Arthur Schurig
Die Eroberung von Mexiko durch Ferdinand Cortes
Arthur Schurig

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Das zweiundzwanzigste Kapitel

Am anderen Tage, nach angehörter Messe, hab ich die freudige Botschaft abgesandt nach Verakruz, die Christen lebten noch, auch, daß ich in die Hauptstadt gekommen und darin sicher wäre. Aber der Bote kam innerhalb einer halben Stunde arg verwundet wieder und schrie aus, alle Bürger der Stadt hätten sich zum Krieg erhoben und die Brücken aufgezogen.

Dem Boten lief eine so große Menge Volks nach, daß man vor Menschen die Gassen und Plätze nicht hat sehen können. Ihr Ungestüm und ihr Geheul ist unmöglich zu beschreiben. Und sie warfen eine solche Menge Steine mit Schleudern in unser festes Lager, daß man denken konnte, der Himmel regne solche. Es hagelte so viel Pfeile und Wurfgeschosse, daß sie alles bedeckten und man davor nicht gehen konnte.

Ich machte einen Ausfall wider sie, und sie haben heftig mit uns gestritten. An einer anderen Stelle brach einer meiner Hauptleute mit 200 Mann aus. Vier Mann davon fielen. Er selber und manch anderer sind verwundet worden.

Wir aber brachten von unseren Feinden nur wenige um, denn sie zogen hinter die Brücken und schossen von den Dächern und Söllern mit Steinen herab. Etliche Häuser stürmten wir und legten Feuer hinein. Doch es waren deren so viele, so wohlbewahrt mit so viel Mannen und mit so viel Steinen und anderem Schießvorrat ausgerüstet, daß wir nicht stark genug waren, sie alle zu bestreiten. Ja, wir hatten schon genug zu schaffen, uns vor ihrem Kampfesmut zu behaupten.

Beim Sturm auf unsere Veste ward an mehreren Stellen Feuer in sie gelegt, und etliche Holzbuden sind gar niedergebrannt, ehe wir Hilfe tun konnten. Erst als wir etliche Mauern eingeworfen, ist das Feuer erstickt worden. Und wenn ich nicht einen starken Zugang verordnet hätte, nämlich Armbruster und Büchsenschützen und mit anderer Wehr Gewappnete, so hätten sie uns leicht die Veste abgewonnen. Also haben wir denselbigen Tag bis in die dunkle Nacht gefochten. Und obschon die Nacht anbrach, sind wir dennoch nicht sicher gewesen vor ihrem Geschrei und Getobe.

Bis zum Morgen hab ich viel versorgt, die Bresche wieder zuzumachen und was die Veste sonst bedurfte. Ich habe Stände errichtet, darauf Leute zur Verteidigung aufgestellt. Dann hab ich bestimmt, wer gegen Tag einen Ausfall machen solle. Zu guter Letzt hab ich die Verwundeten verbinden lassen, deren wir über 80 hatten.

Da der Tag anbrach, begannen die Feinde viel heftiger zu stürmen denn tags vordem. Sie griffen in solchen Scharen an, daß die Schützen und Kanoniere nicht zu sorgen brauchten, daß sie fehlschössen, sondern, wenn sie den Haufen der Feinde nur sahen, durften sie schon anzünden. Und wiewohl unser Geschütz ihnen viel Schaden tat – denn wir hatten 13 Stück Geschütze, nicht gerechnet die Hakenbüchsen und Armbrüste –, vermochte man die Wirkung an so großer Menge doch nicht zu verspüren. Denn wenn ein Schuß zehn oder zwölf hinstreckte, waren gleich andere an ihrer Statt. Ich ließ in der Veste eine ziemliche Besatzung und machte einen Ausfall. Hab dabei etliche Brücken genommen, etliche Häuser verbrannt und gar manchen umgebracht, der etwas retten wollte. Obgleich wir eine Menge Feinde erlegten, so ward doch ihre Anzahl nicht viel weniger. Wir mußten den ganzen nächsten Tag immerfort kämpfen, während sie aller Stunden konnten abwechseln, da sie immer reichlich frisch Volk hatten. Am selbigen Tag sind von uns bei 50 oder 60 verwundet worden, wenn auch keiner umkam. Wir haben bis in die Nacht gestritten und sind dann müde zurück in die Veste gewichen.

