Johannes Scherr
Die Pilger der Wildnis
Johannes Scherr

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2.

Wie so schön war die Fregatte,
Wenn sie unterm Winde lief!
Prächtig war der Segel Wehn,
Schier wie Atlas anzusehn!
Über scharlachroter Latte
Trug der Rumpf, der lange, platte,
Vierundzwanzig Stück Geschütze.
Müde wohl auf ihrem Sitze
Bog sich tief der Masten Spitze.
Kein hispanisch Schiff noch hatte
Je sie eingeholt, die glatte
Flut wie sie durchschneidend schief.
Wie so schön war die Fregatte,
Wenn sie unterm Winde lief!
De Vigny.

»Wohl ein Herz von Erz muß der im Busen getragen haben, welcher zuerst auf schwankem Kiel sich hinauswagte auf die dräuende Meerflut« – singt der römische Dichter. Und in der Tat, die Dienstbarmachung des gewaltigen, erdumspannenden Elements ist einer der größten Triumphe menschlicher Kühnheit, eins der wichtigsten Resultate menschlicher Erfindungsgabe. In alter und neuer Zeit haben Poeten sich bemüht, diesen Sieg des Geistes über die Naturkraft zu feiern und den »ersten Schiffer« mit dem Nimbus der Mythe zu umgeben. Keiner hat die Höhe seines Gegenstandes erreicht, aber schön ist die uralte Sage, daß die Hand eines Liebenden den ersten Kahn aus einem Baumstamm gehöhlt, daß die Sehnsucht der Liebe das erste Segel am ersten Maste befestigt habe.

Welch ein unermeßlicher Fortschritt von diesem primitiven Fahrzeug bis zu den riesenhaften Dampfern, welche die Fahrt zwischen der alten und der neuen Welt zu einer Vergnügungspartie machen oder, mit hundert und mehr Kanonen bewaffnet, aus den Kriegshäfen Englands und Frankreichs in See gehen! Man kann mit Grund sagen, die Geschichte der Schiffsbaukunst und der Schiffahrt sei die Geschichte der menschlichen Zivilisation, und doch bildet sie wieder eine ganz eigentümliche Seite der letztern, sofern sie in all ihren Wandlungen jenen ursprünglichen Zauber der Poesie beibehalten hat, welchen so viele andere Erscheinungen des Kulturlebens in ihrem Vorschreiten einbüßten und einbüßen mußten. Sollte, wie ängstliche Gemüter schon jetzt prophezeien, dereinst eine Zeit kommen, wo in dem Getöse des materiellen und mechanischen Treibens der Gesellschaft die »erstgeborene Tochter Jovis« keine bleibende Stätte mehr finden könnte – das Meer wird ihr ein Asyl gewähren, aus welchem sie nicht zu verdrängen ist, solange die Wogen rollen, die Brandung rauscht, die Stürme rasen und die Lichter des Firmaments in der unendlichen Tiefe sich spiegeln. Der letzte Seemann wird der letzte Dichter sein.

Schön, erhaben schön ist ein Schiff, das bei zuckenden Blitzen und schmetterndem Donner auf Leben und Tod mit dem Orkan kämpft, jetzt emporgehoben auf den schaumbrodelnden Gipfel einer ungeheuren Welle, jetzt jach hinabschießend in einen schwindeltiefen Abgrund. Aber schön auch ist ein Schiff, welches bei ruhiger See und klarem Himmel, nur mit seinen leichten Obersegeln bekleidet, über die Tiefe hingleitet, welche allen Glanz und alle Bläue der Luft in sich gesogen zu haben scheint, lavierend bald vor sich wendet, bald zurück, bald dahin, bald dorthin, und endlich alle Leinwand seines Takelwerks einholend, regungslos still liegt, dem Delphin gleich, der seines Tummelns und Spielens müde auf dem Wasser einschläft.

So das Fahrzeug, welches den ganzen Nachmittag unter seinen Bramsegeln nordwärts von der nördlichen Spitze Rhode-Islands gekreuzt, gegen Abend zu die Segel geborgen, und unweit der Westküste von Plymouth Anker geworfen hatte.

