Maximilian Schmidt
Hančička das Chodenmädchen
Maximilian Schmidt

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XXXI.

Der Weihnachtsabend war herangekommen. In der Stube des Waldbauernhofes stand der grüne, reich gezierte Christbaum. Hančička hatte ihn aufgeputzt. Es war zum erstenmale, daß sie diesen schönen Brauch – das Symbol des wieder erwachenden Tages – mitfeierte, und dieser erste, hellstrahlende Baum sollte auch Zeuge ihres wieder erwachenden Glückes sein.

Der Knecht war zur Station Kubitzen gefahren, wo Franz mit dem Abendzuge ankommen mußte. Die Ahnl und der Waldhofbauer saßen erwartungsvoll in der Stube und blickten bald nach dem in der Wiege sanft schlafenden Kinde, bald nach Hančička, welche in geschäftiger Weise herumhantierte, zur Abendmahlzeit herrichtete und die verschiedenen Geschenke ordnete, welche auf dem Tische unter dem Weihnachtsbaume ausgebreitet lagen. Die Ehehalten waren alle in freudiger Stimmung, ihren Herrn wieder begrüßen zu können und horchten vor dem Thore, ob man den Wagen noch nicht herankommen höre.

Endlich war dies der Fall. Der hierzu beauftragte Knecht gab das Zeichen mit einem helltönenden Glöckchen. In anderen Einödhöfen wird solcher Art das Christkindl angemeldet, das mit »goldener Hand« den Kleinen die Weihnachtsgeschenke zur Thüre hineinreicht – hier meldete es die Ankunft des für Hančička liebsten und ersehntesten Christgeschenkes, des heißgeliebten Gatten.

271 Eine Magd zündete rasch die Lichter auf dem Baume an, der alte Waldhofbauer nahm sein »Eni« aus dem Bettchen und stellte sich mit demselben in Positur, Hančička aber riß die Thüre auf – im nächsten Augenblicke lag sie in Franzens Armen.

»Franz! Hančička!« Ueber diese beiden Worte kamen die Wiedervereinigten lange nicht hinaus, bis endlich der alte Bauer herzutrat und rief:

»No', san nacha mir gar neamd mehr? Da schau her, da siehgst dein' Prinzen – aber dadrucka därfst 'n nöt. I bin dafür verantwortli.«

Der glückliche Vater nahm die »Fatschen« und blickte mit seligen Gefühlen nach dem kleinen Sprößling. Hančička hatte ihren Arm um seinen Nacken geschlungen und sah mit unaussprechlicher Wärme nach dem Antlitz des geliebten Mannes. Alles, was sie gelitten, war vergessen, und als er sie um Verzeihung bitten wollte, hielt sie ihm rasch den Mund zu und sagte:

»Alles ist vergessen!« – – –

Franz konnte aber im Waldbauernhofe doch nicht alles vergessen, was sich hier Unheilvolles ereignet und sein Vorschlag fand bei all den Seinigen Anklang, den Hof zu veräußern und ganz nach dem Freibauernhofe bei Neuern überzusiedeln. Die alte Ahnl war vor allen damit einverstanden, denn sie kam ja wieder in ihre Heimat, die sie ohnedem nie ganz vergessen konnte. Der alte Waldhofbauer aber meinte, ihm sei es einerlei, wo er die paar Jahre seines Lebens noch verbringe, wenn er nur seine Kinder glücklich sehe und – der Trunk stets ein passabler sei, was bei dem Bier in Neuern glücklicherweise als gesichert angenommen werden könnte.

272 Es war auch nicht schwer, für den Waldbauernhof bald einen guten Käufer zu finden und zum Frühjahre zog Franz auf dem prächtigen Freibauernhofe auf. –

Hančičkas Eltern jedoch konnten die Unbill, welche ihrer Tochter durch Franz widerfahren, nicht so leicht verwinden und hielten sich fern von diesem. Doch auch hier sollte die Zeit der Versöhnung kommen, und zwar, als in Aujezd am 25. August 1885 die Gedenktafel des tapferen Chodenmärtyrers Kozina enthüllt wurde.

Die Gedenktafel am Hofe Nr. 3 zu Aujezd trägt folgende Inschrift (wörtlich übersetzt):

Johann Sladky (Kozina),
unerschrockener Verteidiger der alten Rechte der Choden, gerichtet den 28. November 1695. Hier geboren und gelebt auf dem Gute seiner Väter.

Hančička, als eine Urenkelin jenes wackeren Volksvertreters, durfte bei diesem Feste des biederen Chodenvölkchens nicht fehlen und ward auf ihren Wunsch von Franz begleitet.

An diesem Ehrentage schlugen alle Herzen höher und waren zur Versöhnung geneigter. Und versöhnt mit Hančičkas Eltern zog Franz mit dem geliebten Weibe wieder zurück nach dem neuen, schönen Heim im grünen Angelthale.

Hančička versüßte ihm manche Stunde durch ihren schönen Gesang, und ihr Lieblingslied blieb stets dasselbe, welches sie als Kind zum erstenmale auf dem Waldbauernhofe gesungen, nur änderte sie den Endreim in die Worte

Ja, will's Gott, freu'n wir uns ewig
Im Beisammensein.

 


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