Die folgende Nacht und den folgenden Tag haben wir mit Arbeit verbracht, haben drei hölzerne Gerüste geschaffen, deren ein jedes 20 Mann konnte fassen, zum Schutze vor den Steinen, so die Feinde von den Dächern warfen. Von denen, die darinnen waren, gebrauchten die einen ihre Büchsen und Armbrüste, die anderen aber eiserne Spitzhämmer, Hacken und Schaufeln, um die Häuser zu erbrechen und die Mauern umzulegen, die quer in den Gassen errichtet waren. Während wir emsig bei der Arbeit waren, haben nichtsdestoweniger die Feinde fortgefahren zu stürmen. Ja, es gelang etlichen, mit uns zusammen gewaltsam in die Veste einzudringen. Damit sie uns die nicht abgewannen, haben wir ihnen großen Widerstand entgegenstellen müssen.

Da bat Herr Montezuma, der samt seinem Sohn und etlichen Edelleuten allweg noch unser Gefangener war, man solle ihn auf den Söller der Burg führen. Er wolle ein Gespräch mit den Führern derer draußen halten und erhoffe, dahin zu verhandeln, daß sie vom Stürmen abließen. Ich befahl, ihn hinaufzubringen. Als er auf dem Erker zu reden begann, ist ihm sein Haupt durch einen Steinwurf verletzt worden. Er empfing eine so gewaltige Wunde, daß er binnen dreier Tage aus dieser Welt verschieden ist. Ich hab lassen den Toten durch zwei Indianer, so ich gefangen hielt, aus der Veste hinaus zu den Seinen tragen. Doch was mit ihm weiter geschehen, wissen wir nicht. Das Stürmen aber hörte darum nicht auf, sondern nahm von Tag zu Tag immer mehr zuDen Tod des Königs schildert Bernal Diaz wie folgt: In der Not kam Cortes auf den Gedanken, Montezuma solle den Feind vom Söller herab anreden und die Einstellung der Feindseligkeiten anbefehlen. Als man dies Ansinnen dem König mitteilte, soll er tiefbewegt ausgerufen haben: »Warum wendet sich der General an mich, an mich, der ich nichts mehr von ihm und nichts mehr vom Leben wissen will? Er hat mir allzuviel leid zugefügt.« Er weigerte sich, das Verlangte zu tun, und blieb bei dieser Ablehnung, indem er immer wiedersagte, er glaube an nichts mehr. Da gingen schließlich Pater Olmedo und Christoval von Olid zu ihm und redeten ihm herzlich zu. »Es ist zu spät zu derlei Versuchen«, entgegnete Montezuma. »Ich weiß, die Mexikaner hören nicht mehr auf mich. Sie haben einen anderen Herrscher und sind festgewillt, euch alle zu vernichten. Und ich glaube, diese Stadt wird euer Grab werden!« Aber zu guter Letzt ließ er sich doch erbitten. Unter starker hispanischer Bedeckung trat er an die Brüstung des Söllers und begann zu seinem Volke zu reden, Man solle die Feindseligkeiten einstellen, da die Hispanier bereit seien, die Stadt zu verlassen. Alsbald ward er von denen draußen erkannt. Die feindlichen Offiziere geboten Ruhe. Das Schießen und Werfen hörte auf. Unsere Leute hatten den König bis dahin mit lhren Schilden sorglich geschützt. Als aber nicht mehr geschossen wurde, ließen sie in ihrer Achtsamkeit etwas nach. Und unglücklicherweise brachen die Feindseligkeiten sofort von neuem los. Ehe man sichs versah, war Montezuma durch drei Steinwürfe und einen Pfeilschuß am Kopf, Arm und Bein getroffen. Der unglückliche Fürst mußte in sein Gemach zurückgebracht werden. Man wollte ihn unverzüglich verbinden und bot ihm eine Stärkung an. Allein er wies alles zurück, und so kam sehr bald die unerwartete Kunde, daß er verschieden war. Cortes, seine Offiziere und wir Soldaten alle weinten um den Toten, als ob wir den Vater verloren hätten. Sogar der Pater Olmedo, der ihn keinen Augenblick verlassen hatte und obgleich es ihm nicht gelungen war, den Sterbenden zum Christentume zu bekehren, vermochte sich kaum zu fassen..