Es war ein Schiff, dessen vollendet symmetrischer Bau ein Seemannsauge erfreuen mußte. Über dem länglichen, nicht sehr hohen Rumpf erhoben sich drei Masten mit ihren Rahen und Spieren und ihrem bis ins kleinste Detail mit äußerster Sorgsamkeit geordneten Takelwerk. Nach der Sitte der Zeit stieg die sogenannte Hütte, das oberste Stockwerk des Hinterkastells, sehr weit über das übrige Deck empor, und ihr Hackebord zeigte zierliches Schnitzwerk, welches auch die Kajütenfenster einrahmte. Über der Reihe dieser Fenster war ein kolossaler Lorbeerkranz gemalt, und inmitten desselben las man auf hochrotem Grunde in großen Goldbuchstaben das Wort Gloria. Ganz eigen war auch die Bemalung des Rumpfes, denn dieser trug statt des gewöhnlichen schwarzen ein blendend weißes Gewand, das nur durch einen breiten, rings um das Schiff laufenden roten Streifen unterbrochen wurde, wie das weiße Ballkleid einer Schönen durch einen roten Gürtel. Dieser Streifen oder Gürtel verjüngte sich gegen Stern und Bugspriet zu, entfaltete sich dagegen an den beiden Seiten, da, wo sich bei Kriegsschiffen die Stückpforten befinden, zu seiner vollsten Breite. Das Anmutige, Leichte, wir möchten fast sagen Kokette, welches dem Äußern des Schiffes eigen war, zeichnete es auch im Innern aus. Das Deck wies eine holländische Reinlichkeit und aus der Art und Weise, womit alle Schiffsgerätschaften geordnet waren, erkannte man, daß der Dienst in diesem Fahrzeug mit äußerster Pünktlichkeit gehandhabt würde. Obgleich das Schiff seiner Größe nach eine starke Bemannung haben mußte, ging es doch in der Back nicht minder geräuschlos zu als an jenen Stellen des Decks, welche den Offizieren vorbehalten sind. Da und dort lehnte sich ein halb Dutzend Matrosen über die Galerie des Vorkastells, in träger Ruhe sich des schönen Abends erfreuend und daneben ihres Kautabaks, dessen Saft sie von Zeit zu Zeit in zischenden Strahlen in die See hinabspritzten. Außer der Wache im Mastkorbe und dem wachthabenden Offizier, welcher vorn auf der Schanze hin und her schritt, schien niemand im Schiffe mit Dienstobliegenheiten belästigt zu sein, ausgenommen etwa noch die zwei athletisch gebauten Neger, welche, in türkischer Tracht und mit kurzstieligen Hellebarden bewaffnet, links und rechts am Eingang der Kajütentreppe sich hielten.

Dieser Doppelposten hatte etwas Auffallendes, und ein Auge, welchem die Eigentümlichkeiten des Seelebens nicht fremd gewesen wären, würde außerdem noch auf einiges gestoßen sein, was ihm seltsam vorkommen mußte. Abgesehen von dem Umstande, daß die Bemannung des Schiffes offenbar eine ganz ungewöhnlich bunte Mischung der verschiedenartigsten Nationen und Rassen war, hatte das Fahrzeug in seiner ganzen Erscheinung etwas Rätselhaftes. Seine Gaffel trug keine Flagge. Ein Kauffahrer konnte es nicht sein, denn dazu war es viel zu reinlich und zierlich. War es aber ein Kriegsschiff, so mußte es Stückpforten haben, und doch schien der erwähnte rote Streifen den Seitenwänden so fest eingefügt zu sein, daß er kaum annehmen ließ, er sei nur da, um die Geschützluken zu verbergen. Und warum überhaupt diese verbergen, falls das Schiff eine kriegerische Bestimmung hatte? Halb und halb deutete auf eine solche der Umstand hin, daß zu beiden Seiten des Hauptmastes zwei lange Drehbassen aufgepflanzt waren, deren Mündungen aber seltsamerweise nicht steuer- und backbordwärts, sondern nach dem Vorkastell gerichtet waren, so daß jener Teil des Verdecks damit bestrichen werden konnte. Endlich konnte es auch als ungewöhnlich erscheinen, daß sämtliche sichtbare Mannschaft in ihrem Anzug durchaus nur die eigene persönliche Phantasie zu Rate gezogen hatte. Allerdings herrschte zu jener Zeit bei Landtruppen und Seemannschaften noch nicht der monotone Uniformszwang unserer Tage, dennoch aber hatte die Sitte der Uniformierung, von den Heeren Ludwigs XIV. ausgehend, schon angefangen, so weit sich bemerkbar zu machen, daß die einzelnen Regimenter, wie auch die Bemannungen einzelner Schiffe, in Schnitt und Farbe ihrer Tracht eine gewisse Gleichförmigkeit aufzeigten. Von einer solchen war aber hier keine Spur zu sehen, und während der wachthabende Offizier, ein ältlicher, gesetzter Mann, die Allongeperücke und den mit Stickerei überladenen Rock eines Franzosen von Stande trug, sah man an einem Matrosen das enge spanische Wams, an einem andern die holländischen Pumphosen, an einem dritten die langschößige Jacke der Küstenbewohner der Normandie, an einem vierten das beutelförmige Haarnetz des Katalanen, an einem fünften den griechischen Fez, an einem sechsten den Sombrero der Kolonisten Westindiens. Eigen aber war es, daß die Kleidung sämtlicher Matrosen nicht nur höchst sauber sich wies, sondern auch fast durchweg aus feinen und sogar kostbaren Stoffen bestand. Man sah überall Seide und Sammet von lebhaften Farben, mancher tiefgebräunte Hals erhob sich aus einem prächtigen Spitzenkragen, und der vierschrötige Oberbootsmann, welcher dort vom Gangspill her zu dem wachthabenden Offizier trat, um demselben eine Meldung zu machen, hatte die silberne Pfeife, das Zeichen und Instrument seines Amtes, an einer dickgliederigen goldenen Kette auf der Brust hängen.

