Arthur Schurig
Die Eroberung von Mexiko durch Ferdinand Cortes
Arthur Schurig

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Das sechzehnte Kapitel

In dieser ganzen Zeit hatten die Städte am Süßwassersee – Iztapalapan, Huizlopochko, Mexikalzinko, Kolhuakan,Mizkiz und Kuitlahuak – zwar nicht Freundschaft mit uns gemacht, uns aber auch keinen Schaden angetan. Dieweil nun die Chalkoaner treue Bundesgenossen Eurer Kaiserlichen Majestät blieben, so begannen sie zusammen mit etlichen Städten am See Streifzüge wider die genannten Orte im See zu machen, und fügten ihnen manchen Nachteil zu. Und als diese erfuhren, daß wir Sturm auf Sturm wider die Hauptstadt wagten und mehr und mehr den Sieg errangen, sowie auch wegen der Verluste, die ihnen die Chalkoaner angetan, kamen Abgesandte aus den besagten Städten in mein Hauptquartier und baten mich demütiglich, ich möge ihnen ihre früheren Missetaten verzeihen und den Chalkoanern anbefehlen, ihnen nicht mehr Schaden zuzufügen. Ich hab ihnen geantwortet, ihr Angebot gefiele mir und ich hätte keinen Groll gegen irgendwelche Indianer außer gegen die Temixtitaner. Damit ich aber einen Beweis sähe, daß ihr Angebot von Herzen käme und mir die verheißene Freundschaft wirklich nützlich und wert wäre, so bäte ich sie um ihre Zillen und ihr Kriegsvolk. Zillen besaßen sie in großer Anzahl. Dieweil die Hispanier keine oder nur wenig gedeckte Unterkunft hatten und es Regenwetter war, so ersuchte ich die Gesandten des weiteren, die Chalkoaner sollten uns im Hofe unseres Hauptquartiers Baracken erbauen und dazu Holz und Ziegel herbeischaffen.

Alsbald fuhren sie eine Menge Zillen heran und vermeldeten mir, ihr Kriegsvolk stehe für mich bereit. Ich brauche nur den Tag des Anmarsches zu befehlen. Den Bau der Schuppen aber begannen sie mit aller Emsigkeit. Wir errichteten sie in zwei Reihen entlang den Wallmauern. Eure Kaiserliche Majestät können daraus die Breite des Platzes ermessen, der auf dem Grunde des Sees aufgebaut war. Es verblieb nämlich in der Mitte zwischen den beiden Reihen der Baracken immer noch ein breiter Weg, auf dem die Reiter und Fußknechte bequem hin und her marschieren konnten. Von der ersten bis zur letzten Baracke war es mehr denn vier Bogenschuß weit. In diesem Lager hausten nun alle meine Hispanier und über 2000 uns verbündete Indianer. Unsere übrigen Indianer lagen in Kojohuakan, anderthalb Meile entfernt. Aus dieser Stadt erhielten wir auch beträchtliche Lebensmittel, deren wir sehr bedurften. Insbesondere bekamen wir Fische und Kirschen, welch letztere am See in reichlicher Menge während fünf oder sechs Monaten des Jahres reifen.

Als wir drei Tage hintereinander, ungerechnet die früheren, den Sturm auf die Stadt wiederholthatten, sowohl von meinem Hauptquartier wie auch von den anderen beiden Standorten aus, wobei wir jedesmal Erfolg hatten und mit unseren Geschützen, Büchsen und Armbrüsten eine Menge Feinde erlegten, da verhofften wir von Stunde zu Stunde, daß die Temixtitaner um Frieden bäten. Mir hätten von Herzen gern mit ihnen verhandelt, da dies unser eigener Nutzen gewesen wäre. Indessen hatten wir es noch nicht so weit gebracht. Um ihnen noch größeren Schaden zuzufügen und sie dadurch zum Frieden zu zwingen, entschloß ich mich, den Sturm weiterhin täglich mit all meinem Kriegsvolk von vier Seiten her zu machen.

Ich entbot aus den eben genannten Städten am Süßwassersee die mir angebotenen Hilfsvölker zu mir, so daß am nächsten Morgen mehr als 100 000 IndianerEine übertriebene Zahlenangabe! Die Anwesenheit von solch fabelhaften Hilfstruppen ist schon der Verpflegung wegen unmöglich. vor meinem Hauptquartier bereit standen. Darauf ordnete ich an, daß vier von meinen Rennschiffen sowie 1500 indianische Zillen einen Angriff auf die Hauptstadt von Südosten her machen sollten und daß zu gleicher Zeit die übrigen drei Brigantinen samt den übrigen 1500 indianischen Zillen von Nordosten her angriffen. Alle diese Schiffe sollten der Stadt in der Runde so viel Schaden zufügen und ihr so viel Häuser niederbrennen, als sie nur könnten. Währenddem rückte ich auf dem Dammweg vor und fand ihn diesmal frei von Hindernissen bis zu dem großen Markt. Von da drang ich in die Straße ein, die auf Takuba zuführt, woselbst sechs bis sieben abgerissene Brücken den Vormarsch hinderten. Ich entsandte einen Hauptmann mit 70 Fußknechten und 7 Reitern, damit er eine Nebenstraße erobere. Ihnen folgten an die 12000 von unseren Indianern. Desgleichen befahl ich einem anderen Hauptmann, daß er eine dritte Gasse einnehme. Ich selbst rückte in der Takubaner Straße weiter vor, erstürmte drei Brücken und ließ ihre Gräben sofort ausfüllen. Die übrigen Brücken mußten wir lassen, dieweil es schon spät geworden war. Mein Ziel freilich war, baldigst in den Besitz der ganzen Straße nach Takuba zu gelangen, um die Verbindung mit den Truppen des Peter von Alvarado zu erringen. Also hatten wir auch an diesem Tage Erfolg zu Wasser und zu Lande, ebenso meine Obristen Alvarado und Sandoval von ihren Standorten aus. Hierbei ward etliche Beute gemacht.

