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Kohlrüben mit Schweinebauch

In einem der großstädtischen Fütterungsplätze
Speist' ich zu Mittag. – Edle Sympathie
Verband dort manche einsam stolze Seele
Mit Löffelerbsen, drin ein Spürchen Speck.
(Das Spürchen Speck schwamm in den Löffelerbsen.)
Die ganze Herrlichkeit für dreißig Pfennig,
Serviert in zartgehenkelter Terrine.
Und Brötchen –ungezählt! (das heißt vom Kellner)
Man speist! Das Leben ist doch schön! Und nebenbei
Sieht man dort eine tolle Musterkarte
Von Menschen, die um Atzung hergekommen:
Student, Doktoren, viele Philosophen,
Hausknechte, Dichter, schwanke Ladenpuppen,
Schauspieler, Akrobaten, Musikanten
Und manchen Ritter von Fortunas Gnaden –
Ein wellenbuntes, krauses Hin und Her. –
An einem Tisch, drei Schritte von dem meinen,
Saß eine Frau (nicht mehr vom allerneusten,
So schön wie unschön, überm Ohr die Flechten,
Wohlangetan mit breiten Witwenringen)
Und neben ihr ein junger, starker Mensch,
Blond angestrichen, ungestüm die Tolle.
Sie schlürfte langsam eine Schale Kaffee
Und sah ihn an mit lebenslanger Sehnsucht.
Er aber, wuchtiger in seinen Trieben,
Stopfte Kohlrüben mit Schweinebauch
Erbarmungslos in seinen innern Menschen.
Er warf, wie Bäcker Schrippen in den Ofen,
Die Rüben massenweis' in seinen Rachen.
Ich habe Knechte fressen sehn,
Fünf Mann aus einer Schüssel. Wie die Teufel!
Doch ihn! Ein Messer Rüben jagte in das andere.
Die Luft vom Teller hin zu seinem Rachen
War angefüllt mit Rüben. –
Und sie aus ihres Herzens Ungeduld
Bestürmte ihn mit vieler Worte Hauch.
Er aber ließ sein Messer weiter kreiseln
Und schnappte wie ein bösgewordener Karpfen.
Dann wippte seine Tolle in die Höhe,
Und aus den kauenden Kiefern kam der Ruf:
»Ober, nochmal Kohlrüben mit Schweinebauch!«


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