»Wache im Mastkorb,« ließ sich jetzt eine sonore Stimme von der Höhe der Hütte her vernehmen, »kein Boot in Sicht?«

»Keins, Sir,« tönte die schrille Antwort.

Der Fragesteller erschien für einen Augenblick oben an der Treppe, welche von der Hütte auf das Deck herabführte.

Wir erkennen in ihm den Mann, welchen wir unserem Leser zuerst in dem alten Bauwerk auf Rhode-Island vorgeführt haben und dessen unter den Namen De Lussan und el Exterminador schon zu wiederholten Malen gedacht worden ist.

»Monsieur Legrand,« rief er dem wachthabenden Offizier zu, »laßt den Bootsmann ein Boot in Bereitschaft halten, daß es zu augenblicklichem Gebrauche fertig sei.«

Monsieur Legrand gab den geforderten Befehl, und während das Boot mit geräuschloser Schnelligkeit in See gelassen wurde, wandte sich der Kommandeur des Schiffes, denn als solchen kennzeichneten De Lussan schon die wenigen Worte, die er gesprochen, von der Hüttentreppe rückwärts zum Hackebord, wo wir einen zweiten Bekannten treffen, nämlich Thorkil Wikingsson, welcher seit einigen Tagen als Gast an Bord der Gloria sich befand.

»Meine Gebieterin zögert heute lange, zu dem Schiff zurückzukehren,« sagte De Lussan. »Fast bereue ich, daß ich ihrer Laune nachgegeben und sie allein habe gehen lassen.«

»Seid unbesorgt, Kapitän,« entgegnete Thorkil, »die Küste ist ganz verlassen und birgt keine Gefahren. Auch sagte ja die Mistreß, sie würde nicht vor Sonnenuntergang zurückkommen.«

»Wohl, aber die Sonne steht schon ganz niedrig, und – nun, Ihr wißt nicht, mein Freund, wie besorgt die Liebe macht!«

Thorkil kehrte sein Gesicht der Küste zu und unterdrückte ein schweres Aufatmen.

»Es ist überhaupt eine mißliche Sache um das Warten,« nahm De Lussan wieder das Wort und ließ seinen prächtigen Schnurrbart durch die Finger laufen. »Ich bin ganz und gar nicht dazu gemacht.«

»Und doch meine ich,« bemerkte Thorkil, »daß Geduld dem Seemann fast noch mehr nötig ist als dem Jäger.«

»Da habt Ihr recht, aber ich lobe mir eine bewegte See und eine heiße Jagd. Doch Ihr seid mir noch die Antwort auf meine Frage von vorhin schuldig, wie es Euch zur See gefalle.«

»Die Wahrheit zu sagen, lange nicht so gut wie in den Wäldern. So ein Schiff ist doch ein enges Ding, und ich glaube kaum, daß ich je darin heimisch werden könnte.«

