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Ursus und Lygia vor Nero

Der Zirkus surrt. Der irre Schlächter glotzt.
Stirngrollend wägt er einer Ode Maß.
Der Senatoren Grauvolk stolzt und protzt,
Wie er skandierend an der Ode las.
Und schwirrend flattert manch unflätig Wort
Von Prätorianern und Augustiern fort.

Blutdunst liegt stickig überm Zirkussand:
Vorgestern soffen Tiger Christenblut,
Und gestern waren Kreuze ausgespannt,
Nachts glomm der Menschenfackeln grause Glut –
Schliefst drum zu wenig, gähnst mit weitem Mund,
Du mastig aufgeschwemmter Höllenhund! –

Trompetenstoß klirrt auf! Nun knarrt ein Tor.
Als wenn ein Eichbaum in die Schonung stampft,
Tritt Ursus aus dem finstern Loche vor,
Das Auge weit ins Leere eingekrampft.
Ein Riese, wie ihn Rom noch niemals sah!
Ursus, der Christ, steht vor der Marter da.

Den Nackten überspritzt der Blicke Gier,
Die Weiber Roms aufgirren lustbereit.
Seht seine Brust: Zwei erzene Schilde schier!
Die eisernen Schenkel wie zwei Bäume breit!
Wie Zwerge sind vor diesem Kraftkoloß
Die Gladiatoren, die man heiß genoß. –

Nun fliegt sein Auge: Ist ein Kreuz gehöht?
Ob ihm ein Schwert mit gellem Flirren droht?
Seht hin – er kniet! Er bückt sich zum Gebet
Vor seiner unbekannten letzten Not.
Da tobt die Menge, die kein Maß mehr dämpft:
»Die Geißelknechte! Peitscht ihn, daß er kämpft!«

Da prasselt's auf: Ein Auerstier tobt ein!
Ein nacktes Weib auf seinen Hörnern liegt.
Und: «Herrin! Lygia!« flackert Ursus Schrein,
Wie er dem Zottelfließ entgegenfliegt!
Springt zu und packt ihn bei den Hörnern an!
Wie erzen festgerammt stehn Stier und Mann!

Wie Herkules und Theseus! Seht ihn, seht!
Gebogenen Leibes! Ob sein Arm nicht springt,
Wie er am Genick ihm ruckweis würgend dreht?
Durch blutigen Schaum vergurgelnd Brüllen dringt!
Und mit der letzten Übermenschenmacht
Schraubt er und würgt, bis dumpfes Knacken kracht!

Hinschlägt das Tier! Erschütterndes Getos
Faßt wie Orkan der Säulen Marmorrund.
Der Sieger reißt todblaß die Stricke los,
Die schnürten schon die süßen Glieder wund. –
Er hebt sie – die da scheint, als wär' sie Schnee
Und wäre schlafend – zitternd in die Höh,

Zur Stelle, wo des Teppichs Purpurrand
Die Brüstung überschwankt und wo er sitzt
In müder Starrheit und mit lässiger Hand
Mit dem Smaragd, dem zauberlichten, blitzt.
Und: »Gnade!« donnert rund des Volks Geschrei,
»Cäsar, den Arm empor! und gib sie frei!«

Der Bluthund will nicht! Will nicht, daß sie lebt,
Die schönste Blume, die zu Christus blüht.
Bis das Gewühl sich meerflutwild erhebt,
Bis »Muttermörder!« aus dem Tosen sprüht!
Und Ursus hält mit flehendem Begehr
Die Lilie Lygia um Gnade her.

Der Bluthund will nicht! Seine Stirn färbt Wut!
Die Prätorianer – eng um ihn geschart –
Antoben auch! Dem Feigling friert das Blut!
Gewitternd dröhnt's: »Brandstifter! Feuerbart!«
Die Furcht kriecht spinnig über sein Gesicht.
Hat er nicht Kraft? Er hebt die Hand noch nicht!

Er – hebt – sie – doch! Und tobend bricht es aus!
Der Henkershund blickt tiefverfinstert drein.
An seine Seele spült ein irrer Graus,
Und Dolche flattern spitzig auf ihn ein. –
Und Ursus trägt die Herrin wie ein Kind,
Dem Angst und Schrecken ganz vergangen sind.


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