Maximilian Schmidt
Hančička das Chodenmädchen
Maximilian Schmidt

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XVIII.

Franz hatte keine Ahnung davon, daß, während er voll Wonne und Glück an Hančičkas Seite saß, sich draußen zu seinem Schaden ein solches Bubenstück vollzog. Es sollte aber mit den Tafelfreuden allein noch nicht Genüge gethan sein. Der Chodenbauer hatte auf Wunsch seiner Frau die gesamte Jugend der Nachbarhäuser zu einem Tänzchen eingeladen, welches sofort nach der Vesper beginnen sollte. Diese wurde selbstverständlich von allen besucht. In der prächtigen, schmuckreichen Kirche ertönte alsbald ein wunderbarer Volksgesang. Die schönen Stimmen, besonders der Frauen, verbanden sich ganz wie von selbst zu wohlklingenden Akkorden, und der böhmische Text brachte eine ungemein lebhafte Färbung in die frischen, nichts weniger als ernsten und getragenen Melodien.

Die meisten dieser Stimmen, so weit sie der Jugend angehörten, erklangen aber kurz darauf wieder in der großen Stube des Schloßbauers, teils als Lied für sich, teils als Begleitung zum Tanze. Auf einem erhöhten Platze in der Ecke saß das Orchester, bestehend aus einem Dudelsackbläser, dem Klarinettisten, als welcher der Quistorenhansl sich erboten hatte, und einem Geiger, welch letzteres Instrument der alte Jirka mit großer Wichtigkeit spielte.

Ein Teil der Burschen sang dazu Tanzlieder, während die anderen tanzten.

160 Die Texte zu diesen Tanzweisen sind meist Scherzgedichte, sogenannte Schnadahüpfeln. Sie wurden meist in böhmischer Sprache gesungen, wechselten aber auch öfters mit deutschem Texte in deutsch-böhmischem Dialekte ab.

»Ho mö so long scho' gmeiht,
Doß i a Deanal heit,
Bis ma' r an Deanla gfollt,
Wird ma z' lötzt olt.

Immer hübsch Gald im Lö'm,
Schotzerl, und di danö'm,
Owa nöt krok dabei
Deaffat ma sei'.

Juche! Du frischa Bua,
Knöpf dir dei' Tascherl zua,
Wenn a mol 's Tascherl springt –
's Galdl voklingt.

Golta, i gfollat dia,
Golta, i tauget dia,
Golta, i wa dia recht,
Won a di möcht.

Wisset i goa so gean,
Wer ihra Schotz wird wean;
Wia r 's is von Herzen guat –
Sogt mia ma Bluat.

S, C, H, schnaid dö nöt,
Durt liegt a Stoa' – und koa'
Trois Schotzerl krieg ö nöt,
Bleib' ö alloa'

So und anders klang es von den Lippen der Anwesenden. In dem engen Raume tummelten sich die 161 Tanzpaare ganz dicht gedrängt und langsam herum; sobald ein Paar abtrat, wurde es rasch durch ein anderes ergänzt. Alles ging in schönster Ordnung, häufig wurde dokola (ins Rad) getanzt, d. h. der Tänzer dreht sich mit seiner Tänzerin auf der Ferse des rechten Fußes an einer und derselben Stelle im Kreise und hebt sie zuletzt jauchzend in die Höhe. Je öfter er sich rasch nach einander dreht und je höher er dann sein Mädchen hebt, desto schöner und besser gilt sein Tanz. Dem lustigen Tänzerpaare rinnt freilich dabei der Schweiß von der Stirne, aber das wird nicht geachtet. Haben sie sich ja doch auf dem Felde beim Schneiden und Ernten schon an Hitze genugsam gewöhnt.

In der Pause wurde den Gästen Bier und Wein, sowie Geselchtes und FlöckenFlöcken sind eine Art Käskuchen, mit Weinbeeren und Mandeln gespickt, die in großen runden Formen als Osterkuchen gebacken und mit dem Schinken und den roten Eiern am Ostertage geweiht werden. verabreicht, und alles war guter Dinge. Auch der Pfarrer war als Soukups Gast anwesend und nahm den Ehrenplatz an der Tafel ein. Er drohte zwar hin und wieder der Tochter des Hauses mit dem Finger, daß sie sich so jung schon dem Tanzvergnügen überlasse, aber diese meinte lächelnd, der geweihte Herr möge ihr das nicht so schwer anrechnen, sondern lieber mit ihr einen langsamen Tanz wagen. Das ließ sich der lustige Herr nicht zweimal anbieten und er tanzte zur Freude aller Anwesenden mit dem schönen Mädchen ein paarmal herum.