Am nächsten Tage rückte ich wiederum gegen die Stadt, in derselben Ordnung wie tags zuvor, und der Allmächtige verlieh uns so viel Glück, daß wir die Feinde ohne Widerstand zurück drängten und wir beinahe drei Viertel der Stadt einnahmen. Auch Peter von Alvarado setzte den Feinden gewaltig zu.

Deshalb erhoffte ich noch mehr als am vorigen Tage, daß die Temixtitaner um Frieden bitten möchten. So zufrieden wir damit gewesen wären, so ersahen wir doch davon immer noch kein Zeichen. Und so zogen wir am Abend in unser Quartier zurück, traurig, dieweil sich die Feinde offenbar vorgenommen hatten, eher zu sterben denn sich uns zu ergeben.

In den letzten Tagen hatte Peter von Alvarado von Takuba aus etliche Brücken des dortigen Steindammes erobert. Um sie zu behaupten, ließ er sie auch in der Nacht von Reitern und Fußknechten besetzt, während der größere Teil seines Kriegsvolkes jeden Abend in das Standquartier zurückging, das dreiviertel Meile landeinwärts war. Da ihm dies aber zu umständlich war, so beschloß er, sein Lager nach dem Ende des Steindammes zu verlegen, der bis auf den Hauptmarkt inmitten der Stadt führte. Um dahin zu gelangen, mußten aber noch zwei oder drei breite und stark befestigte Gräben an ehemaligen Brücken erobert werden. Um diese kämpfte Alvarado nunmehr.

An dem Tage, von dem ich eben erzählt habe, nahm er wahr, daß der Widerstand der Feinde dort, wo er vorrückte, ziemlich matt war. Dies hatte seinen Grund darin, daß die Temixtitaner dort, wo ich focht, alles aufboten, mich wieder aus der Stadt zu drängen. Nachdem er bereits zwei Gräben und Schanzen erobert hatte, entschloß er sich, eine dritte Brückenstelle einzunehmen. Daselbst war im Steindamm eine große Lücke aufgerissen worden, 60 Schritte breit und anderthalb Mannslänge tief, ganz voller Wasser. Bei dem Angriff darauf standen die Rennschiffe brav bei. Das Fußvolk schwamm durch das Wasser, erstürmte den jeweiligen Wall und verfolgte die fliehenden Feinde, Peter von Alvarado begann sofort den Graben zuzuschütten, damit auch seine Reiter hinüberkommen könnten, denn ich hatte schriftlich und mündlich immer wieder ermahnt, jeden Fuß Landes, den man gewönne, zur Stunde für die Reiter gangbar zu machen. Die Reiter nämlich gaben den Ausschlag in diesem Feldzuge.

Als die Temixtitaner erkannten, daß nicht mehr als 40, höchstens 50 Hispanier, sowie etliche von unseren Indianern, über den Graben gekommen waren und noch gar keine Reiter, da drangen sie plötzlich von neuem wider uns an, brachten die Hinübergekommenen ins Wanken und trieben sie in den Graben zurück. Hierbei fingen sie vier Hispanier, die sie eilends wegschleppten, um sie ihren Götzen zu opfern. Auch stachen sie eine Menge von unseren Indianern nieder. Obrist Alvarado zog sich schließlich in sein Lager zurück.

Als ich am Abend Meldung von diesem Geschehnis erhielt, ward ich gar verstimmt, dieweil ich voraussah, daß die Feinde nun neuen Mut bekommen hatten und unsere Angriffe fortan zurückzuschlagen erhofften.

Wie schon vermeldet, hatte Peter von Alvarado den letzten Angriff gemacht, in der Meinung, der Feind wäre matt und furchtsam, vor allem aber, dieweil sein Kriegsvolk mit Bitten nicht nachgelassen hatte, er möge bis auf den großen Markt vordringen. Wenn dieser genommen, hätte man die ganze Stadt erobert. Die Leute des Alvarado wußten nämlich, daß auch ich mit meinen Truppen den großen Platz zu erringen eifrig bemüht war, und so fürchteten sie, ich möchte diesen Ort früher erstürmen denn sie. Deshalb trieben sie ihren Obristen eifrig an. Das gleiche geschah bei mir, denn auch die Meinen wollten die ersten auf dem großen Platze sein. Ich aber schlug ihnen unter allerlei Vorwänden ihr Bitten ab, ohne ihnen den wahren Grund zu entdecken. Ich hielt ein weiteres Vordringen vorderhand für allzu gefährlich, denn bis zu dem großen Platze waren mir, abgesehen von den Brücken und Wällen, ganz besonders die Söller gefährlich. Jedes Haus war gleichsam eine Insel mitten im Wasser.

Auf die Meldung von der Niederlage des Peter von Alvarado entschloß ich mich, des anderen Tages in der Morgenfrühe hinüber in sein Lager zu reiten, um mich mit eigenen Augen über den Stand der Dinge bei ihm zu unterrichten, ihm Vorhaltungen zu machen und mit ihm zu beraten, was zu seiner Sicherheit und zum neuen Angriff zu tun nötig wäre. Als ich aber ankam, erfuhr ich zu meiner Verwunderung, daß er bereits gar tief in die Stadt eingedrungen war und mehrere böse Schanzen und Gräben erstürmt hatte. Da legte sich mein Zorn, und wenn ich zuvor vermeint hatte, er sei an der empfangenen Schlappe schuld, so ward ich jetzt anderer Meinung und kehrte noch am selbigen Tage darüber beruhigt in mein Hauptquartier zurück.


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