Arthur Schurig
Die Eroberung von Mexiko durch Ferdinand Cortes
Arthur Schurig

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Das dreiundzwanzigste Kapitel

In der folgenden Nacht bin ich mit etlichen Hispaniern hinausgezogen. Unversehens überfielen wir die Feinde, gewannen mit Gewalt eine der Gassen und warfen Feuer in mehr denn 300 Häuser. Als die Indianer in Massen herzuliefen, gingen wir durch eine andere Gasse zurück, steckten abermals eine Menge Häuser in Brand und zerstörten etliche Söller zunächst unserer Burg, von wo aus uns viel Schaden angetan worden war.

Dieser nächtliche Ausfall jagte ihnen einige Furcht ein. In der nämlichen Nacht hab ich auch die hölzernen Gerüste wieder instand setzen lassen, die sie uns tags zuvor zertrümmert hatten.

Um nun den Steg auszunutzen, den uns der Herrgott verliehen, bin ich am Morgen abermals dahin ausgezogen, wo sie uns am vergangenen Tage die Gerüste zerstört hatten. Wir fanden nicht weniger Widerstand. Dieweil wir aber um Leib und Ehre fechten mußten und bloß ein einziger Steindamm hinüber zum Lande noch gangbar war, so setzten wir all unseren Mut und all unsre Kraft ein. Es galt, acht große Brücken und die lange Hauptstraße zu gewinnen, die allenthalben durch Mauern, Söller und Türme verteidigt war.

Mit des Allmächtigen Hilfe haben wir denselbigen Tag vier Brücken genommen und alle Türme, Häuser und Söller bis zur vierten Brücke verbrannt, wiewohl die Feinde, gewitzigt durch die Ereignisse der letzten Nacht, quer über die Gassen und an den Brücken Wälle aus Steinen und Ziegeln aufgerichtet hatten, so daß ihnen kein Geschütz noch Armbrust schaden konnte.

Die Gräben an den vier abgebrochenen Brücken haben wir ausgefüllt mit den Ziegeln der Wälle und mit Schutt und Balken aus den verbrannten Häusern. Doch hat dies nicht ohne Verlust können geschehen, und gar mancher Hispanier ist verwundet worden.

In der Nacht dann hab ich großen Fleiß angewandt, die Brücken in unserm Besitz zu erhalten. Den nächsten Tag bin ich früh ausgezogen, und der Himmel hat mir wiederum Glück verliehen. Ein unzählbarer Haufen von Feinden stand an den weiteren Brücken. In der Nacht hatten sie neue Quermauern und Gräben in den Weg gelegt. Auch diese Verschanzungen haben wir genommen und die Gräben zugeschüttet, worauf meine Reiter zur Verfolgung nachsetzten.

Während ich dabei beschäftigt war, die Übergänge an den Brücken auszufüllen und den ebenen Weg herzustellen, bekam ich die eilige Meldung, daß die Indianer, so unsere Burg belagerten, Frieden begehrten und mit mir verhandeln wollten. Einige Hauptleute und Adelige erwarteten mich. Ich ließ all mein Fußvolk an Ort und Stelle, ebenso etliches Geschütz. Mit allen meinen Reisigen aber ritt ich ab, um zu sehen, was diese Herren wollten. Sie erklärten mir, so ich ihnen versichere, sie ungestraft zu lassen, seien sie gewillt, den Kampf wider mich zu enden. Auch wollten sie die Brücken und Steindämme wieder herstellen und Eurer Kaiserlichen Majestät Untertan sein wie zuvor. Dagegen sollte ich einen ihrer Pfaffen freigeben, den ich gefangen hielt und der sozusagen ihren Erzbischof darstellte. Ich tat dies. Dieser Mann kam und schloß den Waffenstillstand zwischen uns ab. Wie er mir sagte, gab man zur Stund den Hauptleuten Befehl, sie sollten von der Bestürmung der Veste abstehen und von jedwedem anderen feindlichen Unternehmen.

Darauf bin ich in die Burg gezogen und hab angefangen, zu Mittag zu essen. Da kam die eilige Meldung, die Indianer hätten alle Brücken wieder genommen, die wir ihnen an jenem Tage hatten abgenommen. Etliche Hispanier seien dabei gefallen. Wie großen Kummer mir selbige Botschaft gebracht, davon ist Gott mein Zeuge. Schon war ich des guten Glaubens gewesen: so die Brücken in meiner Hand wären und mir ein Ausgang an das Land offen stünde, möchten wir sonder Mühe davonkommen.

Eilends stieg ich zu Pferd und ritt dahin, so schnell es mir möglich war, und mit mir etliche Reiter. Ohne irgendwo zu säumen, legte ich den ganzen Weg zurück bis zur vierten Brücke. Sofort machte ich einen neuen Anfall auf die Indianer, eroberte alle Brücken wieder und setzte die Verfolgung bis an das Land fort.

Da mein Fußvolk vom Kampfe müde, von Wunden schwach und voll Furcht vor der gegenwärtigen Gefahr war, so ist mir keiner nachgefolgt.

Auf meinem Rückwege fand ich die vier Brücken abermals allesamt von den Indianern besetzt, und schon waren sie dabei, die Gräben, so ich hatte ausfüllen lassen, wieder auszuschaufeln. Ferner sah ich von der Stadt her gar mächtig viel Volk aus den Gassen und auf dem See in Zillen heraneilen. Von allen Seiten und Orten warf man wider uns mit Geschossen und Steinen. Also wäre es unmöglich gewesen, zu entrinnen, wenn der Allmächtige uns nicht wunderbarlich aus dieser Gefahr errettet hätte. Ja, unter den Hispaniern, so drinnen in der Stadt geblieben, hatte sich bereits das allgemeine Geschrei erhoben, ich wäre zugrunde gegangen.