Inzwischen kam auch Aloys, in echte Chodentracht gekleidet, in die Stube. Franz sah ihn heute zum erstenmale, aber er bemerkte sogleich dessen feindseligen Blick. 162 Zugleich erkannte er die Absicht, die ihn hergeführt: er wollte mit Hančička tanzen.

Deshalb sagte Franz leise zu dem Mädchen:

»Wenn's d' mi lieb hast, Hančička, so tanzt nöt mit dem Burschen dort.«

»Aber warum?« fragte diese. »Er ist doch ein Landsmann von dir?«

»Aber koa' guata,« lautete die Antwort.

Aloys schien zu ahnen, was die beiden mitsammen sprachen, denn er wandte sich jetzt direkt an den Schloßbauern mit der Bitte:

»Herr, i hätt' a Bitt. Macht's, daß i mit Enkera Tochter oa'mal tanzen kann. I trau mir nöt anz'frag'n.«

Der Bauer sah erst Aloys groß an, dann aber überlegte er, daß nicht der richtige Augenblick dazu sei, ihm diese Bitte abzuschlagen, und so sagte er kurz:

»So komm mit!«

Er führte ihn zu Hančička und sagte ihr:

»Mach mit'n Aloys an' Tanz.«

»Aber Vater« – wollte das Mädchen einwenden, doch dieser sagte kurz und bestimmt: »I will's!«

Gegen diesen bestimmten Befehl ließ sich nichts machen; Hančička mußte mit Aloys tanzen. Einen entschuldigenden Blick auf Franz werfend, ließ sie sich von dem andern zum Tanze führen. Aloys tanzte mit ihr do kola, und zwar so hübsch, daß alles erfreut zusah: dann nachdem er sie ein paar Mal in die Höhe geschwungen, führte er sie dankend an ihren Platz zurück. Mit einem gewissen Hohn sah er dabei in das sichtlich erzürnte Gesicht Franzens, und einmal im Zuge, machte er sich durch Singen und Jauchzen ganz besonders bemerkbar.

163 »Der g'fallt mir, der Aloys,« sagte der alte Waldhofbauer und ging zu ihm hin, ihm sein Wohlwollen auszudrücken.

Franz aber war mißstimmt. Hančička begriff den Grund nicht und gab sich alle Mühe, den Burschen wieder aufzuheitern, was ihr auch so ziemlich gelang. Doch fand er es für angemessen, an die Nachhausefahrt zu denken. Er kannte sich und wußte, daß es nur eines kleinen Anlasses bedurfte, um seinen Zorn gegen Aloys zum Ausbruch gelangen zu lassen. Das friedliche Fest aber durfte heute in solcher Weise nicht gestört werden. Er hoffte, daß sich eine passendere Gelegenheit zur Abrechnung finden würde.

Der Waldhofbauer trennte sich zwar ungern, aber Franz drängte zur Heimfahrt. So verabschiedeten sich die beiden von ihren Gastfreunden und Hančička fand nochmals Gelegenheit, dem Geliebten zu versichern, daß sie ihm gehöre fürs Leben. Das machte Franz wieder heiter. Unter fröhlichem Abschiedswinken der Zurückbleibenden fuhren Vater und Sohn der Heimat zu. –

»Franzl,« fragte der Waldhofbauer, nachdem sie eine Weile schweigend so dahingefahren, »g'steh mir's ein, dir is was über's Leberl gloffa – hon ebba i nöt mein Mann g'macht und mit'n Herrn Pfarrer g'red't, wie no'mal a Gstudierter?«

»Warum nöt gar!« entgegnete Franz. »Mir hat's halt nöt paßt, daß d' Hančička außer mir aa no' mit wem tanzt hat.«

»Ah so! – Wirst dennast nöt eifersüchti sein?«

»Eifersüchti? Alle Teufel, dös gaang mir grad ab!«

»No', dumm waar's von dir, wenn's d' auf'n geistlin 164 Herrn eifern thaatst z'wegn die paar Schrittln, die er tanzt hat.«

»Sei staad, Vater, i bitt' di – dös waar freili dumm.«

»No', nacha is's mir schon wieder recht, wenn d' dös einsiehgst. Schön is's gwen; g'segens uns Gott! Aha! Hörst, die zwoa Roß beniasen's, daß 's wahr is. Schnupf ma a Mal!« 165


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