Peter Rosegger
Peter Mayr der Wirt an der Mahr
Peter Rosegger

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Mein Schwert hat ein Kreuz.

Augustin schritt weiter. Er ging nun durch einen Wald, dessen Stämme bis gegen den Wipfel hinauf entästet waren, der Schatten dieser Bäume spielte sich auf dem Boden wie nebeneinander laufende Gräben, und in einem derselben lagen zwei welsche Soldaten, die noch im Tode sich fest umschlungen hielten.

Daneben im Mondenschein rang einer, der Kaufmann Stelzer aus Brixen war's, mit dem Tode und der Verzweiflung. »Nur nit sterben! Nur nit sterben in so jungen Jahren!« ächzte er. Doch war er so arg zu schanden gerichtet, daß Augustin sah, auf dieser Welt gibt's für den kein Heil. Den muß man sanft loslösen.

»Bruder,« sagte er während unausgesetzten Bestrebens, dem Sterbenden die Qual zu lindern. »An deiner Stelle möcht' ich sein. Dieses unermeßliche Elend, du hast es hinter dir. Schau' das Leben an, an dem du so hängst, wie es dich schmerzt; schau' die Menschen an, die du so liebst, wie sie sich morden. Ob unterliegen, ob siegen, es ist kein Heil. Willst als Krüppel leiden und betteln und verachtet sein bis ins Alter? Jetzt bist schon fast übers Thor hinaus und willst wieder zurück? Wie wollte ich an deiner Stelle Gott preisen, daß ich mit Ehren loskäme von dieser falschen Welt!«

»O Augustin, es ist so hart, was du redest,« gab der Sterbende zur Antwort. »Ich weiß ja, daß es aus ist, und dennoch möcht ich's hören: Du stirbst nit, du wirst wieder heil! Sage mir doch diesen Trost, ich bitte dich!«

Und während Augustin ihm von Genesung sprach, schlief er ein. – Junge Leute müssen alles erst lernen, auch das Zusprechen von Trost. Und selbst dem Gequältesten ist eine Ewigkeit Himmel weniger Trost, als ein Jahr Erde.

Jetzt bemerkte Augustin, wie hier die kahlen Baumstämme so rot waren. Rot wie glühende Stangen, ganz hinauf. Als er sich umwendete, sah er wohl, was die Ursache war. Unten in der Tiefe, wo die Schluchten der Rienz lagen, stieg hoch und breit eine Feuersäule auf. Kein Luftzug bog sie, kaum ein sichtbarer Rauch umdunkelte sie – in großer, lautloser Ruhe stieg die Lohe zum Himmel auf.

Anfangs dachte Augustin an Mühlbach oder an ein andres Dorf, in das der abziehende Feind Feuer geworfen. Allmählich fand er sich zurecht; die Klause stand in Flammen, die von den Franzosen tagsüber so erfolgreich verteidigt worden war und in welche ein Theil des Feindes sich am Abende zurückgezogen hatte. – Der Priester schüttelte den Kopf. Nach dem Aveläuten sollte keine Feindschaft sein. Die Nacht ist des Herrn.

Augustin stand lange still und horchte, ob denn kein Lärm zu vernehmen sei von der brennenden Klause heran. Nein, feierlich still strebte die Flamme empor.

Dann trat er auf einen freien Plan hinaus; mitten auf demselben war etwas, das einen Schatten warf über die fahle Fläche. Auf moderigem Baumstrunk saß ein Mann, der vorgeneigt das Gesicht mit den Händen verdeckte. So unbeweglich saß er da, daß nicht zu erkennen war, ob er wache oder träume. Ueppige Locken quollen über die Finger herab, welche die Stirn umklammerten. Ein französischer Soldat war's.

Als Augustin eine Weile hinter ihm gestanden war, legte er leicht seine Hand auf die Achsel des Rastenden und fragte: »Was ist es mit Euch?«

Der andre fuhr erschrocken auf und langte nach der Waffe.

»Ich komme niemandem als Feind,« sagte Augustin.

»Ihr habt ein Schwert in der Hand!« entgegnete der Soldat in ziemlich gutem Deutsch.

»Mein Schwert hat ein Kreuz,« antwortete der Priester ruhigen Ernstes.