Als ich war gekommen an die letzte Brücke, die nächste bei der Stadt, da fand ich, daß all die Reiter hinüberwollten, so mit mir geritten, und ein Pferd, darauf niemand saß. Aber keiner kam durch das Volksgedränge. Ich hab müssen einen Einbruch unter die Feinde tun, währenddem gelang es den Reitern, über die Brücke zu kommen. Wie ich nun selber auch hinüber wollte, da brach sie zusammen. Ich bin hinüber gesprungen, und zwar mit großer Gefahr, denn hinab in den Graben wie wieder hinauf hab ich einen mehr denn mannshohen Sprung machen müssen. Als ich dann von der Brücke weitergaloppierte, haben sie mich und mein Pferd mit Knüppeln geschlagen. Dieweil wir aber beide vom Harnisch beschützt waren, konnten sie uns weiter keinen Schaden antun, so sehr wir die Streiche auch verspürten.

So hatten die Indianer den Sieg behalten, dieweil sie vier Brücken wieder genommen hatten. Ich aber hab bei den anderen vieren gute Hut gelassen. Sodann ritt ich wieder in die Burg und gab den Befehl, eine hölzerne Brücke zu zimmern, die von 40 Mann bequemlich getragen werden könne.

Ich bedachte die große Gefahr, in der wir standen, und den großen Schaden, der uns Tag um Tag von unseren Feinden zugefügt ward, und geriet in Sorge, daß auch der letzte Steindamm, so noch vorhanden, könnte zerstört werden, wie die anderen zerstört worden waren. Dann aber war uns der Hungerstod sicher. Dazu mahnten mich meine Leute ohn Unterlaß, ich solle den Abzug aus der Stadt bewirken, dieweil die meisten von ihnen verwundet und nicht mehr kampffähig wären. Da hab ich den Entschluß gefaßt, ihnen in der kommenden Nacht willens zu werden.

Eurer Kaiserlichen Majestät Gold und Kleinode, soviel wir davon konnten wegbringen, ließ ich in Säcke packen und vertraute es etlichen Offizieren und Amtsleuten an, indem ich sie in Allerhöchstdero Namen ermahnte, alles zu tun, diese Schätze mit sich hinaus zu bringen. Dazu gab ich ein Roß, dem man so viel auflud, als es tragen mochte, sowie ein paar Fußknechte und etliches Dienstvolk zur Bedeckung. Das übrige Gold verteilte ich an die Hispanier.

Also haben wir die Burg verlassen mit vielem Gut, so Eurer Kaiserlichen Majestät, mir und anderen Hispaniern gehörte, und sind so still als uns möglich hinaus gezogen. Mit uns geführt haben wir einen von Herrn Montezumas Söhnen und seine drei Töchter, desgleichen Kakama, den Fürsten von Tezkuko, samt seinem Bruder, sowie anderer Grafschaften und Städte Herren, so meine Gefangenen waren.

Als wir nun zu der ersten von den Indianern zerstörten Brücke kamen, setzten wir die Notbrücke auf, die ich hatte machen lassen, ohne besondere Mühe. Niemand leistete uns Widerstand. Nur ein paar Posten, die dort Wache hielten, erhoben derart ein Geschrei, daß, noch ehe wir zur nächsten Brücke kamen, eine große Menge Mexikaner zusammenliefen und sich bemühten, uns von allen Seiten her, zu Wasser und zu Lande, Schaden anzutun.

Mit 5 Reitern und 100 Fußknechten hab ich ohne Aufenthalt die Gräben zwischen den letzten drei Brücken durchschwommen und bin alsbald an das Land gelangt. Dort ließ ich das Fußvolk als Vorhut stehen. Ich selbst eilte zurück zur Nachhut, die ich an der drittletzten Brücke fand, wo sie im heftigen Gefecht war und unsägliche Verluste erlitt. Eine große Anzahl Hispanier waren dabei umgekommen und schier alle Tlaskalaner, so dort in unserem Gefolge hatten gestritten. Auch viele Weiber, die den Hispaniern dienten, lagen tot da. Es waren verloren viele Pferde, alles Gold, Kostbarkeiten, Kleider und eine Menge andrer Dinge, die man hatte wegschaffen wollen. Dazu das gesamte Geschütz.

Was noch am Leben war, raffte ich zusammen und hieß es voranziehen. Mit 5 Reitern und 70 Fußknechten, die bei mir bleiben durften, hab ich den Abmarsch gedeckt. Schritt um Schritt folgten wir, immer im Kampf mit den Feinden, bis wir vor die Stadt Takuba gelangten, die ein Stück vom Ende des Dammes liegt. Gott weiß, was für Müh und Arbeit ich dabei hab ausgestanden! Sooft ich in die Feinde einfiel, ward ich von ihnen mit Pfeilen, Spießen und Steinen von allorts her überschüttet. Denn zu beiden Seiten unseres Marschweges war der See, und die Feinde konnten uns aus ihren Kähnen treffen, ohne selber Schaden zu erleiden. Die aber an das Land gekommen waren und von uns angegriffen wurden, eilten rasch wieder auf das Wasser. So hatten sie geringe Verluste, ausgenommen die, so im Getümmel zu Tod gedrückt und zertreten wurden.

Unter so viel Mühsal und Bedrängnis hab ich die Nachhut bis zu genannter Stadt geführt. Dabei kam niemand mehr um. Nur ein Reiter aus der Nachhut ward verwundet. War auch an der Spitze und nach den Flanken gar ernst gefochten worden, so war der Kampf am allerheftigsten doch im Rücken gewesen, denn immerzu kam frisches Volk aus der Stadt in die Massen unserer Gegner.


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