Johannes Scherr
Die Pilger der Wildnis
Johannes Scherr

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2.

Es war ein Mann, mit Namen Hirbed, voll
Von Arglist, Ränken und von bösem Groll.
Firdusi.
Genieß, solange du noch lebst, der Freude!
Bedenk, vergänglich ist das Weltgebäude,
Und jede Lust, die du dir hier versagt,
Wird, wann im Grab du liegst, von dir beklagt.
Derselbe.

Eine Gesellschaft englischer Edelleute, in der ein Kapitän Wallaston vorragte, hatte vor der Zeit, in welcher unsere Erzählung spielt, östlich von Pawtucket und südlich vom Charlesfluß mit reichen Mitteln eine Niederlassung gegründet, welche Mount Wallaston genannt worden war. Die vornehmen Kolonisten verstanden aber so wenig das Geschäft, die Wildnis zu bewältigen, daß nach jahrelangem bedeutendem Aufwand von Mühe und Kosten die Ansiedelung in einem nichts weniger als gedeihlichen Zustande sich befand. Da sich außerdem die Herren in dem Kanaan der Puritaner, wie die Gegner der letzteren die Kolonien von Neuengland spottend zu nennen pflegten, nicht sehr behagen mochten, so gaben sie die Sache auf und zogen weg, um in Virginien ihr Glück zu versuchen. Sie ließen jedoch auf Mount Wallaston eine zahlreiche Dienerschaft zurück, um die Pflanzung zu bebauen. Im Gefolge dieser Edelleute befand sich ein gewisser Thomas Morton, ein Mensch von allerlei Gaben, aber verworfener Gesinnung, ein verdorbener Advokat aus London, der, wie er in die neue Welt gekommen, sein Glück zu versuchen, nun auch mit einer geringen Summe Geldes sich einen unbedeutenden Anteil an jenem Unternehmen erkauft hatte. Als die, welche er bisher gescheut und gefürchtet, entfernt waren, regte er die Dienerschaft zu einem förmlichen Aufstand auf, der damit endigte, daß sie den Verwalter fortjagten, sich für vollkommen unabhängig erklärten und ein wüstes Leben voll roher Luft begannen. Die Güter, welche die Besitzer hinterlassen, verkauften sie an die Indianer, erwarben mehr noch durch geschickten Tauschhandel und brachten sonst ihre Zeit mit Trinkgelagen und andern abgeschmackten Roheiten zu. Am ersten Mai pflanzten sie nach alter englischer Sitte eine Maistange auf, bekleideten und behingen sie mit schmutzigen Reimen, luden die indianischen Weiber zur Teilnahme an ihren Bacchanalien ein und erschöpften sich, einer den andern an wilder Ausgelassenheit zu überbieten. Wenn diese Aufführung nun jedem Wohlgesinnten gehässig und verächtlich erscheinen mußte, wie sehr mußten sich die strengen Väter der Kolonien verletzt und empört fühlen, sie, in deren Augen auch der unschuldigste Tanz um den Maibaum eine an die heidnischen Spiele der Flora mahnende Sünde war. Aber dies war nicht alles. Der tolle Unfug nahm einen gefährlichem Charakter an. Da nämlich den ausgelassenen Gesellen endlich das Geld und sonstige Tauschwaren ausgingen, sing Morton an, Schießgewehre nebst Pulver und Blei an die Indianer zu verkaufen, und belehrte sie sorgsam über den Gebrauch; dies letztere namentlich, indem er sie für sich und seine Gesellschaft auf die Jagd schickte und sich durch sie mit reichlichem Wildbret zu seinen Gelagen versehen ließ. Die Indianer ergriffen diese Vorteile mit grenzenloser Begierde, benutzten sie mit großer Geschicklichkeit und waren zu ungeheuren Preisen für diese übermächtigen Verteidigungsmittel willig. Dies aber war hinreichend, um alle die im Lande zerstreuten Pflanzer zur größten Furcht aufzuregen. Überdem waren sie schon lange keines ihrer Diener mehr sicher, denn bei der geringsten Unzufriedenheit entwichen sie und gesellten sich Mortons verlaufenem Gesindel zu, vor dem die einsam liegenden Pflanzungen zeither in größerer Angst gewesen waren, als vor den Indianern selbst.

