Maximilian Schmidt
Hančička das Chodenmädchen
Maximilian Schmidt

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XXVI.

Zu Jakobi ist im Walde ein sogenannter abgeschaffter Feiertag, der aber noch allenthalben in Ehren gehalten wird. Auch am Waldbauernhofe hatten die Dienstboten arbeitsfrei und durften in die Nachbarorte gehen, wo an diesem Tage kirchlicher Gottesdienst und selbstverständlich in den Wirtshäusern kleine Unterhaltungen mit Musik stattfinden.

Franz hing gerade heute mehr, als ihm zusagte, seinen trüben Gedanken nach. Es litt ihn nicht zu Hause, er wollte nach Kubitzen hinüber gehen, um sich dort mit einigen Bekannten zu unterhalten, damit er auf andere Gedanken käme.

Hančička fiel das nicht besonders auf. Franz begab sich oftmals dorthin, teils des Geschäftes wegen, da sich dort stets Viehhändler einfanden, mehrmals aber auch, um seinen dort weilenden Vater nach Hause zu bringen, der gern über Gebühr im Wirtshause sitzen blieb, dem Sohn aber stets willig folgte, wenn dieser ihn mahnte, daß es Zeit zur Heimkehr sei.

Im dortigen Einkehrhause ging es immer sehr lebhaft zu. Das Leben und Treiben an der Grenze ist ja stets ein viel regeres, als im Binnenlande. Auch die Leute sind dort anders geartet, denn Handel und Wandel macht sie besonnener und unternehmender, als anderwärts, 236 wo sie ihre Thätigkeit nur in einem kleinen Wirkungskreise entfalten können. Kubitzen hat auch einen guten Ruf als vortreffliche Weinschenke und wird deshalb auch mit Vorliebe von Touristen und Sommerfrischlern aufgesucht, da sich ihnen von hier aus zugleich eine wunderbare Rundschau über das Gebirge des Bayer- und Böhmerwaldes, sowie in die beiden Hauptverkehrsadern des Passes, Furth-Taus, und Eschlkam-Neumark-Neugedein eröffnet.

Auch heute ging es in dem Einkehrhause sehr lebhaft zu. Beim Eintritte sah sich Franz von einem Bettelweibe um eine Gabe angegangen. Der junge Bauer unterstützte die Armut gerne und da er neben dem Weibe zwei kleine Kinder erblickte, die sehr verhungert aussahen, gab er sofort Auftrag, daß sie auf seine Rechnung Essen und Trinken erhielten.

Kurze Zeit später ging Aloys an dem Hause vorüber und er fragte das am Eingange sitzende Bettelweib, ob der junge Waldhofbauer in der Zechstube wäre. Das Weib konnte die Frage bejahen.

Ein eigentümlich hämischer Zug glitt über des Burschen Gesicht.

»Nix sagen, daß i g'fragt hab,« sagte er zu dem Weibe, »ja nix schnaufen davon!« und vorsichtig sich umsehend, entfernte er sich nicht auf dem gewöhnlichen Wege, sondern geradewegs durch die Waldung in der Richtung nach dem Waldbauernhofe.

Dem Weibe kam das verdächtig vor. Es war derselbe Bursche, den sie an jenem Ostermontage im Hofe des Schloßbauers zu Trhanow beobachtet, und der so heimlich that, als er sich von einem Stall in den anderen schlich, und 237 jetzt stieg in dem Weibe der Verdacht auf, ob er damals nicht ein Schelmenstück verübt. Sie hatte wohl von dem Unglück gehört, das der Waldbauer zu jener Zeit mit seinen Pferden gehabt. Und in jener Nacht, als der Schuß auf den von der Hochzeit heimkehrenden Bräutigam abgegeben wurde, da hatte sie eben demselben Burschen auf geheimen Wegen begegnet. Jetzt hatte aus seinen Zügen ebenfalls nichts Gutes gesprochen.

Die arme Frau hielt es für ihre Pflicht, den wohlthätigen jungen Bauer von ihrem Verdachte in Kenntnis zu setzen und sie beauftragte deshalb ihr kleines Mädchen, ihn aus der Stube zu holen.

Franz war über die Enthüllungen der Bettlerin aufs höchste erregt. Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen; Aloys war daran schuld, daß seine Pferde krank geworden, von ihm kam das tötliche Blei, das ihm auf der Heimfahrt von der Hochzeit zugesendet worden, und jetzt – hatte er es auf die Ehre seines Weibes abgesehen, – zu Hančička schlich er sich während seiner Abwesenheit in nächtlicher Stunde. –

Er drückte der Bettlerin einen Thaler in die Hand, gebot ihr Schweigen und eilte in die Wirtsstube zurück, wo er rasch ein Glas Wein hinunterstürzte. Dem Vater sagte er, er werde vorausgehen und ohne dessen Antwort abzuwarten, stürmte er davon.

Seine Blicke sprühten Wut und seine Faust ballte sich krampfhaft zusammen. Wie in einem Taumel eilte er durch den Wald auf dem kürzesten Wege seinem Hofe zu. 238


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