»Und doch stammt Ihr, gleich mir, von einer Familie von Seefahrern.«

»Allerdings, aber Erziehung und Gewohnheit haben mich, fürchte ich, für immer zu dem gemacht, was ihr Seeleute mit dem verächtlichen Ausdruck Landratte bezeichnet.«

»Ah,« sagte De Lussan lachend, »ich sehe, Ihr habt Euch bereits mit einigen Seemannsausdrücken vertraut gemacht. Sie klingen freilich nicht übertrieben höflich.«

»Das muß wahr sein,« entgegnete der Jüngling. »Denkt Euch, bei unserer letzten Zusammenkunft mit den beiden Sachems fragte mich Euer Oberbootsmann Terrible, was das für bemalte Pickelheringe seien. Meiner Treu, ich war froh, daß ihn die Häuptlinge nicht hörten.«

» Foi de gentilhomme, ich ebenfalls. Diese Könige der Wildnis hegen in ihren Wäldern einen Stolz, welcher dem, womit König Ludwig über die Terrasse von Versailles wandelt, wahrhaftig nichts nachgibt. Aber auf das Warten zurückzukommen, die Zeit wird mir allmählich sehr lang in diesen engen Buchten und Meerarmen, und unsere Freunde lassen beharrlich nichts von sich hören. Was meint Ihr?«

»Ich erwarte zuversichtlich, morgen Groot Willem zu sehen oder eine Botschaft von ihm zu erhalten.«

»Ja, die Zeit drängt. Ich kann mich unmöglich mehr lange in dieser See aufhalten und namentlich nicht untätig. – Aber Ihr seid doch überzeugt, daß den beiden Häuptlingen vollständig zu trauen ist?«

»Für Kanonchets Wahrhaftigkeit bürge ich wie für meine eigene.«

»Und König Philipp?«

»Er hat mir nie eine tatsächliche Veranlassung zum Mißtrauen gegeben, aber –«

»Aber?«

»Seht, Kapitän, ich kann mich des Gedankens nicht entschlagen, Metakom sei auf eine der Hauptbedingungen unserer Übereinkunft nur mit einem Widerstreben eingegangen, welches mich befürchten läßt, daß er sich nicht sehr bemühen werde, sie zu halten, wenn erst der Tomahawk seiner Krieger erhoben ist.«

»Ihr seid ein scharfer Beobachter. Auch mir gefiel der Ausdruck seines Gesichtes nicht sehr, als von jenem Punkte die Rede war. Doch wir müssen die Sache abwarten und dürfen es überhaupt nicht so genau nehmen, ob ein paar Kopfhäute mehr oder weniger mit in den Kauf gehen.«

»Sprecht nicht so, Kapitän. Ich habe doch wahrlich keine so verzärtelten Nerven wie Eure Hofdamen, von denen Ihr mir erzähltet, aber manchmal plagt es mich doch, daß ich gegen Leute meiner Farbe, gegen Christenmenschen mit den Rothäuten ein Verbündnis gemacht habe.«

»Bah, junger Mann, was sind das für Grillen! Erinnert Euch doch, wie diese liebenswürdigen Christenmenschen Eurem Adoptivvater und Euch selber mitgespielt haben! Foi de gentilhomme, es gehört ein isländisches Blut dazu, um sich da noch Skrupel zu machen.«

»Laßt es gut sein mit dem isländischen Blut. Sag' Euch, es ist kein Fischblut, und ich weiß, was meines Vaters Sohn geziemt. Aber bei alledem soll der Wampanoge seinem Versprechen nachkommen, wenn er Willem und mich zu Freunden haben will. Wir beide, Willem und ich, wollen nur unser Recht; auch den Rothäuten soll das ihrige werden, damit sie nicht Heimatlose auf den Jagdgründen ihrer Väter seien, allein deshalb brauchen nicht Wehrlose der Blutgier der Wilden preisgegeben zu werden. Zudem – doch das gehört nicht hierher.«

»Was wolltet Ihr sagen?« fragte De Lussan, als Thorkil plötzlich abbrach.