»Gehet nur vorbei,« sagte der andre, »von denen, die Ihr suchet, bin ich keiner.«

»Ich suche Menschen,« versetzte Augustin mit sanfter Stimme, »Menschen, die eines Beistandes bedürfen.«

»Ich bin ja ein Feind,« sagte der sitzende Soldat. »Seht mich nur an, ich bin einer von denen, die so viel Elend gebracht haben über Euer Tirol.«

»Kommt nur mit,« entgegnete Augustin, »dieser Sumpf ist kein Aufenthalt.«

»Nein,« sagte der andre zögernd, »ich muß hier bleiben. Ich kann nicht fort.«

»Seid Ihr verwundet?«

»Am Fuße. Und ich habe den Fuß in diesen kühlen Lehm vergraben, daß er nicht bluten kann und nicht schmerzen. Mir ist ganz wohl, ich will nur rasten.«

Es war in der That so. Der Mann hatte den rechten Fuß tief in den Moorgrund gebohrt und die lehmige Erde rings herum fest angedrückt, so daß es aussah, als wäre er wie ein Birkenstamm aus dem Boden herausgewachsen. Wie der Mond ihm jetzt ins Gesicht schien, sah Augustin, daß es ein schöner, bartloser, lichthaariger Jüngling war, mit großen Augen, die sehr traurig hinausschauten in den weiten, nächtigen Wald.

»Kann ich Euch einen Dienst erweisen?« fragte Augustin.

»Seid Ihr nicht selbst im Feuer gestanden?« fragte der andre entgegen.

»Ich habe ein wenig mitgeholfen.«

»Da oben am Rain, gegen die Abendstunde?«

»Ja freilich, da oben!«

»Dann habt Ihr mich erschossen,« sagte der Soldat. »Ja, ich kenne Euch wohl. Ich habe auch Euer schwarzes Gewand aufs Korn genommen, da hat der Schuß versagt und Ihr schicktet mir etwas in den Fuß. Es ist recht so, wir haben es wohl verdient. Wir haben Unglück gebracht über Euch. Wir, aber nicht ich. Glaubt mir, ich wäre lieber daheim geblieben.«

»Das glaube ich Euch gern. Welcher Mensch, der eine Vernunft hat und an einen Gott glaubt, wird freiwillig in ein fremdes Land ziehen und ein friedliches Volk bekriegen, das ihm nichts gethan hat!«

»Wir haben müssen. Wir sind ja selber Deutsche, im Elsaß. Aber wir haben müssen,« murmelte der Soldat und schien zu versinken in Erschöpfung und Traum.

»Lieber Freund,« sagte Augustin, »ich lasse Euch nicht allein. Ihr seid in Feindesland, aber nicht unter Barbaren.«

Der andre entgegnete darauf nichts, doch seine Achseln huben an krampfhaft zu zucken, sein Atem zu stoßen. – Wenn ein Krieger weint!

»So weit – so weit von heim!« schluchzte er. »So weit von heim zu sterben! Meine Mutter! Mein Weib!«

»Ihr seid aus deutschem Land?«

»Ueber den Rhein bin ich gekommen,« antwortete der Soldat. »Drei Stunden hinter der Stadt Straßburg ist mein Dorf. In einem Hügelland, und Weinberge, Wald.«

»Hüllet den Mantel um, es ist kühl.«

»Es ist heiß. Lasset mich nur. Ach, daß ich wieder schlafen könnte! Ich habe vorhin mein Daheim gesehen.«

»Im Traume! Freund, träumet wachend fort. Erzählt mir von Euer Mutter, von Eurem Weibe.« Also sprach Augustin, denn sein Bestreben war, den armen verzagten Menschen aufzurichten. Die Feldflasche bot er ihm, aus welcher der Elsässer trank.

»Ihr seid gut,« sagte dieser dankend, »ich habe wohl gehört, daß die Tiroler gut sind. So will ich Euch bitten, daß Ihr heimschreibt ins Elsaß, an mein Weib, daß sie wissen, wie ich gestorben bin.«

»Recht gern will ich schreiben, aber nicht, wie Ihr gestorben seid, sondern wie Ihr nach Hause kehren werdet. Schmerzt Euch das Bein?«

»Lasset den Fuß in der kühlen Erde. Dahin gehört er, und schmerzt nicht. Aber nach Hause kehren? Das weiß ich besser.«

»So rastet nur,« sagte Augustin voll milder Teilnahme.