Eben am selbigen Tage haben sie mich aufgefordert, auf den Erker zu kommen, wo Herr Montezuma verwundet war worden. Sie sagten, etliche ihrer Führer wollten mit mir ein Gespräch halten. Ich hab ihrem Begehren stattgegeben, und also haben wir ein lang Gespräch gehabt. Ich hab sie gefragt, warum sie uns stürmten. Sie hätten doch keine Ursache. Sie sollten bedenken, was sie Gutes von mir empfangen und wie freundlich ich mich bisher zu ihnen verhalten. Sie antworteten, sofern ich würde das Land räumen, werde das Stürmen ein Ende nehmen. Im anderen Falle solle ich für gewiß halten, daß sie gesonnen seien, entweder selber alle umzukommen oder uns allen den Garaus zu machen. Wie es sich nachher befunden, haben sie dies nur geredet, um uns aus der Burg zu locken und dann im Wege zwischen den Brücken über uns herzufallen. Ich hab ihnen geantwortet, sie sollten nicht denken, daß ich aus Furcht Frieden begehrte, sondern vielmehr, dieweil es mich dauere, ihnen so viel Schaden zufügen zu müssen und dazu gebracht zu sein, eine so herrliche Stadt zu verheeren. Sie gaben mir abermals die vorige Antwort.

Unter den besagten hölzernen Gerüsten machten wir jählings einen neuen Ausfall, um ihnen etliche Söller und Brücken abzugewinnen. An die Spitze stellte ich einige Indianer, danach vier Büchsenschützen, die Armbruster und die mit Schilden Bewaffneten, ferner 300 Indianer, die mit uns aus Tlaskala gezogen waren und uns dienten. Als wir zu einer Brücke kamen, haben wir die Gerüste unter etliche Söller gerückt und Leitern aufgestellt, die wir zum Ersteigen mitgebracht. So viel Volks aber war auf den Söllern und Brücken, und so endlos, schwer und stark waren die Steine, die mit aller Gewalt auf uns geworfen wurden, daß unsere Gerüste zusammenbrachen. Ein Hispanier ward umgebracht und viele verwundet. Und obgleich wir uns gar wacker wehrten, haben wir doch kein Ende sehen können. Wir kämpften von frühmorgens bis Mittag. Dann machten wir uns traurig auf den Rückweg. Dies stärkte den Feinden das Herz. Sie drangen uns bis an das Tor unserer Veste nach und besetzten die große Moschee. Auf die Plattform der Pyramide stiegen alsbald 500 ihrer Vornehmsten, wobei sie sich mit Brot, Wasser und allerhand Eßwaren versahen. Sonderlich schafften sie hinauf einen großen Haufen Steine. Zumeist waren sie mit langen Spießen ausgerüstet, mit Spitzen aus Kieselstein, die länger waren als die unseren und ebenso scharf. Von selbigem Turm taten sie uns großen Schaden, da er nah unserer Burg war.

Diesen Bau haben wir zwei- oder dreimal ohne Furcht gestürmt. Obwohl die Hispanier tapferen Anlauf nahmen, gelang es ihnen nicht hinaufzukommen, dieweil die mehr denn hundert Stufen nicht leicht zu ersteigen waren. Die breite Treppe ging viermal um die ganze Pyramide herum, und die droben waren, hatten reichlich Steine und andere Wurfgeschosse. Auch saßen sie herzhafter denn die Stürmenden, dieweil sie immer die höheren Söller innehatten. So geschah es, daß kein Hispanier konnte hinaufkommen, der nicht kopfüber wieder hinabgestürzt ward. Überdies empfingen viele der Unsrigen Wunden. Obendrein, die solches von weitem sahen, denen stieg der Mut dermaßen, daß sie ohne Furcht einen Angriff auf unsere Burg machten.

