Arthur Schurig
Die Eroberung von Mexiko durch Ferdinand Cortes
Arthur Schurig

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Das sechzehnte Kapitel

Eure Kaiserliche Majestät von mancherlei großartigen und wunderbaren Dingen in der Hauptstadt Temixtitan, von der Herrschaft des Herrn Montezuma und seinem Hofstaat, ferner von den Bräuchen und Gewohnheiten der Bürger, von der Ordnung und Obrigkeit in dieser und anderen Städten, die dem Herrn Montezuma untertänig sind, zu verständigen, das erheischt viel Zeit und eine Person, die solches zu schildern geübt wäre. Ich bin nicht imstand, den tausendsten Teil zu erzählen. Dennoch will ich von dem, was ich gesehen, so gut ich kann, etliches berichten. Und obschon ich dies in ungezierter Rede vorbringe, so wird es doch viel Verwunderung erregen und wohl gar unglaubhaft erscheinen. Ich, der ich es mit leiblichen Augen gesehen habe, kann es doch selber mit dem Verstand kaum begreifen. Eure Kaiserliche Majestät möge aber gewiß sein, daß ich eher zu gering denn zu prächtig von diesen Dingen rede. Denn es dünkt mich billig zu sein, alles, was ich meinem Herrn und Kaiser erzähle, ohn alles Von- und Zutun, ohn alles Aufmutzen, allein in der reinen Wahrheit zu berichten. Doch eh ich von der Hauptstadt zu erzählen anfange, halte ich es für gut, damit alles desto baß verstanden werden kann, etliches zu sagen vom Reiche Mexiko, darin die genannte große Stadt liegt.

Dieses Land ist rings mit hohen, von Schluchten durchschnittenen Gebirgen umgeben, zwischen denen sich eine Ebene breitet, im Zirkel 70 Meilen weit. In selbiger liegen zwei Seen, die schier das ganze Tal einnehmen, denn sie haben einen Umkreis von 50 Meilen. In dem einen See ist Süßwasser, in dem anderen, dem größeren, aber Salzwasser. Beide sind sie durch eine Hügelkette voneinander getrennt. Ihr Wasser vermischt sich nur in einem schmalen Lauf, der zwischen niederen Höhen auf der einen und hohem Gebirg auf der anderen Seite hinführt. Die vielen Städte und Dörfer an und in den beiden Seen treiben ihren Handel miteinander lediglich auf dem Wasser, ohne die Landwege zu benutzen.

Die große und reiche Hauptstadt, Temixtitan geheißen, liegt mitten im großen Salzsee. Sie ist so groß wie Sevilla oder Cordova. Vom Lande zu den Haupttoren der Stadt führen vier Steindämme, deren jeder zwei spanische Lanzenlängen breit ist. Von welcher Seite vom Ufer man auf ihnen auch kommen mag, immer braucht man vom Lande zur Stadt zwei Stunden. Die Hauptstraßen der Stadt sind sehr breit, dabei schnurgerade wie auch alle übrigen Gassen. Viele andere aber sind eng. Durch die meisten laufen neben den Fuß- und Fahrwegen noch Wasserwege, auf denen Kähne gehen, so daß man fast von jeder Gasse auf dem Wasser in jede andere gelangen kann. Etliche der Läufe sind gar breit, und viele schmucke und wohlgebaute Brücken aus Holz führen über sie, die oft so breit sind, daß zehn Reiter nebeneinander hinüberreiten können.

Auf den ersten Blick bei meinem Einzug in die Stadt erkannte ich, daß man nur braucht alle Brücken um unser Quartier herum abzubrechen, um uns auszuhungern und zu vernichten. Um mir also den Auszug zu sichern, hab ich sogleich in den ersten Tagen vier Rennschiffe bauen lassen, so daß ich mit ihnen allezeit 300 Mann samt Roß und Reitern ans Land bringen konnte.

Die Stadt hat viele Plätze, auf denen immerfort Markt von Lebensmitteln und allerlei Dingen ist. Der Hauptplatz in der Mitte der Stadt, doppelt so groß wie der von Salamanka, ist rings von Säulenhallen umgeben. Tag um Tag kommen hier 60000 Menschen zusammen, um zu kaufen und zu verkaufen. Man findet dort alle möglichen Waren aus allen Gegenden des Reiches zur Nahrung und Bekleidung, dazu Gegenstände von Gold, Silber, Kupfer, Messing, Blei, edlem Gestein, Leder, Bein, Muscheln, Korallen, Baumwolle und Federn. Auch bietet man daselbst feil geglättete und ungeglättete Steine, gebrannte und ungebrannte Ziegel, Kalksteine, gehobelte und ungehobelte Balken und Bretter sowie Holz in jedweder Gestalt. An einem besonderen Platz verkauft man allerhand Vögel: Truthühner, Feldhühner, Wachteln, wilde Enten, Krammetsvögel, Wasserhühner, Turteltauben, Holztauben, Spatzen, Rohrvögel, Sittiche, kleine Weihen, Habichte, Falken, Adler und andere mehr; von etlichen Raubvögeln auch nur Federn, Köpfe, Schnäbel und Klauen. Ferner findet man Kaninchen, Hasen, Hirsche und verschnittene kleine gemästete Hunde, die man hierzulande mit Vergnügen verspeist. An einem andern Platze verkauft man alle Arten von Kräutern zu Heilmitteln und Salben. Es gibt Arzneigewölbe und Barbierstuben, sodann Läden, wo man Wein, Kuchen oder anderes zu essen und zu trinken kaufen kann. Ganz wie in Hispanien findet man für Geld Träger und Boten, so daß man das, was man gekauft hat, von der Stelle in die Häuser tragen lassen kann. Auch Holzkohlen, irdene Kohlenpfannen sind feil, ferner allerlei Matten, Decken und Teppiche, feinere Hölzer für den Hausrat und zum Schmucke der Wände.