Der Jüngling blickte forschend in das offene Gesicht des Seemanns und setzte der Frage desselben eine andere entgegen, indem er sagte:

»Glaubt Ihr an Ahnungen, Kapitän?«

»Hm, mein Freund, wir Seeleute sind im allgemeinen ein abergläubisches Volk und ich will nicht behaupten, daß es mir gelungen sei, mich von den Vorurteilen meines Standes völlig zu befreien. Ih-nis-kin – ich habe mich in diesen Namen, ein allerliebstes Zeugnis indianischer Galanterie, ganz verliebt – Ih-nis-kin hält viel auf Ahnungen. Ihr Lieblingsdichter behauptet, es gäbe viele Dinge zwischen Himmel und Erde, von welchen sich die Schulweisheit nichts träumen ließe, und derselbe Poet, der unstreitig ein weiser Mann war, sagt, wenn ich nicht irre, Zukünftiges werfe seinen Schatten in die Gegenwart.«

»Ihr stellt also nicht in Abrede, daß die menschliche Seele ein dunkles Vorgefühl von künftigem Unheil haben könne?«

»Ich will die Möglichkeit davon nicht leugnen, obgleich ich für meine Person als ein Mann, der weit, weit mehr in der Wirklichkeit als in Träumereien lebt, mich nie viel mit solchen dunkeln Vorgefühlen beschäftige.«

»Wohl, ich bin sonst auch kein Träumer, obgleich das Leben in den Wäldern sehr geeignet ist, den Menschen zum Nachdenken zu stimmen.«

»Ei, lieber Freund, Nachdenken und Träumerei sind zweierlei Dinge, und was vollends die Ahnungen betrifft, so haben diese, denk' ich, mit der klaren Tätigkeit des Verstandes durchaus nichts gemein.«

»Nun, nennt es, wie Ihr wollt; die Wahrheit aber ist, daß ich seit gestern die Vorstellung nicht loswerden kann, es müßte etwas geschehen sein, was mir Unglück bringt. Seltsamerweise ist diese Ahnung ganz eng mit der Befürchtung verknüpft, Metakom sei seinem uns gegebenen Versprechen untreu geworden.«

»Das ist in der Tat seltsam. Aber seht, die Sonnenscheibe ist wahrhaftig schon bis auf einen schmalen Streifen versunken.«

»Ja,« bemerkte Thorkil, der, in seinem Gedankengange befangen, die ungeduldige Äußerung De Lussans nicht beachtet hatte, »entweder ist Groot Willem ein Unglück begegnet oder –«

»Boot ahoi!« schrie es aus dem Mastkorb herab.

Die Pfeife Terribles ließ einen gellenden Triller hören.

»Ach, endlich!« rief der Kapitän und eilte die Hüttentreppe hinab.

»Das Boot von Madame und ein indianisches Kanoe auf der Leeseite des Schiffes,« meldete Monsieur Legrand mit gezogenem Hute.

»Hinab mit der Fallreefstreppe, Burschen!« befahl De Lussan einem halben Dutzend Matrosen, welche dienstfertig herbeieilten.

Die Treppe senkte sich in ihren Rollen an der Seite des Schiffes abwärts, unten hörte man leichtes Geplätscher, und De Lussans ihr entgegengestreckte Hand ergreifend, stieg, von Hih-lah-dih gefolgt, die schöne Badende an Bord.

»Ich habe mich sehr um dich geängstigt, Teuerste,« flüsterte ihr der Kapitän zu, indes die Seeleute ehrerbietig zurücktraten. »Du sollst mir aber nicht mehr allein gehen. Du bliebst so lange aus, daß ich zu befürchten begann, deine Schwestern, die Nymphen, hätten dich entführt.«

Als aber der Sprechende die tiefe Bewegung der Dame, die Unruhe ihres Auges bemerkte, ließ er sogleich den scherzenden Ton fallen und sagte:

»Was ist geschehen? Sprich! Du bist erhitzt und wie verstört.«

»Raoul,« versetzte sie hastig, »ich habe mit dir zu reden; komm und rufe auch Thorkil.«

Hiermit ergriff sie die Hand der Indianerin, deren Blick an dem herankommenden Thorkil haftete, und ging schnell nach dem Eingang zur Kajütentreppe, deren Wächter ihre Waffen salutierend anzogen.

De Lussan blickte ihr einen Augenblick erstaunt nach und sagte halblaut zu dem jungen Jäger:

»Es muß etwas Außerordentliches sein, was die edle Harmonie, welche die ganze Erscheinung Desdemonas auszeichnet, so zu stören vermag. – Monsieur Legrand,« unterbrach er sich, rückwärtsschauend, »sorgt für das Schiff. Die Atmosphäre verspricht eine stille Nacht, wir bleiben bis zum Morgen, wo wir sind.«

Dann folgte er mit Thorkil den beiden Frauen.


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