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Der Büßer

Ein aschengrauer Schatten, die Stirne fahl wie Sand,
Was hält er in der breiten und stumpf verkrampften Hand?

Einen Mord wie ein haarig Räuplein, das sich nicht zerdrücken läßt.
Seines Bruders brechendes Auge klebt ewig im Spiegel fest.

Um die er dies Blut verschleudert, die läßt ihn nimmer los.
Seine Tage und seine Nächte durchwächst sie liliengroß.

Ein wildes, umhalsendes Sehnen sprang in die Buße hinein:
Er sah in Mariens Augen, als müßten's Leonens sein!

Er stammelte rote Psalmen, angstflüchtend Marien gesandt,
Die schrieb er abends nieder auf seines Betbuchs Rand.

Doch morgens waren die Worte verlöscht und fortgefegt –
Im roten Psalmenstammeln sein Mund sich wieder regt.

Und alle Abend schreibt er, was alle Morgen zerrann,
Weil die hohe Himmelsreine seine Psalmen nicht nehmen kann. –

Doch einst zu jenen Zeiten, wo die Nächte wie Rosensamt,
Hat durch sein kleines Fenster ein schütternd Weinen geflammt.

Die ganze Nacht wie Schloßen fiel's in den Hof hinein
Und ließ erst ganz am Morgen das große Schluchzen sein.

Dann ward's ganz still in der Zelle, bis man ihn wie schlafend fand. –
Auf dem Lied an Maria lag seine nun losgelöste Hand.


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