Auch kann man kaufen allerhand Gemüse, Salate, Zwiebeln, Knoblauch, Nieswurz, Artischocken, Brunnenkresse usw., ferner allerlei Obst, auch Kirschen, Pflaumen, Apfel, Trauben, daneben seltsame Früchte, die nur hierzulande wachsen. Man verkauft auch Bienenhonig und Wachs, Sirup aus Maisstauden, ferner den süßen Saft der Agave, der besser schmeckt als Most. Aus dieser Pflanze bereitet man Zucker und auch Wein. Baumwollengarn in Gebinden ist in allen Farben zu haben, ganz wie die Seide auf dem Markt in Granada; nur ist mehr von allem da. Des weiteren findet man Malerfarben in allen Tönen, darunter so glänzende, wie sie nirgends besser gemacht werden können; gegerbte Wildhäute mit und ohne Haar, weiß oder gefärbt; allerlei Töpferwaren, Krüge, Töpfe, Pfannen, auch Fliesen, meistens gut überglast und bemalt.

Der Mais wird in Körnern und auch in Broten feilgeboten. Geflügel und Fische gibt es roh, gekocht oder eingesalzen. Eier von Hühnern, Enten und anderen Vögeln findet man in großen Mengen. Kurzum, man bekommt auf den Märkten von Temixtitan alles, was nur irgendwo wächst, und in solchen Mengen und so vorzüglich wie nirgends. Die verschiedenen Waren dürfen nur an den dafür bestimmten Plätzen verkauft werden, worauf streng gehalten wird. Durchweg verkauft man nach der Stückzahl oder nach Maß, nirgends nach Gewicht.

Auf dem Hauptmarkte steht ein Gerichtshaus, in dem immerdar zehn bis zwölf Richter ihres Amtes walten und alle Marktstreitereien entscheiden. Sie haben auch Strafgewalt. Ferner gehen beständig Aufseher herum und prüfen die Maße der Verkäufer. Ich habe öfters gesehen, daß falsche Maße von ihnen genommen und zerbrochen worden sind.

Temixtitan hat viele schöne Paläste, und dies darum, weil alle Edelleute des Landes, die Herrn Montezuma untertänig sind, eigene Häuser in der Hauptstadt besitzen und einen Teil des Jahres daselbst wohnen. Dazu haben viele reiche Bürger sehr schöne, prächtige und große Häuser, mit herrlichen Blumengärten auf ebener Erde und auf den flachen Dächern.

Die Stadt hat auf einer nahen Höhe des Festlandes ein Wasserwerk und eine Wasserleitung. In einem der langen Steindämme, die vom Festlande zur Stadt führen, laufen zwei mannsdicke Wassergänge. In dem einen fließt gar wohlschmeckendes Trinkwasser, der andere wird nur benutzt, wenn der erste gereinigt wird. Man verkauft das Wasser in allen Gassen auf Kähnen. Die Händler holen es sich, indem sie unter eine der vielen Brücken fahren, über die auch die Wasserleitung geht, und dort das Wasser in den Kahn schöpfen oder hineinlaufen lassen.

An den Eingängen der Stadt und an den Plätzen, wo die Schiffe ausgeladen werden, also an allen Stellen, wo Lebensmittel und Waren in die Stadt gelangen, stehen kleine Häuser, in denen Zollwächter sitzen, die auf alle Einfuhr eine gewisse Abgabe erheben, wie ich vermute für den König oder für die Stadt.

Auf allen Plätzen und Märkten der Stadt sind täglich Handwerker und Arbeitsleute aller Art zu finden, die daraufwarten, daß man sie zu Tagelohn dinge.

Die Temixtitaner haben artigere Sitten und besser Aussehen als die Einwohner andrer Städte. Dieweil Herr Montezuma und, wie schon gesagt, alle Edelleute des Landes ständig in der Hauptstadt wohnen, herrscht strenge Zucht. Im allgemeinen geht der Verkehr im Volke in derselben Art vonstatten wie in Hispanien. Und wenn man bedenkt, daß die Mexikaner Barbaren sind, nichts von Gott und dem Christenglauben wissen und fern der gebildeten Welt hausen, so ist es wunderbarlich, daß sie in allen Dingen so trefflich Ordnung halten.


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