Johannes Scherr
Die Pilger der Wildnis
Johannes Scherr

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15.

Unterdessen wehte hoch und stattlich
Längs der Reede schon Selmiras Flagge.
Platen.
Mein Name ist Alkatar! ruft der Maure;
Und Vargas meiner! ruf' ich ihm zurück.
Dann dring' ich stärker auf ihn ein und bohre
Das Schwert ihm in die Brust; ein Augenblick,
Alarkon.

Der Flibustier war zu sehr durch und durch französischer Gentilhomme, um sich anmerken zu lassen, daß derartige Ausbrüche puritanischer Frömmigkeit mit seiner Sinnesweise durchaus nicht übereinstimmten. Er beobachtete daher, wenn auch mehr nur aus Höflichkeit als aus Teilnahme, während des Gebetes ein achtungsvolles Schweigen und begnügte sich, nachdem der fromme Hilferuf vorüber, dem Trapper zuzuflüstern:

»Wenn uns nur ein alttestamentliches Wunder retten kann, Freund Willem, so möchte es verteufelt schlecht mit uns stehen. Die Zeit dieser Wunder ist längst vorbei, vorausgesetzt, daß es je eine solche Zeit gegeben hat.«

»Ich versteh' Euch nicht recht, Kapitän,« entgegnete der einfache Waldgänger auf diese Äußerung eines Skeptizismus, welcher zur Zeit, in der unsere Geschichte spielt, keineswegs zu den Seltenheiten gehörte. »Ich versteh' Euch nicht recht, aber soviel scheint sicher, daß, vermut' ich, ein Wunder geschehen muß, wenn wir dieser Teufelei entrinnen wollen.« »Es ist eine Teufelei, Ihr habt recht. Meine Herrin – ach, ich möchte noch einmal ihr süßes Antlitz wiedersehen – hat mir einmal einen italischen Poeten verdolmetscht, der eine lange Wanderung durch die Hölle beschreibt; ich meine aber, der Mann hätte zuerst einen Waldbrand erleben sollen, um zu wissen, wie man sich die Hölle vorzustellen hat. – Ich wurde einst zwei Tage und zwei Nächte hindurch in einem offenen Boote auf stürmischer See herumgeschleudert, hatte weder Proviant noch Wasser, aber was war jener Durst gegen den, welcher mir jetzt die Zunge im Munde zusammenschrumpfen macht!«

»Wir müssen Wasser haben!« sagte der hinzutretende Thorkil. »Lovely stirbt vor Hitze und Durst – ich kann es nicht länger mit ansehen und will hinab. Es muß in der Nähe des Lagers eine Quelle geben. Ihr wißt vielleicht den Platz, Willem –«

»Ja, ich kenne den Platz, aber bevor du denselben erreichst, raucht dein Skalp am Gürtel eines Wampanogen.«

»Ich muß es versuchen,« versetzte der junge Jäger, die Feuerfunken abschüttelnd, welche auf sein Jagdhemd niederfielen.

»Wenn es versucht werden soll, so will ich es tun,« entgegnete Willem; »ich kenne den Ort und –«

»Hört,« unterbrach der Flibustier den Trapper, sich hoch aufrichtend und mit einer Miene lauschend, als wollte er alle Kräfte seines Geistes und Körpers im Ohre konzentrieren.

»Es ist nur das Gekrach stürzender Stämme,« sagte Groot Willem. »Sie donnern im Falle wie losgebrannte Geschütze.«

»Ja, sie donnern ungefähr so, aber sie donnern nicht von der Seeseite her. – foi de gentilhomme! es wird unausstehlich hier – der Qualm, die Hitze, der Durst unerträglich! Wir sind wie die drei Männer im Feuerofen, von welchen, wenn mir recht ist, ein jüdischer Prophet erzählt. Die Luft atmet geschmolzenes Metall. – Ich sag' Euch, das arme Mädchen muß Wasser haben und müßten wir zehnmal unser Leben dafür einsetzen. – Ha, abermals! Hört! – Und wiederum! – Nein, das ist nicht das Gekrach stürzender Baumstämme!«

In kurzen Pausen ließ sich von der dem brennenden Wald entgegenstehenden Seite ein dumpfer Schall vernehmen.