Unter so bewandten Umständen mußten sich zur Zeit, als die Beziehungen der Eingeborenen zu den Ansiedlern immer offener den Charakter der Feindseligkeit annahmen, die Blicke der Pilgrime mit starkem und gerechtem Argwohn auf Mount Wallaston richten, welchen die Bande Mortons, wie wir schon früher erwähnten, in Merry-Mount umgetauft und dem die Puritaner den biblischen Namen Mount Dagon gegeben hatten. Nach allem bisher Vorgefallenen konnte man mit Bestimmtheit erwarten, daß die Gesellen vom lustigen Berge mit den Indianern gemeinsame Sache machen würden. Aber der brüllende Tom – diesen charakteristischen Namen führte Morton unter seinen Bekannten – war auch ein schlauer Tom. Er hatte seine Gründe, gerade jetzt sich den Anschein zu geben, als wollte er es unter allen Umständen fest mit den Leuten seiner Farbe halten und als sei er entschlossen, in dem Kampfe zwischen Weißen und Roten den letzteren mit seiner Bande gegenüberzutreten. War dies auch, wie wir bald sehen werden, nur eine Maske, so wurde sie doch mit so guter Manier getragen, daß viele der Kolonisten sich täuschen ließen. Morton ließ es sich angelegen sein, diese Täuschung zu unterhalten und zu steigern. Die geräuschvollen Lustbarkeiten auf dem Berge hörten auf, der Maibaum verschwand vom Hofraume der Niederlassung, und es schien, als ob der lebhafte frühere Verkehr mit den Eingeborenen gänzlich abgebrochen worden wäre.

Mount Wallaston erhob sich an einem der dem Charlesflusse zinsbaren Bäche auf einer Prärie, welche eine ziemlich weite Umschau gestattete. Auf der Seite des Waldbaches, der sein Wasser tosend zwischen großen Kieseln hinführte, stieg eine über hundertundfünfzig Fuß hohe, senkrecht und glatt sich aufgipfelnde Felswand empor, welche die westliche Seite des Hügels bildete, der in Neuengland allerdings auf den Namen eines Berges Anspruch machen konnte. Gerade über dieser Felswand erblickte man das Hauptgebäude der Niederlassung, ein offenbar mit viel größerem Aufwand von Kosten und Fleiß, als den Farmhäusern der Kolonisten gewöhnlich zuteil wurde, aufgeblocktes Wohnhaus von ziemlich bedeutendem Umfange, welches zwei Stockwerke hoch war. Um das obere lief eine Galerie her, die gleichsam über dem Abgrund in der Luft hing und von welcher aus sich dem Auge eine weite Fernsicht über die Prärie hinweg auf die umliegenden Wälder darbieten mußte. Der Hügel verlängerte, sich gegen Osten zu und verlor sich, während seine südliche und nördliche Seite sanft abfiel, allmählich unmerklich in die Ebene. Zur Zeit der Gründung der Ansiedelung war die Anhöhe auf allen Seiten, mit Ausnahme der westlichen, deren natürliche Beschaffenheit jeden Zugang unmöglich machte, mit einer Palisadenreihe umgeben worden, die sich aber jetzt in sehr mangelhaftem Zustande befand, wie denn die Niederlassung im Innern und Äußern überall von Sorglosigkeit und Unsauberkeit zeugte. Die Nebengebäude, welche auf der Fläche des Hügels, ohne an das Wohnhaus angebaut zu sein, dennoch mit demselben eine Art unregelmäßigen Vierecks bildeten und so einen großen Hof umschlossen, waren halb zerfallen. Die Türen und Tore der Stallungen und Schuppen standen offen, und allenthalben lagen leere Kisten und Fässer, Jagdgerätschaften und Reitzeug unordentlich umher. Mitten auf dem mit Gras überwachsenen Hofraum war der Stumpf des unlängst gefällten Maibaums zu sehen, und in der Nähe desselben weideten einige Pferde, die ebenfalls die Spuren der Vernachlässigung an sich trugen wie hier alles, mit Ausnahme etwa von zwei großen Wolfshunden, die, offenbar wohlgenährt, in der Nähe des Eingangs zum Hauptgebäude herumlungerten.

