Maximilian Schmidt
Hančička das Chodenmädchen
Maximilian Schmidt

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XXV.

Die junge Bäurin regierte alsbald in Haus und Hof, daß Franz seine Freude daran haben mußte. Dieser hatte alles nach militärischer Anordnung eingerichtet. Eine solche Reinlichkeit in den Stallungen ward weit und breit nicht angetroffen, wie auf dem Waldbauernhofe, ebenso herrschte die größte Ordnung in allen Wirtschaftsräumen und damit in der ganzen Wirtschaft. Der alte Waldhofbauer erkannte darin wieder einen neuen Vorteil der allgemeinen militärischen Wehrpflicht, die Ordnung in das häusliche Leben hinein verpflanzt und mit ihr den Segen und die Zufriedenheit.

»Schaugt's nur eini zu uns, ös Gscheerte,« sagte er oft in der Bierkanne zu seinen Nachbarn; »da werd's sehgn, daß 's koa' Unglück is, wenn unsere Bauernbüabeln in der Kaserne ordentli zamg'richt wern. Als Gscheerte gengas eini und als richtige Manna kömmas z'ruck. Vor allem aber Respekt vor die schweren Reiter. Auf dene ihr Wohlsein trink i alleweil no' a Maßl extra!«

Infolge des tiefen Schneefalls gegen das Frühjahr zu war nun dem Alten freilich der Besuch der nachbarlichen Wirtschaften erschwert, ja oft unmöglich gemacht und war ihm solch unfreiwillige Fastenzeit sehr zuwider. Das Bier im Hause mundete ihm nun einmal nicht so, als dasjenige im Wirtshause. Dafür ergötzte er sich an 230 dem ungetrübten Glücke seines Franzl und wenn dieser, vom Holzfahren ermüdet, abends nach Hause gekehrt, mit Hančička an dem großen Tische saß und beide lachten und plauderten, so hockte er vergnügt neben der alten Ahnl auf der Ofenbank und meinte dann öfters:

»Grad oa'mal wenn i wieder an' etli Stund so jung sein könnt, grad daß i wieder wüßt, wie's waar!«

Aber nicht nur die Bauernfamilie, auch die Ehehalten befanden sich sehr wohl unter Hančičkas Regiment. Da wurde das Schmalz nicht gespart und die von der Holzarbeit angestrengten Knechte erhielten täglich bei ihrer Mahlzeit geräuchertes Fleisch und Bier. Das stimmte alle sehr zufrieden und heiter und an Samstagen, an welchen sie wegen des darauf folgenden Rasttages länger wach bleiben konnten, erklangen im einsamen Waldbauernhofe frohe Gesänge, an denen sich Herrschaft und Ehehalten gemeinsam beteiligten. Namentlich war es ein neues Volkslied mit hübscher Melodie, das mit Vorliebe von den Wäldlern gesungen wurde. Es lautete:

        Im Wald, im grünen Wald!

Im Wald, im Wald, im grünen Wald
Da jauchzt mein Herz voll Wonne,
Da ist mein liebster Aufenthalt,
Wo 's Vöglein singt, deß' Lied erschallt.
Im Wald, im grünen Wald!

Da möcht ich einst begraben sein
Wohl in des Waldes Mitten.
Ein Eichstamm sei mein Leichenstein,
Mein Name eingeschnitten.
Im Wald, im grünen Wald!

Da kommen dann die Vögelein
Geflogen hin zur Stelle, 231
Wie flötet da die Nachtigall!
Ihr Lied, es klingt so helle! –
Im Wald, im grünen Wald!

Hančička gab dann auch ihre böhmischen Volkslieder zum besten, und nur allzu rasch schwanden die schönen Stunden dahin. – –

So war der Frühling herangekommen, der neuerdings dazu beitragen sollte, Hančička die neue Heimat am Waldessaume lieb gewinnen zu helfen. Ihr Heimatdörfchen war nur von Feldern umgeben und sie hatte bislang nicht Gelegenheit gehabt, sich an der Herrlichkeit des Waldlebens im Frühlinge zu erfreuen. Wie frohlockte es da drinnen aus tausend Kehlen dem holden Mai entgegen, während am Waldessaume zwischen dürrem Laube die roten, blauen und weißen Frühlingsblümchen grüßend hervorsahen.

Die hundertjährigen Buchen hatten sich durch Lenzesschmuck verjüngt, und wanderte man unter ihrem Rauschen zwischen Waldmeisters zartem Grün, das sich unter hohen Farren barg, dahin, so erstanden Sagen und Märchen, an denen der Böhmerwald so überaus reich ist, wie von selbst.

Hančička war glücklich. Sie neidete keinen König, denn am eigenen stillen Herde blühte ihr ein Himmelreich.

Die vielen Obstbäume um das Haus her prangten gleichfalls in einem Blütenmeere. Im weißen und rötlichen Festgewande standen sie wie in süßem Wonneschauer und strömten ihren balsamischen Duft in die leicht bewegten Lüfte.