Die Männer lauschten, nicht achtend des auf sie niederfallenden Funken- und Aschenregens, welcher übrigens, da der Wind sich entschieden gedreht, an Dichtigkeit abzunehmen anfing.

Wiederum jener dumpfe Schall vom Wasser her, diesmal drei Schläge rasch nacheinander.

»Die Gloria spricht!« schrie der Flibustier jubelnd auf. »Meine Herrin –«

Er vollendete den angefangenen Satz nicht, sondern rannte in den Hintergrund des Felsspalts und schwang sich mit der Gelenkigkeit eines Matrosen, welcher die Takelage des Hauptmastes hinaneilt, in die Krone des Wallnußbaumes hinauf.

Willem und Thorkil sahen einander an. In den Augen des Jünglings leuchtete ein Hoffnungsstrahl auf.

»Es könnte sein, es könnte sein,« sagte der Alte bedächtig. »Hih-lah-dih, die treue Seele, könnte das Schiff in voriger Nacht getroffen haben, vielleicht auch führt es ein günstiger Zufall an diese Küste. Der Dampf des Waldbrands könnte die Bemannung aufmerksam gemacht haben, daß etwas am Ufer vorgehe, und nachdem der Nordwind das Herankommen des Fahrzeugs bis jetzt verhindert, befördert der umgeschlagene Wind sein Nahen. – Hm, ja, es könnte so sein, vermut' ich.« »Hussa, Freunde,« rief De Lussan aus dem Baumwipfel herab. »Mut, Mut, die Gloria ist auf dem Wasser!«

Und seine Stimme zu einer Stärke anschwellend, welche ihm fast die Brust sprengte, schrie er gegen die See hinab:

»Gloria und Desdemona!«

Dann, eines bessern sich besinnend, rief er Willem zu:

»Reicht mir Euer Roer herauf, Freund. Es gibt einen gewaltigen Krach und vielleicht kann ich zugleich einen der rothäutigen Schurken niederbüchsen, welche dort hinter den Lagerhütten lauern. O, wenn die Kerle nur standhalten, wenn sie nur standhalten! Sie sollen ihr höllisches Feuerwerk büßen – bei der Seele meiner Herrin!«

Der Schuß fiel.

Ein Geheul von dem Lager herauf gab Antwort.

Ein dröhnender Donner kam über das Wasser daher.

Die Gloria hatte seit mehreren Stunden lavierend gegen den konträren Wind angekämpft.

Zur nämlichen Zeit aber, als die an der fernen Küste aufsteigenden Rauchmassen der Bemannung des Schiffes die dunkle Besorgnis einflößten, daß sich auf der Landzunge eine Katastrophe vorbereitete, sprang der Wind erst leise und dann stärker um. Sogleich bedeckte sich die Fregatte mit einem Gewölke von Segeln, und ihr Kiel durchfurchte die Flut mit einer Schnelligkeit, welche freilich hinter den glühenden Wünschen der Königin des Schiffes noch weit zurückblieb.

Das Schiff entfaltete im Segeln seine kriegerische Schönheit: der breite rote Saum längs der Seiten seines Rumpfes war verschwunden, und in den dahinter gähnenden Stückpforten lauerten die metallenen Schlangen, bereit, Tod und Verderben zu speien; die ganze Mannschaft stand mit Lunten und Ladkolben bei den Geschützen oder war auf dem Deck versammelt, gleich bereit zum Entern wie zur Landung; auf allen Mastspitzen flatterten hochrote Fähnchen, und eine mächtige Flagge von derselben brennenden Farbe rollte in weiten Falten von der Gaffel herab.

Von der Hütte aus musterte die Herrin des Schiffes vermittelst eines Fernglases die Küste. Ihr zur Seite hielt sich Monsieur Legrand, bereit, ehrerbietig ihre Befehle zu empfangen und zu vollziehen.