Der Abendhimmel hing grau und mit Dunstmassen angefüllt, die ein nächtliches Gewitter verkündigten, über dem lustigen Berge, der in seiner jetzigen Verlassenheit und Stille seinem Namen keineswegs entsprach. Man hätte glauben können, es seien gar keine menschlichen Wesen in der Ansiedelung vorhanden, wäre jetzt auf der Galerie nicht eine alte Indianerin erschienen, welche in der einen Hand eine Hornlaterne, in der andern eine mit einem Tuche bedeckte Schüssel trug.

Dieses Weib, nur von den Hüften abwärts mit einem schmutzigen blauen Rock bekleidet, war mit seinem struppigen Haar, seinen Runzeln und seinen unmäßig stark hervortretenden Backenknochen ein wahrer Ausbund von Häßlichkeit und verdiente seiner ganzen Erscheinung nach den Namen der Hexe von Endor, womit es auf Merry-Mount allgemein genannt wurde, damit, wie der brüllende Tom einmal gesagt hatte, doch auch etwas Biblisches im Hause sei.

Die Alte wandte sich nach der Westseite des Gebäudes, stand dort vor einer Tür still, welche von der Galerie ins Innere führte, schob den Riegel derselben zurück und verschwand in der Öffnung, die Tür hinter sich zuziehend.

Die Hexe von Endor war jedoch in der öde und fast unheimlich aussehenden Ansiedelung nicht allein.

In einem Gemache des untern Stockwerks saßen zwei Männer zechend an einem großen Tische. Das Zimmer verriet trotzdem, daß seine Decke schwarzgeräuchert, sein Wandgetäfel beschmiert, sein Möbelwerk befleckt und bestaubt und sein Boden mit einer Schmutzkruste überzogen war, immer noch Spuren, daß es vordem die wohlgepflegte, nach altenglischer Sitte eingerichtete Speisehalle eines wohlhabenden Hauses gewesen.

Die beiden Männer bliesen aus indianischen Pfeifen starke Rauchwolken und unterbrachen dieses Geschäft nur, um wechselsweise einen mächtigen Henkelkrug mit erblindetem silbernem Beschläge, welcher zwischen ihnen auf dem Tische stand, an die Lippen zu führen.

Das Gesicht des einen zeigt uns die brutale Physiognomie von Master Thomas Kellond, welcher uns bei Eröffnung unserer Geschichte in der Rolle eines Häschers entgegengetreten und den wir seither aus den Augen verloren.

Sein Gesellschafter war kein anderer als der brüllende Tom in eigener Person, ein Mann mit dem überkupferten Gesicht eines Trunkenboldes, welchem Gesicht jedoch ein Paar kleine graue Augen den entschiedenen Ausdruck der Verschmitztheit und Schelmerei, um nicht zu sagen der Schurkerei gaben. Es war in diesen Augen, die, wie es bei starken Trinkern gewöhnlich der Fall ist, weit aus ihren hochgeröteten Höhlen hervortraten, jener stechende Metallglanz, welcher den Zügen von Verbrechern mitunter eine ganz eigentümliche unheimliche Beleuchtung verleiht. Einigermaßen im Widerspruch hierzu lag auf der untern Partie von Mortons Gesicht der Stempel brutalen Humors und roher Jovialität, welchen Eigenschaften er sein Sobriquet verdankte.

Die beiden tranken und sprachen miteinander im Stil von alten Bekannten, was sie auch wirklich noch von London her waren.

