die Reiterei seines Nebenbuhlers Pamfilo Narvaez brauchte. (Vgl. S. 30.)

Die Wurfspieße waren kleinere Piken aus Hartholz mit Spitzen, die im Feuer gehärtet, auch aus Knochen, Obsidian oder Kupfer gefertigt waren. Manche hatten eine dreifache Spitze. Diese Wurfspieße konnten nach dem Abschuß an einer Schnur wieder zurückgezogen werden. Die Hispanier fürchteten diese Waffe, weil die Indianer sie überaus geschickt handhabten und der Schuß den ganzen Körper durchbohrte.

Jeder Soldat war mit einem Schwert, einem Bogen mit Pfeilen, einem Wurfspieß und einer Schleuder ausgerüstet.

Die Mexikaner besaßen auch Feldzeichen und Instrumente zur Feldmusik. Erstere glichen mehr denen der alten Römer als unseren Fahnen. Es waren Stangen von acht bis zehn Fuß (2-3/4 bis 3m) Länge; oben darauf Wappentiere aus Gold, Federwerk und anderem kostbaren Stoff. Das Wappen des Reiches Mexiko war ein Adler, der auf einen Tiger herabschießt. Das Feldzeichen, das Cortes in der Schlacht bei Otumba (vgl. S. 96) erbeutete, war ein Goldnetz, wahrscheinlich das Hoheitszeichen einer der Seestädte. Außer der allgemeinen Fahne hatte jede Kompagnie ihr besonderes Feldzeichen von der Farbe der Kompagnie. Die Kriegsmusik der Mexikaner bestand aus Trommeln, Hörnern und grelltönenden Muscheltrompeten.

Einem Kriege ging oft ein Vergleichsangebot, immer aber die Kriegserklärung voraus. Das letzte Angebot erfolgte durch eine dreifache Gesandtschaft. Einmal forderte man von dem Könige eine bestimmte Genugtuung für die angetane Beleidigung oder Verletzung, unter Androhung der Feindseligkeit. Zweitens wandte man sich an den Adel des betreffenden Volkes mit dem Ersuchen, ihren Herrscher zum Nachgeben zu veranlassen. Und drittens setzte man dem Volke die Gründe zum angedrohten Kriege auseinander. Kam kein Vergleich zustande, so erfolgte die Kriegserklärung. Es galt eines tapferen Volkes für unwürdig, einen Feind unversehens zu überfallen.

Auf dem Marsche zog das Heer in Kompagnie-Schwärmen (zu 400 Mann) unter je einem Führer und einer Fahne. Größere Scharen waren in Regimenter zu je 8000 Mann unter besonderen Führern eingeteilt. Das Gefecht begann unter dem grauenhaften Lärm der Musikinstrumente, unter wildem Geschrei und Pfeifen. Der erste Ansturm ward mit aller Wucht geführt, aber es griffen nicht alle Kompagnien zugleich an, sondern ein Teil blieb für den Notfall zurück. Zuweilen fing die Schlacht an mit einem Fernfeuer von Pfeilen, Schleudersteinen und Wurfspießen. Waren diese verschossen, so begann der Nahkampf mit den Schwertern, Piken und Keulen.

Man hielt vor allem darauf, daß die einzelnen Kompagnien, geschart um ihre Feldzeichen, zusammenblieben. Das Forttragen der Gefallenen und Verwundeten hatten besondere Trupps zu besorgen. Man vermied oder beseitigte alles, was den Mut der Gegner heben konnte. Vom Hinterhalt wurde eifrig Gebrauch gemacht. Es kam häufig vor, daß sich die Indianer im Buschwerk oder in hierzu bereiteten Gräben verbargen, um zu gelegener Zeit unversehens hervorzubrechen. Oft auch wandten sie sich zum Schein zur Flucht, um die Verfolger an gefährliche Orte zu locken oder ihnen mit anderen Truppen in den Rücken zu fallen. Wie bereits gesagt, gingen sie vor allem darauf aus, Gefangene zu machen. Die Tapferkeit eines Soldaten wurde nicht nach der Zahl der Erschlagenen, sondern nach den Gefangenen geschätzt, die er seinem Hauptmann hinterher vorführen konnte. Diese Gewohnheit zeigte sich deutlich im Kampfe mit den Hispaniern, ganz besonders in der Noche triste. Wenn ein Gefangengenommener Miene machte davon zu laufen, zerschnitt man ihm eine Muskel am Fuß, damit er nicht fort konnte. Geriet ein Feldzeichen den Feinden in die Hände, oder fiel der Oberfeldherr, so wandte sich alles zur Flucht, und keine menschliche Macht war alsdann imstande, die weichenden Massen wieder zum Stehen zu bringen.

Nach der Schlacht stellten die Sieger ein großes Freudenfest an. Die Offiziere und Soldaten, die Gefangene eingebracht hatten, bekamen Auszeichnungen. Hatte der König eigenhändig einen Gefangenen gemacht, so beglückwünschten ihn Abgesandte aus allen Teilen des Reiches und brachten ihm Geschenke dar. Der Gefangene erhielt prächtige Kleider und wurde mit Edelsteinen geschmückt. In einer Sänfte führte man ihn unter Musik und allgemeinen Zurufen des Jubels nach der Hauptstadt. Am Opfertage, vor dem der König wie alle anderen Besitzer von Kriegsgefangenen 24 Stunden gefastet hatte, wurde der Kriegsgefangene mit dem Sonnenzeichen geschmückt, zum Opferstein geleitet und vom Hohenpriester abgeschlachtet. Der Kopf ward an einem hohen Orte aufgehangen, die getrocknete Haut aber mit Baumwolle ausgestopft und im Schlosse zum Andenken an die rühmliche Tat aufgestellt.

Vor Belagerungen schickten die Männer ihre Weiber, Kinder und Kranken aus der Stadt in einen Nachbarort oder in das Gebirge, um an den Lebensmitteln zu sparen. Zur Verteidigung eines Platzes hatte man verschiedene Arten von Befestigungen, Wälle mit Brustwehren, Pfahlwerk, Verhaue, Gräben usw. Von der Stadt Huaquechula (vgl. S. 195) weiß man zum Beispiel, daß sie durch eine starke Steinmauer von 20 Fuß (= 6-1/2 m) und 12 Fuß (= 4 m) Stärke befestigt war.

Innenfestungen in den Städten waren die Tempel, insbesondere die Hauptmoschee in ihrer Mitte. Das war gleichsam die Burg der Stadt. Die Mauer um den Tempelhof, die Zeughäuser darin und die ganze Bauart der Heiligtümer lassen deutlich erkennen, daß nicht nur Glaube und Aberglaube die Schöpfer dieser Anlagen waren, sondern ebenso die Staatsmacht, um die Orte beherrschen und verteidigen zu können.


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