»Die Brise treibt den Rauch landeinwärts, Madame,« bemerkte der Offizier. »Wir werden bald sehen, was die Sache zu bedeuten hat. Ein Stück Wald brennt dort, soviel können wir schon jetzt wahrnehmen. Unterdessen rückt das Schiff rasch vor, und wir müssen acht haben, daß wir nicht auf den Strand laufen. – Monsieur Terrible, he, sorgt dafür, daß das Senkblei unausgesetzt gehandhabt werde, und gebt dem Sieur Estevan von Sekunde zu Sekunde die Fadentiefe an. Ruft auch die Leute an das Gangspill, damit, so es nötig, der Anker sogleich in die Tiefe gehen kann.«

»Ah, jetzt sehe ich das Feuer!« sagte Desdemona. »Welche Flammengarben! Und dort am Ufer, wie, sind das nicht Hütten oder Zelte, Monsieur Legrand? Ich meine, es bewegt sich dort etwas. Weiter zurück nehme ich einen Felsen oder etwas ähnliches wahr. – Mein Gott, mir ist, Raoul sei dort und in Not. – Laßt noch einmal ein Paar Geschütze lösen, Monsieur Legrand, um unser Kommen zu signalisieren.«

Der Befehl wurde weiter befördert, und die Schüsse hallten donnernd über das Wasser hin.

Das Auge Desdemonas hing unverwandt an der Landzunge. »O,« rief sie aus, »horch, war das nicht der Klang einer Menschenstimme, seiner Stimme? – Und jetzt, ha, ein Schuß! Eine Antwort auf unsere Signalschüsse! Voran mit dem Schiff, voran!«

»Es war ein Schuß, Madame, ja, und er schien von dem Ding auszugehen, das, wie mein Glas verrät, wie ein Fels aussieht. Aber die Gloria fliegt dem Ufer zu und –«

Don Estevan stieg mit einer eiligen Meldung die Treppe zur Hütte herauf.

»Wir müssen wenden, Madame, das Lot zeigt nur noch zwei Faden Tiefe. – He, ihr dort, herum mit dem Steuer, herum mit ihm!«

Dem Steuerruder gehorchend, fiel das Schiff von seinem Kurs ab, und als das von Don Estevan gegebene Kommandowort, die Segel zu reffen, in Vollzug gesetzt war, stampfte das Fahrzeug eine kurze Weile und glitt dann lavierend seitwärts.

Nach einer kurzen hastigen Besprechung zwischen Desdemona und Legrand worin dieser die Unmöglichkeit, länger vor dem Winde zu segeln, ohne das Schiff auf den Strand rennen zu lassen, dartat und dagegen andere bestimmte Weisungen erhielt, setzte er das Sprachrohr, welches er an seinem Bandelier hängen hatte, an den Mund und ließ das kurze Losungswort: »Überall!« über das Deck hinschauen.

Das Geschrill von Terribles Pfeife verkündigte, daß »alle zu Haus,« das heißt, daß alle auf ihren Posten seien.

»Macht die Boote klar! Alle Boote klar!« schmetterte das Sprachrohr.

»Die Boote stehen über ihren Klapläufern, Sieur,« schrie nach kurzer Weile der Hochbootsmann vom Vorkastell her. »So laßt los! Boote all in See!«

»Die Boote sind flott, Sieur.«

»Gut, laßt sämtliche Bootsmannschaften ihre Waffen nehmen, um ans Land zu gehen. Monsieur Terrible, Ihr werdet das Steuer der Pinasse führen, da Sennor Estevan, welcher die Expedition kommandiert, in der Barkasse gehen wird. Das Langboot befehligt Monsieur Ruyter, den Kutter Monsieur Bligh. Sennor Estevan, kommt her, die Befehle von Madame zu empfangen. Monsieur Terrible, hinunter mit den Leuten in die Boote, all hinunter!«

Don Estevan empfing Desdemonas Befehle, worauf ihn Legrand an die Fallreefstreppe begleitete mit den Worten:

»Es ist offenbar auf der Landzunge dort nicht alles, wie es sein sollte. – Horch, da kracht wieder ein Schuß, der Pardieu! akkurat wie ein Notschuß klingt. Faßt die Landzunge von der Steuer- und Backbordseite, Sieur. Findet die Landung Widerstand, so will ich die Breitseite der Gloria sprechen lassen. Im übrigen handelt nach Befund der Umstände. Adieu!«

»Eilt Euch, Don Estevan, eilt Euch!« rief Desdemona vom Hackebord herab.

Der junge Offizier schwang sich die Treppe hinab in die Barkasse, auf ein von ihm gegebenes Zeichen senkten die Ruderer ihre Riemen ins Wasser und sämtliche Boote entfernten sich rasch von dem Schiffe.

Scharfe Augen beobachteten von dem Lager der Wampanogen aus die Bewegungen der Fregatte und ihrer Boote.