»Beim schwarzen Gesichte König Karls,« sagte Kellond nach einem tüchtigen Zug aus dem Henkelkrug, »solange ich in diesem verdammten Lande der Psalmengurgler mich befinde, habe ich nie einen so kostbaren Wein über die Zunge gebracht wie hier bei Euch auf Merry-Mount. 's ist echter spanischer und noch dazu von keiner geringen Sorte.«

»Ich sehe,« versetzte Morton, »Ihr habt immer noch Eure gute alte Weinzunge, wie zur Zeit, wo Mutter Magda – die luftige alte Kupplerin im Elsaß von Alt-London, wißt Ihr – uns beide ihren Kunden als untrügliche Autoritäten anpries in allem, was Weine und Weintrinken betraf.«

»O, ich weiß, ich weiß; aber Ihr vergeßt einen Artikel, Tom. Mutter Magda, ein treffliches Stück von Weibsbild in ihrer Art, pflegte zu sagen: Tom Morton und Tom Kellond seien die besten Kenner von Weinen und Mädchen, soweit es Weine und Mädchen gäbe. Ja, beim alten Nick, wir waren rare Burschen! Aber wo habt Ihr diesen Wein her, Tom?«

»Aus erster Hand. Meint Ihr, ich möge die Hunde von Hafenaufsehern und Zöllnern bemühen, zwischen mir und meinen Lieferanten die Mittelspersonen zu machen?«

»Verstehe, verstehe. Ihr bezieht, wie Eure übrigen Waren, so auch den Wein direkt und ohne Zoll und Akzise. Jetzt weiß ich auch, warum der ganze Trupp Eurer flotten Jungen nach der Seeküste hinüber ist. Ihr seid ein wahres Genie von Zwischenhändler, Tom. Sicherlich habt Ihr Euch was Hübsches gemacht, und ich denke, Ihr geht mit mir hinüber nach London, um Eure Tage dort so munter zu beschließen, wie Ihr sie begonnen.«

»Was Hübsches gemacht? Hm, es ging stets zu lustig her auf dem lustigen Berg, als daß ich hätte ans Geldmachen denken können. Und was das Hinübergehen betrifft, Mann, so wißt Ihr, daß ich zuviel alten Kot an den Schuhen habe, um mich auf den Straßen von London zeigen zu wollen.«

»Ei, dieser alte Kot wird sich wohl abwischen lassen. König Karl soll von mir hören, daß mir mein Unternehmen ohne Tom Morton gar nicht gelungen wäre, das soll er. Es war, beim Blitz, doch ein guter Gedanke, daß ich den Entschluß faßte, Euch aufzusuchen, als ich da unten am Konnektikut zufällig Euren Namen nennen hörte. Ihr habt mir Glück gebracht, Tom, mächtiges Glück. Ich wollte das ganze Unternehmen aufgeben, als die zwei Höllenhunde von Waldläufern, die verdammt sein mögen, den armen Tom Kirk totgeschossen und nur die Beute aus dem Rachen gerissen hatten, und siehe da, kaum war ich auf dem lustigen Berg angelangt, so triebt Ihr mir das Wild ins Netz. Ein gutes Drittel meiner Belohnung soll Euer sein, verlaßt Euch drauf.«

»So tu' ich, Tom. Im übrigen machte es mir selber Spaß, meinen guten Freunden, den Heiligen des Herrn, einen Possen zu spielen. Hätte der Häuptling nach gut indianischer Manier seine Gefangenen skalpiert, die lieben Puritaner von Neuengland und Altengland würden sich nicht halb so darüber geärgert und gegrämt haben, als sie tun werden, wenn sie hören, daß die beiden Busenfreunde von Oliver Cromwell am Galgen von Tyburn baumeln. Ein schöner Anblick, hol' mich der Teufel, wenn zwei solche Lichter in Israel das dreibeinige Gerüst beleuchten!«

»Ja, wahrhaftig; ich freue mich auch unbändig auf den Anblick dieser Illumination. Wenn uns nur der Wilde keinen Trick spielt.«

»Seid ganz ruhig. Metakom weiß recht gut, daß er mich dermalen nötiger hat als je. Er wird sein Wort buchstäblich halten, und ich kenne den Unterhäuptling, durch welchen er die Gefangenen nach den Sümpfen der Landzunge von Mount Hope bringen ließ. Dort sind sie gut verwahrt, bürge Euch dafür, bis Ihr eine gute Gelegenheit, sie einzuschiffen, ausfindig gemacht habt. Müßt Euch nur beizeiten nach dieser Gelegenheit umtun, damit Euch nicht etwa ein Wechsel des Kriegsglückes einen Strich durch die Rechnung macht. Will Euch aber durch meine Schmugglerverbindungen, in der Sache nach Kräften behilflich sein.«

