Arthur Schurig
Die Eroberung von Mexiko durch Ferdinand Cortes
Arthur Schurig

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Das einundzwanzigste Kapitel

Am anderen Morgen, als der Tag anbrach, stand mein gesamtes Kriegsvolk bereit, dazu unsere schweren Geschütze. Peter von Alvarado hatte schon am Abend zuvor von mir den Befehl erhalten, auf dem großen Markte meiner zu warten und keinen Angriff zu machen, bis ich ankäme. Nachdem wir aber alle versammelt waren und auch die Rennschiffe hinter den Häusern klar zum Gefecht standen, gab ich den Befehl, auf das Zeichen eines Büchsenschusses habe der allgemeine Angriff auf den Teil der Stadt zu beginnen, der noch zu erobern war, wobei der Feind in der Richtung auf die Rennschiffe ins Wasser getrieben werden solle. Besonders zu achten sei auf Herrn Guatemozin, damit man ihn gefangennehme und mir lebendig überantworte, denn damit wäre der Krieg mit einem Schlage zu Ende.

Ich selber stieg auf die Plattform einer Tempelpyramide, und ehe ich den besagten Schuß abfeuern ließ, unterhandelte ich noch einmal mit etlichen feindlichen Führern und stellte ihnen die Frage, warum ihr Herr nicht zu mir kommen wolle. Nur deswegen dauere die Not an. Sie sollten ihn dazu ermahnen. Niemand brauche sich vor mir zu fürchten.

In der Tat begaben sich zwei mexikanische Edelleute zu Herrn Guatemozin, und nach einer kleinen Weile kam zu mir mit selbigen beiden einer der Vornehmsten, der Großvezier des Königs, der in allen Kriegsdingen den nächsten Rat zu geben das Recht hatte. Ich empfing ihn auf das gütigste, damit er alle Furcht lassen und sich mit mir verständigen sollte. Er richtete mir aus, sein König bedauere, nicht zu mir kommen zu können, sondern es vorziehen zu müssen, zu sterben. Je nachdem mich dies gut dünke oder nicht, solle ich handeln.

Da ich daraus den Entschluß des Herrn Guatemozln ersah, so erklärte ich dem Großvezier, der König möge sich und die Seinen zum Tode rüsten, die Stunde der Stadt habe geschlagen.

Mit diesen Verhandlungen waren mehr denn 5 Stunden vergangen. Die Temixtitaner standen über Leichen oder im Wasser. Wer sich durch Fortschwimmen retten wollte, ertrank im weiten See. Der Jammer und das Elend war ungeheuerlich. Es ist mir unmöglich zu ermessen, wie das Volk die Belagerung hat erleiden können. Eine große Menge von Weibern und Kindern lief auf uns zu, und damit ein jedes das erste wäre, eilten sie dabei so, daß sie sich einander in das Wasser stießen und zwischen den ungezählten Toten darin umkamen. Fast alle waren sie todkrank vor Hunger und durch das Salzwasser, das sie aus Angst, zu verdursten, in den letzten Tagen getrunken hatten. Der Gestank um alle diese Menschen war unerträglich. Mehr denn 50000 waren in der Stadt gestorben. Etliche der Leichen hatte man in den See geworfen, die meisten aber in den Häusern verborgen oder auf den Gassen liegenlassen, damit wir die Not der Belagerten nicht gewahr werden sollten. Als wir später durch die Gassen gingen, fanden wir so viele Tote, daß wir den Fuß nicht auf den Erdboden zu setzen vermochten.

Als das Volk aus der Stadt zu uns herausströmte, um Zuflucht bei uns zu suchen, da hab ich den Befehl gegeben, daß die Hispanier achtgeben sollten, daß unsere indianischen Bundesgenossen die Ärmsten nicht niedermetzelten. Die indianischen Hauptleute ermahnte ich, es keineswegs zu dulden, daß man die bei uns Hilfe und Rettung Suchenden vernichte. Es half nicht viel. Die Masse unserer Freunde vom Morden abzuhalten, dazu waren unserer zu wenige. An diesem Tage sind über 15000 Temixtitaner erwürgt oder geopfert worden.