Metakom mußte nach dem, was heute vorgefallen, befürchten, daß die Krieger des Häuptlings des Donnerschiffes gewiß in keiner freundlichen Absicht kämen. Zudem war ihr Kommen ein so unvorhergesehenes und rasches, daß es unmöglich, solche Maßregeln zu ergreifen, welche geeignet gewesen wären, das Bedrohliche dieses neuen Unglücks abzuwenden.

Der Sachem erkannte sofort, daß das äußerste herannahte. Verzweiflung faßte sein stolzes Herz an, und seine Hand umklammerte krampfhaft das Heft seines Messers, als ob ihn der Gedanke des Selbstmordes durchzuckte. Dies ging jedoch vorüber, und der Stoizismus seiner Rasse befähigte ihn, auf seinem Posten auszuharren bis zuletzt. Ein zweiter Gedanke, der ihm kam, mußte als unausführbar verworfen werden. Er dachte nämlich, gestachelt von seinem furchtbaren Ingrimm gegen die Blaßgesichter, einen Augenblick daran, noch einen Sturm auf den Felsen zu unternehmen, um wenigstens nicht ohne Rache unterzugehen. Allein er stand alsbald wieder davon ab, weil nach den gemachten Erfahrungen schlechterdings keine Aussicht vorhanden war, den Stein zu nehmen, bevor die Boote am Lande wären. Er sah wohl ein, daß unverweilter Rückzug das beste wäre, aber wie denselben bewerkstelligen? Die Wampanogen befanden sich in einer Falle. Der von ihnen angefachte Waldbrand, berechnet auf das Verderben der Besatzung des Felsens, schlug nun zu ihrem eigenen aus: der brennende Wald sperrte ihnen den Rückzug zu Lande. Einen Rückzug zu Wasser aber, vorausgesetzt, daß derselbe auf den wenigen Kanoes, welche vorhanden, möglich war, machten die wohlbemannten Boote der Gloria unmöglich.

»Meine Brüder müssen kämpfen,« sagte der Sachem mit kalter Fassung zu den Kriegern, welche sich in seinem Wigwam um ihn drängten. »Metakom wird ihnen zeigen, wie ein Wampanoge gegen die Hunde von Blaßgesichtern ficht bis zum letzten Hauch.«

Es war zu langem Hin- und Herreden keine Zeit übrig, und man fügte sich daher schweigend den Anordnungen des Häuptlings.

Es galt zunächst den Versuch, die Landung der Bootsmannschaften zu verhindern, wobei freilich die Rohrhütten und Lederzelte des Lagers eine schwache Verschanzung abgaben.

Metakom postierte diejenigen seiner Krieger, welche mit Feuergewehren bewaffnet waren, so, daß sie in möglichst gedeckter Stellung auf die herankommenden Boote feuern konnten, und befahl den übrigen, mit Tomahawk und Messer zum Handgemenge sich bereit zu halten.

Die Katastrophe entwickelte sich jetzt mit dramatischer Raschheit und Lebendigkeit.

Da der alte Trapper sicher war, von dem mählich niederbrennenden Wald aus könne ein Angriff auf den Stein nicht mehr erfolgen, stieg er in das Geäste des Wallnußbaumes hinauf, von wo aus der Flibustier mit brennenden Blicken die Bewegungen der Gloria und ihrer Boote beobachtete.

» Foi de gentilhomme, alter Waldteufel,« rief De Lussan munter dem Trapper entgegen, »wir wollen ihnen nun die Musik zu ihrem Feuerwerk aufspielen. Da, seht auf die See hinab. 's ist ein Anblick, der ein Seemannsauge erfreuen kann. O, ich wette, meine Herrin ahnt, wie es mit uns steht. Die Liebe sieht mit dem Herzen. Seht, die Boote kommen heran. Es wird eine hübsche Attacke abgeben. Ich meine, der höllische Durst ist mir ganz vergangen.

Groot Willem betrachtete nach seiner Gewohnheit schweigend die Szene zu seinen Füßen, während er sein Roer, das er wieder zur Hand genommen, bedächtig lud.

»Was sagt Ihr, Mann?« fragte der Flibustier.

