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Der Helfer

Im Dorfrat redet Schulze Veit:
»Mit'm Schauster Korl is't ook all so weit –
Er kann nich mehr hinner de Küh herrennen
Un wird nich lange mehr hüten können.

Un't Armenhus is bet babenran vull –
Wenn eener dotau wat seggen wull!« – –
»Jo – nee – wer sall denn hier wat weeten,
Em künne man gliek der Deuwel freeten!" –

Sie raten her und sie raten hin –
Für den Schuster Karl ward's wenig Gewinn.
Das beste blieb, als sie lange gesessen:
Ihn solle Tod oder Teufel fressen! –

Und draußen, wo die Herbstnebel stehn,
Könnt ihr den lahmen Schuster sehn:
Wie schiefgetrocknete Bohnenranken
Um ihre Stange huschelnd schwanken,

So haspelt und windet und rankelt er sich
Um seine Krücke inbrünstiglich
Und purzelt mit grimmiger Gebärde
Als Hirt hinter seiner gehörnten Herde.

Und da er im Kopfe ein wenig quer,
So redet er hinter der Herde her
Und fuchtelt mit seinem Armgestänge
Hinter dem scheckigen Leibergedränge.

Und er kichert und lacht seine Weisheit hervor,
Die Kühe lauschen mit halbem Ohr.
Und wenn seine Reden wie Bienen summen,
Fängt wohl die klügste an zu brummen.

So geht's schon an die sechzig Jahr'
Im Krüppeltakt hinter der scheckigen Schar –
Doch ihm ist's, als wollte der bunte Haufen
In jedem Jahre rascher laufen.

Er fällt schon so oft in den Wegeskot, –
Dem alten Seelchen macht's bittere Not –
Und weil die Herde schlecht beraten,
Kommt's gegen ihn im Dorf zu Taten. –

Da ging in derselben Mittagsstund'
Der Tod durchs Dorf mit struppigem Hund.
Ein wüster Geselle, das Haar verstoben,
Eine Peitsche hält er hoch erhoben.

Und knallt und plärrt mit rüdem Geschrei:
»Wenn's den Dorfrat angeht, bin ich dabei!
Ich bring' seine Weisheit wieder zu Ehren,
Dem Zuzug ins Armenhaus will ich wehren!

Laßt mir den Schuster Karl – ich mein' –
So wird's für alle das beste sein!«
Und er knallt mit wildem Armeschwenken
Und tät ins Feld die Schritte lenken.

Und er brüllt im Laufen immerfort
Denselben Text in Wort und Wort. –
Da weidet die Herde! Der Grause und Grimme
Stachelt den Hund mit gröhlender Stimme!

»Hetz! hetz! den Bullen von hinten gepackt!
In die Fesseln die Zähne eingehackt!«
Und der Bulle, der keinen Feind sah kommen,
Hat in Wut den Krüppel angenommen.

Und wirft ihn mit kurzem Gebrüll in die Luft
Und trampelt ihn ohne Sarg in die Gruft –
Und dazwischen schäumt das befeuernde Hetzen,
Die Peitsche knallt die Luft zu Fetzen.

Und über die Felder grauset sein Schrei:
»Seht her, so war ich für euch dabei!« – –
Seines Hundes Geheul und der Rinder Gebrülle
Geht donnernd über der Felder Stille.


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