Unterdessen verteidigten die Edelleute und das Kriegsvolk den letzten Winkel ihrer Stadt, stehend auf den Tempeln, auf den Dächern, auf den Gassen und im Wasser. Immer noch leugneten sie ihre Not, so sehr sich uns ihre Ohnmacht und ihre Verzweiflung verriet.

Als ich sah, daß sie sich nicht ergaben, und es schon spät war, da ließ ich die schweren Geschütze laden und wider sie richten. Noch erhoffte ich, die Übergabe zu erzwingen. Hätte ich jetzo aber meine Indianer wider die Feinde losgelassen, so wäre es ihnen noch schlimmer ergangen, wenngleich die Geschütze große Lücken in sie rissen. Als auch dies nichts half, ließ ich den Signalschuß abfeuern, und der allgemeine Angriff meiner Truppen Hub an.

Bald war der letzte kleine Teil der Stadt erstürmt. Die noch darinnen waren, wurden in den See gejagt. Etliche ergaben sich uns. Zu gleicher Zeit drangen unsere Rennschiffe von der Seeseite vor und griffen die mexikanischen Zillen und Kähne an, deren Besatzung kaum mehr zu kämpfen wagte.

Gott der Allmächtige fügte es, daß der Hauptmann einer der Rennschiffe, Garcia von Holguin, eine ansehnliche feindliche Zille verfolgte, die sich mit zwei anderen durchgeschlagen hatte. Es kam ihm vor, als wären besonders vornehme Leute darauf. Als er ihr näher kam und die Armbruster ihre Bolzen auflegten, da winkten die Leute des feindlichen Schiffes, man möge nicht schießen: der König sei an Bord. Alsbald sprangen die Hispanier auf die Zille und nahmen Herrn Guatemozin sowie den Fürsten von Tezkuko und etliche Edelleute und Großwürdenträger gefangen.

Der Hauptmann Holguin brachte sie mir unverzüglich nach dem Tempel, auf dem ich mich aufhielt, der nahe am Hafen lag. Ich hieß Herrn Guatemozin sich setzen und war freundlich und gütig mit ihm. Er sprach mich in der Sprache seines Landes an und sagte: Ich habe alles getan, was ich vermochte, um mich und mein Volk zu retten. Es war umsonst. Macht nun mit mir, was Euch beliebt! – Dabei griff er nach dem Dolche, den ich an meinem Gürtel trug, und rief aus: Am liebsten wäre es mir, Ihr stecht mich damit tot! – Ich tröstete ihn und sagte: Fürchtet nichts! Ihr sollt mit allen Ehren behandelt werden. Ihr habt Eure Stadt tapfer verteidigt. Ein Hispanier achtet den Mut auch an seinen Feinden.

Mit der Gefangennahme des Königs war der Kampf um die Hauptstadt und zugleich der ganze Krieg zu Ende. Es war am 13. August des Jahres 1521, am Tage des heiligen Hippolyt. Die Belagerung und Bestürmung der Stadt hatte begonnen am 30. Mai und also gedauert 75 Tage. Wie Eure Kaiserliche Majestät aus meinem Bericht ermessen kann, war sie reich an Gefahren, Mühsal und Anstrengung, und mancher hat dabei in Allerhöchstdero Diensten Leib und Leben gelassen. Es war kein Tag in dieser langen Zeit, der nicht ein größeres oder geringeres Gefecht mtt dem Feinde gebracht hätte.

An jenem Tage aber, da wir Temixtitan erstürmt und Herrn Guatemozin gefangen hatten, sind wir nach dem Zusammentragen der Beute zurückgekehrt in unsere Lager und haben Gott dem Allmächtigen gedankt für den großen Sieg, zu dem er uns gnädiglich verholfen hatte.Vgl. den Bericht des Bernal Diaz über das Siegesfest S. 433 ff.


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