»Tut das, tut das, es soll Euer Schade nicht sein, Tom. Wäre aber zu meinem Zwecke nicht vielleicht das Schiff des Flibustiers zu benutzen, mit welchem in Verbindung zu stehen Ihr gestern Euch gerühmt habt?«

»Das Schiff des Flibustiers? Hm, da kennt Ihr den stolzen Franzmann schlecht, wenn Ihr glaubt, er würde für Euch oder für irgend einen Menschen sozusagen Häscherdienste verrichten. Sag' Euch, der Mann strebt hoch, obgleich er für gut findet, seine Pläne zu verbergen, und Gold hat er wie Spreu.«

»Nun, da müssen wir uns anderwärts umsehen. Aber Ihr spracht vorhin von Kriegsglück, Tom. Der Krieg zwischen den Rothäuten und diesen verdammten Bibelwiederkäuern ist also in vollem Gange?«

»Seit dem Überfall von Swanzey in vollem und prächtigem Gange, hol mich der Teufel! Die Heiligen des Herrn werden Mühe haben, diesen rothäutigen Satanaffen zu widerstehen. Metakom hat mit seinen Wampanogen und Pokanoketen einen Einfall in die Ansiedelungen von Konnektikut gemacht. Hadley und Springfield sind niedergebrannt, und in der Ebene von Northfield haben die Wilden einen Trupp Kolonisten, der sich ihnen entgegenstellte, bis auf den letzten Mann niedergemacht. Dutzende von einzelnen Gehöften sind zerstört und ihre Bewohner erschlagen. Nur noch einige Tage oder Wochen Geduld, und die Psalmenheuler sollen auch hier herum und gegen Boston hinauf und gegen Plymouth hinab erfahren, daß der Herr züchtiget, wen er lieb hat.«

»Hahaha! Ihr seid noch immer ein kapitaler Spaßmacher, Tom. Aber sagt mir, wo befindet sich dermalen der Häuptling, den sie König Philipp nennen? Ein sauberes Stück von König, Gott verdamm mich! Ein halbnackter Bettelprinz, mit Ruß und Ocker bemalt.«

»Sachte, sachte! Metakom ist so gut ein König als irgend ein anderer. Und rat' Euch, Tom, geht behutsam mit ihm um, wenn Ihr wieder mit ihm zusammentrefft. Der Mann versteht keinen Spaß, gar keinen, versichere Euch.«

»O, das hab' ich schon gemerkt, 's ist ein allmächtig hochnäsiger Kerl, Gott verdamm mich! Aber freut mich, daß er diesem puritanischen Gezüchte, welches mir in dem Geschäft, das mich in dieses höllische Land geführt hat, auf offene und versteckte Weise hinderlich war, so teufelmäßig mitspielt. Wo ist er jetzt?«

»Wo er jetzt ist? Hm, da fragt Ihr mehr, als ich beantworten kann. Ein Indianer auf dem Kriegspfad ist wie der Wind, den man zwar spürt, von dem man aber nicht sagen kann, von wannen er kommt und wohin er geht. Ihr seht, beiläufig gesagt, an diesem Beispiel, wie sehr mir die Schufte von Puritanern unrecht tun, wenn sie behaupten, der brüllende Tom hätte nie ein Wort in der Bibel gelesen.«

»Ihr seid in einem prächtigen Humor heute, Bruder Tom, Gott verdamm mich! Aber um nochmals auf Metakom zurückzukommen, 's muß doch ein dummer Kerl sein, daß er das allerliebste Jüngferchen mir oder vielmehr Euch so leicht abgelassen.«

»Bah, der Häuptling hat dermalen anderes zu denken und zu tun, als sich mit solchem Firlefanz abzugeben.« »Firlefanz? Tom, wo denkt Ihr hin? Ich kann mich ganz gut der Zeiten erinnern, wo Ihr alle Finger nach so 'nem Firlefanz geleckt hättet.«

