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Die Mumien

Nacht durchs Gemäuer. Das Museum ruht
Mit seinen Mumien. – Her durchs Düster glimmt
Ein Licht, rubinen, wie ein Tropfen Blut.
Ein Schatten und noch einer schwankt und schwimmt!
Zwei Menschen in der stumpfen Modergruft
Durch die jahrtausendlangen Tode gleiten
Und tragen einen Mund voll Lebensluft
In diese festgefrorenen Ewigkeiten.

Zwei Liebende, in unerhörter Gier
Nach Grauen, schloß des Wärters Schlüssel ein.
Und was sie zitternd wollten: Sie sind hier,
Um eine Nacht bei Mumien zu sein! –
Sie huschen, flüstern, Hand in Hand geschmiegt!
Sie zünden Licht und hasten, laufen, drängen!
Ein wunderlich entglommenes Fürchten liegt
In des Museums nachtdurchtropften Gängen.

Wie das lebendige Weib aufs tote schaut!
Grinsendes, fleckiges Schlängelein vom Nil,
Sähe Sesostris deine üble Haut! –
Was triebst du einst mit ihm für funkelnd Spiel! –
Der Halbgott hing in deines Lächelns Netz!
Nun bist du hier nach so viel tausend Jahren!
Der aloenen Schleier wirr Gefetz
Hängt dir wie Spinnweb in den rostigen Haaren!

Noch Buhlerinnen! Wie gereiht zum Tanz! –
Das Licht kriecht her: Manch eine ist wie schön!
Goldfäden rieseln, stumpf und ohne Glanz!
Die meisten Augen kelleroffen stehn! –
Dann Könige! – Königin Makeri hält
Ihr totgeborenes Kind in ihrer Linken.
Der schwarze Schleier zundergleich zerfällt,
Wie faltige Asche auf das Kind zu sinken.–

Glüh heller, Licht! Ein Welteroberer naht!
Sesostris ist's! Hier hält der Riese Rast!
Als der noch hergedonnert seinen Pfad,
Brach unter seinem Lauf die Erde fast! –
Das blieb von ihm! Schau hin: Die eine Hand
Hält er empor, als wollt' er Todspruch künden.
Die breite Brust ist noch wie angespannt
Und probt die engen, aloenen Binden!

Die Adlernase wittert wieder Blut!
Die Nüstern ziehn! Der Vogelhals gereckt! –
Den halben Erdkreis fachtest du in Glut
Und hast dich hier in dies Geviert versteckt! –
Dein Vater Sethos schlummert nebenan,
Fast träumesanft, als ob er eben schliefe. –
Das Lichtlein leis an ihm vorüberrann. –
Hart neben dräut ein Weib aus nächtiger Tiefe!

Du bist ein Scheusal, tote Königin!
Wie blickt dein schielend Auge gräßlich her
Und ist mit seinem Schielen ohne Sinn:
Du peitschest keinen deiner Sklaven mehr!
Mit grünen Flecken bist du übersät!
Die Nasenlöcher hältst du aufgerissen! –
Ha! Du bewegst dich, wie die Lampe geht,
Mit wildem Ekel aus den Finsternissen!

Und allen, die hier aufgehoben sind,
Daß sich die Zeit in ihrer Rechnung irrt,
Faßt in die luftigen Schleier leiser Wind,
Der wie von Geistern hergeblasen wird! –
Und das lebendige Weib mit schrillem Schrei
Läßt aus der Hand die Lampe klirrend fallen! –
Und Finsternis kriecht wieder stumm herbei
Zu Weib und Mann und Mumien – ach – zu allen!


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