»Die Indianer, welche da unten in ihrem Lager im Versteck liegen, werden einen Versuch machen, die Landung der Boote zu hintertreiben, vermut' ich.«

»Vermutet Ihr? Ja, hört, da knallen sie ihre Büchsen los. Mut hat König Philipp, das muß man sagen.«

»Er wird fechten, Kapitän, bis ihm der Atem ausgeht. Bleibt ihm auch, rechne ich, sonst nichts übrig. Kommen nun die Burschen durch ihre eigene Teufelei, den Waldbrand, in die Klemme. Können nicht vorwärts und nicht rückwärts, wie ein Biber in der Falle.«

»Wollen aber, vermut' ich,« versetzte De Lussan, in seiner Fröhlichkeit die Redeweise des Alten Parodierend, »unsererseits nicht die Rolle müßiger Zuschauer spielen, während man sich da unten schlägt. Wollen hinab, Mann, wollen wir nicht?«

»Wollen hinab, Kapitän. Aber sachte, sachte. Ist unsere Zeit noch nicht gekommen,«

»Noch nicht? Seht, die Boote bereiten sich, die Landzunge an ihren beiden Flanken zu attackieren. Ha, da legt sich die Gloria dwarsab und zeigt ihre Zähne. Aber seht dorthin, Alter! Ich will nie mehr das Deck meines Schiffes beschreiten, wenn ich nicht dort auf der Hütte den Schleier meiner Herrin flattern sehe!«

Die Boote waren inzwischen auf Schußweite herangerudert. Von dem Lager her empfing sie ein lebhaftes Gewehrfeuer, welches mehrere Matrosen verwundete. Sogleich verließ Don Estevan die gerade Linie, auf welcher er vorrückte, und beorderte Terrible, mit der Pinasse und dem Langboot die rechte Seite der Landzunge anzugreifen, während er den Kutter und die Barkasse nach der linken dirigierte.

Monsieur Legrand, welcher von der Schanze der Fregatte aus den Widerstand wahrnahm, welchen das Vorrücken der Boote fand, hielt es jetzt für passend, die Breitseite der Gloria sprechen zu lassen, wie er sich ausgedrückt hatte.

Das Schiff legte sich dwarsab, ein langer Feuerstreif blitzte die Stückpforten entlang und, vor dem Donner der Geschütze einherfahrend, ergoß sich der eiserne Hagel einer vollen Lage auf das indianische Lager.

Die Wirkung war schrecklich.

Die Zelte und Hütten zerstoben vor den Kugeln wie Spreu vor dem Winde und bedeckten mit ihren Trümmern Getötete und tödlich Verwundete.

Ein gräßlicher Wehruf stieg auf.

»Gloire und Desdemona!« rief der Flibustier jubelnd von der Höhe des Felsens herab.

Die Seeleute erkannten die Stimme und den Schlachtruf ihres Anführers, gaben ihm frohlockend die Losung zurück und bewerkstelligten unter wildem Jauchzen an den beiden Endpunkten der Landzunge ihre Landung.

Dann trat eine kurze Pause ein, indem sich die beiden Parteien ordneten, die eine zum Angriff, die andere zur Verteidigung.

Der Flibustier unterbrach die Stille mit seinem Ruf:

»Drauf, Jungens, drauf! Vorwärts! Hussa, Gloire und Desdemona!«

Die gelandeten Seeleute gehorchten mit hellem Hurrageschrei dem Kommando und drangen von beiden Seiten her in das Lager der Wampanogen vor.

Von Willem und Thorkil gefolgt, sah man De Lussan, dessen Ungeduld sich nicht mehr bändigen ließ, von dem Felsen her über den freien Platz zwischen diesem und dem Lager herbeieilen, um sich an die Spitze seiner Leute zu stellen, deren Tapferkeit durch seinen Anblick zum wilden Enthusiasmus gesteigert wurde. Mit gewaltiger Stimme stieß er kurze, scharfbetonte Befehlsworte aus und gab seinen Scharen mit der Spitze seines Säbels die Richtung an, welche sie zu nehmen hatten.

Und jetzt hob ein Schauspiel der Wut, Verzweiflung und Vernichtung an, zu welchem der glostende, dampfende Wald einen passenden Hintergrund bildete.

Das furchtbare der Szene, die sich zu einem Pandämonium voll Mord und Geheul gestaltete, wurde dadurch vermehrt, daß eine der Rohrhütten durch einen Schuß entzündet worden war und das Feuer mit schwelgender Hast um sich fraß.