Franz wanderte mit Hančička, den Arm um ihren Nacken geschlungen, durch all diese Herrlichkeit. Sie hätten 232 es für unmöglich gehalten, daß das Glück ihres innigen Einverständnisses jemals gestört werden könnte; sie sahen ein ewiges Paradies vor sich und blickten lächelnd und sorgenlos der Zukunft entgegen. – –

Doch diese schöne Zuversicht sollte das Herz des jungen Bauers nicht lange erfreuen.

Hančičkas Eltern kamen öfter an Sonntagen auf dem Waldbauernhofe angefahren und freuten sich des glücklichen Einverständnisses des jungen Ehepaares. In ihrer Begleitung war aber meistens auch Aloys, der Soukups Leibkutscher zu sein schien, und dem das innige Verhältnis der jungen Leute wenig Freude, desto mehr aber Groll und Neid verursachte. Für Franz war dessen Anwesenheit stets sehr peinlich, denn er glaubte den falschen Burschen zu durchschauen, der stets seiner Bäurin mit so viel Vertraulichkeit begegnete, welche den jungen Ehemann geradezu verletzen mußte. Je öfter sich Soukups Besuche wiederholten, desto unruhiger wurde Franz. Zwar hielt er mit der Sprache zurück, doch hoffte er, daß sowohl Hančička, als deren Eltern an seinem Benehmen erkennen sollten, wie unangenehm ihm die Anwesenheit dieses Burschen war, der nicht den Knecht, sondern den Sohn Soukups zu spielen schien.

Hančičkas Lieder, welche sie besonders gerne in der schönen Maienzeit sang, erheiterten zwar Franz wieder auf Stunden, aber er konnte nicht mehr so recht froh werden, wie er es sonst gewesen. Es erfaßte ihn plötzlich ein böser Gedanke, der ihn sichtlich beunruhigte und seinem sonst so freundlichen Wesen eine unverkennbare Schroffheit aufdrückte. Dies war regelmäßig der Fall, so oft 233 er die Schwiegereltern mit dem kutschierenden Aloys ankommen sah.

Hančička begrüßte letzteren jedesmal mit einer Freundlichkeit, die nach Franzens Meinung dem Knechte ihres Vaters gegenüber nicht am Platze war, wenn derselbe auch zehnmal der Erretter desselben gewesen. Dabei blickte Aloys die junge Bäurin auf eine Art an und hielt ihre dargereichte Hand so lange in der seinigen, daß auch ein weniger heißblütiger Ehemann, als Franz es war, darüber in eine gewisse Erregung gekommen wäre. Die Aeußerungen, die der Bursche früher öfters gemacht, klangen ihm fort und fort in den Ohren. Die feindlichen Blicke, welche dieser ihm bei jeder Gelegenheit zuwarf, erweckten in ihm den Verdacht, daß er sich von jenem nichts Gutes zu versehen habe, daß er sich gegen ihn vorsehen müsse. Er hegte zwar nicht den leisesten Zweifel in die Treue seines Weibes, aber die Freundlichkeit, welche sie bei jeder Gelegenheit für den Burschen an den Tag legte, machte ihm manche sorgenschwere Stunde.

Diese Zuneigung war ja auch fremden Leuten aufgefallen. Wie hätte sonst das Gerücht entstehen können, daß Aloys mit dem Plane umgegangen war, die Tochter des Chodenbauern zu freien, ja nach anderen schon seine Braut gewesen sei.

Diese Gerüchte waren nun freilich verstummt, als Franz das schöne Chodenmädchen zum Altare geführt. Aber sie warfen doch ihre Schatten auf das Glück des jungen Bauers, sobald er davon Kenntnis erhalten hatte. Vergebens zwang er sich zu der Annahme, daß es nur das Dankgefühl sei, welches Soukup und seine Familie dem Burschen schuldete und dem ja auch er sich nicht 234 entziehen durfte, denn ohne das mutvolle Rettungswerk wäre ja sein Schwiegervater verloren gewesen. Und daß Aloys diese Rettung mit dem Tode seiner Mutter bezahlte, trug ihm nur noch mehr Sympathie ein. So war es also auch an ihm, dem Burschen in jeder Weise erkenntlich zu sein.

Er wollte dies auch sein, und doch – und doch hatte er gegen denselben eine Abneigung, ein Mißtrauen, das er nicht zu unterdrücken vermochte. Wer einmal fähig gewesen, eine schlechte That zu begehen, einen Verräter zu machen, der konnte auch ein zweites Mal dazu fähig sein. Durch keine edle That, und wäre sie noch so groß, konnte seiner Meinung nach jener Fleck auf der Ehre verwischt werden, und so sah auch Franz in dem Burschen fortwährend nur den Verräter, erst an ihm, und das Blut stieg ihm heiß zu Kopfe, wenn er dem Gedanken Raum gab, daß derselbe sich auch an sein Weib mit verräterischer Absicht wenden könnte.

So war der reine Himmel des Glückes, der noch vor wenigen Wochen sich über dem jungen Ehepaare wölbte, plötzlich verdüstert worden. Franz hatte zwar seinem Weibe gegenüber kein Wort über die ihn quälenden Zweifel geäußert und Hančička schrieb den hin und wieder auftauchenden Mißmut ihres Mannes auf Rechnung der Geschäfte. Daß Franz jemals fähig wäre, in ihre treue Liebe Zweifel zu setzen, daran hatte sie niemals gedacht. 235


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