Arthur Schurig
Die Eroberung von Mexiko durch Ferdinand Cortes
Arthur Schurig

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Von der Hauptstadt Temixtitan

Die große Stadt Temixtitan steht im Salzwassersee, und zwar nicht ganz in seiner Mitte, sondern mehr dem westlichen Gestade zu, wo ihre Häuser dem Lande bis etwa auf eine Viertelstunde nahe kommen. Sie mag dritthalb bis drei Meilen im Umkreis haben, und die meisten, die sie zur Zeit der Eroberung gesehen haben, schätzen die ehemalige Zahl der Einwohner auf mindestens 300000 Menschen in etwa 60 000 Häusern.Ramusio druckt hier »60 000 Einwohner« statt »60 000 Häuser«, wie in der verlorenen Urschrift gestanden haben mag. Nach Prescotts Meinung (I, 491, Anm. 12) muß sich der Übersetzer geirrt haben. Der Darsteller widerspräche sich sonst selbst, da er bei seiner Schilderung des Marktverkehrs (S.337) von 40 000 bis 50 000 Menschen berichtet. Die Einwohnerzahl 300 000 ist mehrfach überliefert. Mit ihr stimmen die auf S. 41 angeführten Verluste der Stadt während der Belagerung (117 000 bzw. 240 000 Menschen) völlig überein. Drei gepflasterte Dammstraßen, jede über dreißig Schritte breit, führen vom Land bis in die Mitte der Stadt. Die längste von ihnen durchschneidet den See in einer Länge von zwei Meilen. Der Nord- und der Süddamm treffen im Mittelpunkt der Stadt zusammen, so daß sie als eine einzige Straße anzusehen sind. Die dritte hat, soweit sie durch das Wasser geht, nur eine Viertelmeile Länge; sie reicht aber noch dreiviertel Meilen in das Land hinein und führt der Stadt aus dieser Entfernung eine Wasserleitung zu mit vortrefflichem Trinkwasser. Ihr Ursprung befindet sich auf einem Hügel, genannt Chapultepek (Heuschreckenberg), an dessen Fuß das Wasser zunächst in einen tiefen Teich fließt und von da aus in die Stadt.

Die Stadt hat schöne, breite Straßen, unter denen zwei oder drei als die Hauptstraßen gelten können. Alle übrigen gehen auf Backsteinbau neben den Wassergräben hin, die kreuz und quer durch alle Viertel laufen, so daß die Einwohner von ihren Häusern aus zu Land wie zu Wasser überallhin kommen können. Letztes geschieht in Kähnen, die aus ausgehöhlten Baumstämmen hergerichtet sind. Es gibt darunter so große, daß fünf Leute bequem darin Platz haben. Eine Anzahl Gassen der Stadt sind nur Wasserwege, so daß man hier allein auf Kähnen an die Häuser gelangt. In gleicher Art erbaut sind auch die anderen Ortschaften an den Seen und auf den Inseln des Süßwassersees.

In der Stadt gab es und gibt es noch überaus schöne und große Plätze, auf denen alle Bedürfnisse zum Leben zu Verkauf stehen. Der ansehnlichste darunter war der sogenannte Tianquiz, ungefähr dreimal größer als der große Platz in Salamanca. Er war rings mit Säulengängen umzogen. Hierher kamen täglich 20 bis 25000 Menschen, um zu kaufen und zu verkaufen, und zu den Hauptmärkten, die aller fünf Tage stattfanden, sogar 40 bis 50000 Menschen.

Temixtitan hatte eine Menge großer und prächtiger Tempel, in denen die Götzen des Landes verehrt und Menschenopfer dargebracht wurden. Die Hauptmoschee war ein wunderbarer Bau von riesigem Umfange. In ihrem gesamten Bezirk hätte eine kleine Stadt Platz finden können. Der weite Hof darum hatte vier Haupttore, jedes eine Art Burg, angefüllt mit allerlei Waffen und Kriegsgerät. Alle vier zusammen waren gleichsam das Zeughaus des Sultans.

In der Stadt lag eine Besatzung von 10 000 Mann, lauter auserlesene Leute, die Leibwache des Fürsten, die ihn überallhin begleitete und auch die Ruhe und Ordnung in und um die Stadt aufrecht hielt.

Die Vornehmen besaßen große, schöne Paläste mit weiten prächtigen Gärten daran. Ich habe einen solchen Palast viermal besucht und mich jedesmal darin müde gegangen, ohne alles darin betrachtet zu haben. Alle diese Paläste waren in der Art gebaut, daß die weitläufigen Gemächer und Säle einen Hof umschlossen. Ich habe einen Saal gesehen, in dem mehr denn 3000 Menschen Platz fanden und auf dessen flachem Dache sich 30 Reiter hätten tummeln können.

Die Stadt selbst hatte einen länglichen Grundriß. In ihrer Mitte standen die große Moschee sowie die Paläste des Sultans und der Vornehmsten.


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