Metakom erwies sich in dieser letzten Stunde seiner Laufbahn seines hohen Rufes vollkommen würdig. Der Widerstand, welchen er leistete, kam an Kühnheit und Feuer dem Angriff gleich. Der Sachem schien sich zu verdoppeln und zu verdreifachen, denn überall erschien er, wo es am heißesten herging. Seine Krieger mit Gebärde und Beispiel anfeuernd, ließ er den Kriegsruf seines Stammes mit Macht erschallen, als wollte er, daß diese Töne wenigstens mit Ehren verklingen sollten.

Der Kampf wogte eine Weile mit abwechselndem Glück durch die Gassen des brennenden Lagers. Der tapfere Widerstand, welchen sie fanden, erhöhte aber nur die Wut der Flibustier, die alles niedermetzelten, was ihnen in den Weg kam, da der Zorn, welcher von der Stirn ihres Anführers leuchtete, keinerlei Schonung befahl.

Zuletzt konzentrierte sich das Gefecht um die Medizinhütte, deren Absonderung von den übrigen Wigwams sie vor dem Feuer schützte.

Ein Häuflein von Tapfern, welche der Tod noch verschont hatte, sammelte sich, um den Sachem, der hier seinen letzten Kampf kämpfte. Aber die Zahl seiner Mitstreiter minderte sich rasch, sie fielen rechts und links an seiner Seite, und bald stand er allein.

Sein Mund schnaubte, seine Nasenflügel arbeiteten wie die eines kämpfenden Löwen, seine Augen sprühten Flammen umher, und sein Tomahawk schlug den Angreifern Todeswunden.

Eine Schicht von Leichnamen hatte sich vor ihm aufgehäuft, während er so, mit dem Rücken an den Eichenstumpf gelehnt, von welchem früher mehrfach die Rede gewesen, um sein Leben stritt.

Der Hochbootsmann, welcher dem Ding ein Ende machen wollte, wie er vor sich hin brummte, trat ein paar Schritte zurück, zog den Hahn seines Faustrohrs auf und wollte dasselbe auf den Sachem losbrennen, als ihm der herbeikommende De Lussan die Waffe aus der Hand schlug mit den Worten:

»Der Mann gehört mir. Rühre ihn keiner an!«

So sprechend schritt er vorwärts, wurde aber aufgehalten durch einen Ruf Thorkils.

»Nein, Kapitän,« rief der junge Jäger, »mir gehört der Mann, und mein ist diese Arbeit!«

Und er stürzte mit gezücktem Messer auf den Sachem los.

Allein ein anderer kam ihm zuvor.

Denn plötzlich warf sich Ischähkonih zwischen ihn und den Häuptling und schleuderte seine Keule gegen diesem mit dem gellendem Schrei: »Hahnih! Rache für Bruder.«

Es war vielleicht für Metakom die bitterste der Bitterkeiten dieses Tages, als ihn bei diesem Angriff von seiten eines Mannes seiner Farbe blitzschnell der Gedanke durchzuckte, daß die Rettung Thorkils durch Mato und all das Unglück, was daran sich geknüpft, nur durch die Verrätern eines seiner eigenen Krieger ermöglicht worden. Ein Schrei der grimmigsten Wut brach aus seinem Munde. Er wandte die Keule mit dem Tomahawk zur Seite, holte vorspringend zum Schlage aus, und mit zerschmettertem Schädel sank der Verräter zur Erde.

Dann warf er sich mit dem Satze eines Tigers auf Thorkil und rannte ihn zu Boden, wobei aber die Gewalt des Anpralls und Rückstoßes auch ihn taumeln machte.

Bevor der Sachem wieder fest auf den Füßen stand, hatte sich der junge Jäger emporgeschnellt. Das Messer war ihm entfallen, aber er zuckte mit der Rechten den dreischneidigen Dolch, welcher als Beweisstück auf der Gerichtstafel zu Providence gelegen hatte.

Sich umwendend, fühlte der Häuptling den heißen Atem des Bluträchers an seiner Wange. Er machte eine furchtbare Anstrengung, sich der Umschlingung Thorkils zu entwinden. Vergebens! Ein kurzes Ringen auf Leben und Tod, und der Dolch saß in der Brust Metakoms.


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