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Christus

Baldurs Sterbenot ward Christi Leben.
Auf der alten Götterhochburg lischt der Glanz,
Und die sterbematten Götter geben
Diesem neuen Gott den Eschenkranz.

Aus dem Schwall der blinden Weltensplitter
Werden neue Ordnungen gereiht,
Und die götterstürzenden Gewitter
Schaffen Raum für eine neue Zeit.

Christus kommt! Die Meere schauernd steigen,
Das Geschaffene hält den Odem an,
Wodans Wälder zittern im Verneigen,
Denn ein größerer König kommt heran.

In die Dinge fließt ein funkelnd Werde,
Denn ein Gott quoll aus dem Ewigen auf.
Mit der neugeborenen Gebärde
Nimmt die Schöpfung ihren neuen Lauf.

In die alten, brüchigen Marmormauern
Schlüpfen Haß und Rache, Neid und Not,
Unter eine Säule sich zu kauern,
Sterbend kommt herzu der alte Tod.

Über seine Züge wuchern Schatten,
Seine Blicke treiben scheu umher.
Um die Götterburg die neuen Matten
Wissen von dem toten Tod nichts mehr.

Durch die Nebel, die verdüsternd wallten,
Strömt von Licht ein breiter, goldener Strom.
Stiller Jubel regt das Laub der alten,
Hohen Bäume um den Götterdom.

Christi Hände auf die Götterschwerter
Streuen Eschenblätter, streun und streun –
Immer lebensheilig unerhörter
Wächst das neue Licht ins Licht hinein.

Und es wird, wo gestern Schreie gellten,
Göttertrümmernde, ein lieblich Glück –
Atemholend zwischen zweien Welten
Steht ein schrankenloser Augenblick.


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