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Goethes Gartenhaus

Wallfahrtend kam mein suchend Herz zu dir!
Zu deiner kleinen weißen Gartenzelle.
Ein wundersam Verzaubern glomm in mir,
Wie zauderte mein Fuß auf deiner Schwelle!
Wag's nur, mein Herz! Herein durch seine Tür!
Nun faßt mich eine frohe Freudenwelle. –
Nun geh' ich, wo du gingst – auch auf den Stufen,
Wo du die Geister dir zu Gast gerufen.

Wie enge drinnen! Wo doch eine Welt
Die Flügel schlug! – Daß nicht die Mauern klafften!
Daß nicht das schindelarme Dach zerschellt'
Vor der Gewalt der Sonnenleidenschaften!
Daß nicht die Fenster brachen, wenn der Held
Die Menschen aufrief, nicht am Staub zu haften. –
Die Mauern stehn noch, ob auch sprungzerrissen,
Wie Gitter, die vom Löwen nichts mehr wissen.

Versunkenes wird lebendig. Du bist nah,
Mir ist, als könnt' ich deine Hände fassen!
Hier lebtest du, und alles steht so da,
Wie du's an deinem letzten Tag gelassen. –
Und das unendlich Herrliche geschah,
Wie alles Große, dicht bei kleinen Gassen,
Die sich zum Markt des Lebens winklig schieben –
Die heiligen Schriften hast du hier geschrieben.

Dein Park biegt sich im Herbstnachmittagwind.
Die Blätter klirren, die noch festgehalten.
Die du noch sahst, dieselben Bäume sind
Noch bei uns hier, die hohen, stummen Alten.
Doch was durch ihre Wipfel rauscht und rinnt,
Ist wie ein Hauch von ihres Eigners Walten.
Blieb er nicht oft in euerm Schatten stehn,
Hat erdentrückt zu euch hinaufgesehn? –

Ich ging. Und Menschen sah ich, Fürst und Knecht.
Sie fuhren und sie gingen mir vorüber.
Zu meinem Goethe paßten sie gleich schlecht.
Sie schauten halb zu deinem Haus hinüber.
Mir war's, du sagst: »Verstrickt im Furchtgeflecht,
Ihr Trübgeborenen, werdet immer trüber.
Könnt ihr denn nicht, wo ich gewandelt bin,
Mit mir ins Licht, ins selig hohe, hin?«


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