Ich erkannte, daß wir keinen Vorteil konnten gewinnen, solange der Gegner den Turm innehatte, daß vielmehr mit unserem Schaden ihr Mut mehr und mehr wuchs. Darum hab ich abermals einen Ausfall getan, obgleich mir die linke Hand wegen der tags zuvor erhaltenen Wunde nicht viel nütze war. Ich band mir an den Arm eine Tartsche und drang mit etlichen Hispaniern von neuem bis an die Pyramide vor, die ich von allen Seiten umstellen ließ. Es gelang uns. Freilich, die damit Betrauten hatten keine Ruh, sondern der Feind griff sie an allen Orten an, um denen im Turm Hilfe zu leisten. Wir indes kamen an die Stiegen und fingen an hinaufzudringen, wiewohl die Verteidiger den Aufgang mit allen Kräften schützten. Aber nur drei oder vier Hispanier fielen, da über uns die heilige Mutter Gottes waltete, der wir den Turm geweiht haben. Ihr Bildnis war ehedem oben in der einen Kapelle aufgemacht. So sind wir hinaufgekommen, und oben auf der breiten Plattform haben wir heftig gestritten. Wer von den Feinden nicht niedergestochen ward, den drängten wir über den Rand hinaus, so daß er hinabspringen mußte auf den nächsten Söller, deren drei um den Turm herumliefen, jeder drei Mannshöhen vom anderen. Etliche aber stürzten die ganze Höhe hinunter bis auf das Pflaster zu Fuße der großen Pyramide, wo sie außer dem, was ihnen im Falle widerfuhr, von den Hispaniern erwürgt wurden.

Die, so auf den Söllern blieben, wehrten sich gewaltig, so daß wir drei Stunden zu schaffen hatten, bis wir sie alle umbrachten. Von ihnen ist keiner übrig geblieben. Eure Kaiserliche Majestät kann meinen Worten wohl glauben: es ist ein arg mühselig Ding gewesen, diesen Turm zu erstürmen. Wenn Gott unseren Feinden nicht hätte Kraft und Mut gebrochen, so hätten ihrer 20 den Bau gegen 1000 Hispanier wohl können halten, und wenn sich diese zu Tode gemüht hätten.

Die Tempel auf der großen Pyramide und die Priesterhäuser um selbige herum hab ich lassen in Brand stecken. Die heiligen Bilder, die wir darein gehangen, hatten die Indianer vordem hinweggenommen.

Nach dem Verluste des Turms sind sie etwas verzagter geworden, so daß sie jetzt an vielen Orten nachließen. Da bin ich wiederum auf den Erker gestiegen und hab die feindlichen Hauptleute, so mich unlängst angeredet hatten, zu ebendem aufgefordert. Als sie mich sahen, kamen sie hervor. Ich hab ihnen vorgehalten, daß sie mir keinen Widerstand auf die Dauer leisten könnten, daß wir ihnen täglich merklichen Schaden zufügten, viele der Ihren töteten und ihre herrliche Stadt gar jämmerlich verheerten und zerstörten. Wir würden auch nicht nachlassen, solange von ihr und von ihnen noch etwas übrig wäre. Sie antworteten, sie sähen den Schaden wohl, den wir ihnen zufügten, und wieviele von den Ihren umkämen, doch hätten sie sich fest vorgenommen, auszuhalten. Ich solle mich umschaun: alle Plätze, Gassen und Dächer seien noch voller Mannen. Sie hätten die Rechnung gemacht: wenn auch 20000 Tote auf einen einzigen von uns kämen, so müßten sie doch am Ende siegen und uns vernichten. Denn wir wären unsrer wenig an der Zahl, sie aber zahllos. Dazu vermeldeten sie mir, daß sie die Steindämme von der Stadt zum Lande hätten zerstört. (Dem war auch so; sie hatten alle Dämme durchbrochen bis auf einen.) Es bliebe mir nur der Weg über das Wasser. Obendrein wüßten sie gut, daß wir mit Lebensmitteln und Trinkwasser nicht wohl versehen seien. Deshalb könnten wir ihnen nicht lange Widerstand leisten. Wir müßten des Hungers sterben, wenn wir nicht schon vorher fielen.

Damit sagten sie in der Tat die Wahrheit, denn hätten wir keinen anderen Belagerer gehabt als Hunger und Mangel an Nahrung, so wäre dies allein schon unser sicherer Tod gewesen.

Das Gespräch währte lange. Wir zankten hin und her, und ein jeder strich seine Sache herfür.


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