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Hunger

Zehn Jahre trieben sie wutentbrannt
Mit den Gäulen durchs kriegzerfressene Land.
In zwölf Schwadronen ritt's auf und an;
Wenn's abritt, keine Maus mehr sich sattfressen kann.
Mord, Sengen und Plündern zum Zeitvertreib.
Nur eins war lästig: der Hunger nach – Weib.
Denn keine gab's, sie alle flohn,
Vor der ersten, zweiten bis zwölften Schwadron.
Den Kerlen platzten die Lippen vor Brand,
In den Augen höllisches Glitzern stand.
Sie träumten die Nächte im wirrigen Schlaf,
Daß ihr Reiten auf eine Dirne traf,
Weiß war sie, aufgepeitscht hemdenweiß.
Über den Zelten die Luft stand stickig heiß.
Und morgens beim weckenden Hörnerstoß
Starrten die Augen grimmig und hungergroß. –
Einmal der Rittmeister Axenstein
Trabt lustreitend allein in ein Tal hinein.
Eine Hütte – schief und rohrgedeckt.
Mit barschem Klopfen hat der Herr Rittmeister geweckt.
Keines Kätners Betteln, daß er ihn schont. –
Da trat er die Tür ein, wie er's gewohnt.
Und er suchte – und fand auf der Lagerstatt
Ein Mädchen, das lag so süß und matt,
So weiß, so weiß, wie im funkelndsten Traum
Ein Reiter eine gefunden kaum.
Sein Hals wird trocken, sein Atem pfeift,
Schon langt er, daß er ins Kraushaar greift.
Da wiehert sein Pferd. Galopp stampft ein.
Sein Leutnant drängt zur Tür herein.
Der sieht das Mädchen. Sein Auge wird groß –
Und schon sind beider Klingen bloß.
Ein wetterndes Zischen! Noch einmal! So recht!
Ein Blutstrahl! – Der Leutnant gewann das Gefecht. –
Das Mädchen schläft. Eine Fliege kriecht
Ihr übern Mund, gleichgültig, wer siegt.
Jetzt fliegt sie und surrt: Du Reiter rot,
Dein ist sie, doch das Mädchen ist tot. –
Ein knirschend Stöhnen. Sein Pferd steigt steilan,
Die Sporen bohren die Flanken an. –
Und in dem wilden Reiterheer
Hat wenigstens der keinen Hunger mehr.


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