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Eine neue Menschheit

Eine neue Menschheit donnert ans Tor,
Die Ungestümsten drängen sich vor –
Und keiner hört sie! Denn wir Alten kramen
Und übergolden langverschollene Namen
Und kränzen aufgeprunkte Possenschelme
Und putzen rostige, verbeulte Helme,
Die lang in Spinngewebe eingedunkelt,
Dran wie zum Hohn ein prahlend Wappen funkelt,
Dess' Sinn verdarb und zum Geschwätz versank –
Wir schachern, lügen und sind seelenkrank
Und phantasieren in den Fieberstürmen.
Und Glocken bersten in den höchsten Türmen,
Altäre mörteln ab und zeigen Sprünge,
Nach Schluchzen schmecken die allewigen Dinge.
Des Glaubens krüppelalter Formelkram
Zermorschte, wie das neue Wesen kam.
Gott ward in allen Dingen lebenssichtbar.
Das Menschentum ward bis ins letzte richtbar.
Die innere Glocke, sonst mit Rost behangen,
Hat morgenschön zu läuten angefangen.
Und was wie junge Psalmen brausend sang,
Ist zweier Welten Glückszusammenklang.
Die Erde ward zum Äther hochgehoben:
Wer unten werkt, ist mit der Seele oben! –
Die innere Weckuhr wird sekundenfein,
Sie schrillt Gefahr und läßt nicht mehr allein!
Die Selbstsucht schmilzt. Die Herzenskälte lischt,
Die Lebenssteppen glänzen tauerfrischt –
Und alle Werke sind aus Gott erwacht
Und werden wie ein Sieg zu End' gebracht. –
Wer schläft denn immer noch? Steht auf! Empor!
Die neue Menschheit donnert schon ans Tor!


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