»Wohl möglich, aber wir werden allmählich zu alt für dergleichen Torheiten.«

»In alt? Laßt mich das Wort nicht mehr hören, Bruder Tom; es hat einen höchst widerwärtigen Klang, Gott verdamm mich! Zu alt? Beim alten Nick, ich will mir selber noch heute den Beweis liefern, daß ich nicht zu alt für dergleichen Torheiten bin. Ja, das will ich, Gott verdamm mich! Torheiten? Warum nicht gar Torheiten und Firlefanz! Hört, ich habe einmal meinen Freund Chiffinch – der kleine Chiffinch, wißt Ihr, erster Agent der Privatvergnügungen unserer schwärzlichen Majestät von Großbritannien – ja, den kleinen Chiffinch hab' ich einmal sagen hören, es gehe auf der Welt nichts, aber auch gar nichts über einen Liebeshandel mit einer Nonne.«

»Nonnen! Was wollt Ihr mit Euren Nonnen? Haben diesen Artikel nicht im Lande.«

»Ich sagte Nonne,« entgegnete Kellond, mit der Zähigkeit eines halb Betrunkenen die Vorstellung, welche in ihm aufgestiegen war, festhaltend und ausspinnend. »Der kleine Chiffinch meinte freilich echte Nonnen, aber ich will verdammt sein, wenn diese blauäugige Puritanerin nicht das hübscheste Nönnchen abgeben würde, welches je seine jungen Tage in einem Kloster verseufzte, und so werdet Ihr nichts dagegen haben, wenn es mir behagt, das Jüngferchen für eine Nonne anzusehen. Fromm genug ist sie jedenfalls, und puritanisch oder papistisch fromm, wißt Ihr, das kommt am Ende auf eins heraus.«

»Hm, darüber ließe sich noch streiten, wie gescheite Leute glauben. Doch das ist mir all' eins.« »Ei, Tom, wie kommt Ihr mir vor? Ich fange an zu fürchten, daß Ihr in dieser Waldwüste verbauert seid; so gleichgültig kommt Ihr mir in betreff der hübschesten Sachen vor. Wollt Ihr Euch am Ende gar bekehren?«

»Bah, schweigt von solchen Flausen!«

»Flausen? Ja, da habt Ihr recht, Gott verdamm mich! Lustig, sehr lustig, allmächtig lustig gelebt, das ist das Wahre. Das andere wollen wir diesen Predigttextschluckern und Psalmennäselern überlassen. Ich freue mich höllisch auf das Jüngferchen, sag' ich Euch, 's wird ein kapitaler Spaß sein, Gott verdamm mich!«

»Ihr seid also entschlossen, heute noch den Galan und Amoroso zu spielen, wie sie zu London in der Komödie zu sagen Pflegen?«

»Das bin ich, und wie! Nennt mich einen Betbruder, wenn ich es nicht bin.«

»Wohl, so ist es Zeit, daß wir aufhören zu schwatzen,« sagte Morton, indem er aufstand und ans Fenster trat. »Unser Palaver hat, glaub' ich, ohnehin schon zu lange gedauert, denn das Wetter zieht heran, und doch muß ich, wie Ihr wißt, noch nach dem Fort hinüberreiten, um den Stierkopf von Major vollends sicher zu machen. Ich vermute, Metakom wird nicht gar so weit von hier sein, und wenn er kommt, muß getan sein, was ich drüben im Fort zu verrichten habe. – Hört, Tom, haltet gut Haus. Bis morgen mittag bin ich wieder zurück, und bis dahin werden, denk ich, auch meine Burschen von der Küste her auf dem lustigen Berg eintreffen. Im übrigen wünsche ich Euch alles mögliche Glück zur Durchführung Eurer Amoroso-Rolle.«

Er ging, kehrte sich aber unter der Tür noch einmal um und sagte mit trockenem Hohn:

»Wartet einmal, Tom, das hätt' ich schier vergessen. Falls Euch die Puritanerin trotz all Eurer Liebenswürdigkeit dennoch ein bißchen zu – zu – ehrwürdig, ich meine, zu großvatermäßig finden sollte, je nun, so haltet Euch an der Hexe von Endor schadlos. Die wird Euch in keinem Fall einen Korb geben – Sela.«

Die Tür fiel hinter ihm ins Schloß, und man hörte ihn draußen ein Gelächter aufschlagen, dessen Geräusch dem Namen des brüllenden Tom vollkommen entsprach.


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