»Habt denn nicht auch Ihr selbst ein Herz voller Anliegen?« fragte der Soldat aus dem Elsaß. »Habt Ihr denn noch Zeit für andre in diesen traurigen Tagen?«

»Ich für mich habe kein Anliegen. Ich bin Priester. Daß ein schwerer Krieg ist zwischen Eurem und meinem Land, das soll jetzt ganz vergessen sein. Wir sind einander Brüder. Ich will mich zu dir setzen auf diesen Strunk und dich nicht verlassen, also will es auch unsere Religion.«

»Die Religion,« entgegnete der Soldat, seine Stimme war unsicher. »Ich mag Euch aber nicht täuschen. Ihr in Tirol seid streng katholische Leute. Ich bin der evangelischen Kirche . . .«

»Christus streckt am Kreuze zwei Arme aus,« sagte Augustin.

»Einen für euch und einen für uns?« fragte der Soldat wie träumend und sein Haupt wollte sinken.

»Lehne dich an meine Brust und schlafe.«

Der Elsässer ermannte sich wieder: »Schlafen! Dazu wird keine Zeit mehr sein. – Daheim, da werden sie jetzt freilich schlafen und nicht ahnen, wie es mit mir steht.«

»Mich deucht, das Heimweh thut dir schlimmer, als das Blei im Beine.«

»O, Herr, es ist kein Mensch so aus seiner Heimat gerissen worden, wie ich!« sagte der Elsässer in tiefer Traurigkeit. Und wie in halbem Selbstgespräche fuhr er fort: »Heute vor vier Wochen. Ach, wie bin ich da noch in Freuden gewesen!«

»Lehne dich nur an mich, Bruder, und erzähle.«

»Mein Vater, der ist frühzeitig fort,« sprach der Elsässer, »der schläft im Ägyptenland. Meine Mutter hat die Wirtschaft geführt, eine Winzerei, wo man arbeitet und lebt. Sie war selber schon mühselig und hat mit Schmerzen die Zeit erwartet, da sie mir die Wirthschaft übergeben konnte. Und jetzt – ich erzähle schon alles – habe ich es meiner Braut eingestehen dürfen. Dieses liebe Mädel! Das glaubt mir niemand. Eine gar sonderbare Geschichte war's. Ein Großpächter hat sie nehmen wollen, einer von der Loire her – spricht nicht deutsch. Gertrud hat ihre arme Familie versorgen wollen und ich habe gesagt: Wenn du kannst, Gertrud, so thu's. Für Vater und Mutter würde sie es wohl müssen können, ist die Antwort und verspricht sich dem Pächter. Das ganze Dorf schickt sich an zum Hochzeitsfeste, der Pächter ist ein reicher Mann und Gertrud geht ihrem Glück mit Demut entgegen. Mich hat's gewundert, aber dann denke ich, es wird ja doch nicht so schwer sein, einen armen Knaben laufen zu lassen und in ein Schloß hineinzusitzen, wo so viel Ueberfluß und Ehre ist. – In denselben Tagen hätte mich der Bonaparte rufen sollen!«

»Hernach erzähle weiter,« unterbrach ihn Augustin, jetzt müssen wir uns nach dem wunden Beine umsehen.«

»So laßt es doch schlafen, es schmerzt ja nicht!« rief der Soldat. »Die Erde ist heilsam, das habe ich oft gehört. Glaubt Ihr doch, daß es wieder gut wird?«

Es konnte ja sein, daß der seltsame Lehmverband günstig wirkte; der junge Geistliche hatte in solche Sachen keine Erfahrung.

»Habt Ihr noch Geduld?« fragte der junge Elsässer. »Ihr müßt ja alles wissen, wenn Ihr das ganze Unglück begreifen wollt. Aber es wird schon Tag!«

»Das ist nicht der Tag, Freund, das ist eine Feuersbrunst.«

»O, der Krieg!« schauderte der junge Elsässer.

Der Priester schlug um ihn enger den Mantel und der Soldat fuhr fort: »Der Pächter? Ist sie noch bei ihm? – Eines Abends, kurz vor ihrer Hochzeit – in der Weinlaube, da steht sie vor mir. Wie ich erschrecke, Ihr könnt Euch's denken. Fritz, sagt sie und fällt nur gleich so vor mir zu Boden, Fritz, es ist ganz unmöglich. Ich kann in den Steinbruch gehen und für meine Eltern arbeiten – den Pächter kann ich nicht heiraten. Ich habe es ihm geschrieben, es ist schon aus. – Wir haben auch weiter kein Wort mehr geredet und am nächsten Tage gehen wir mitsammen zum Vorstand. Vornehm ist die Hochzeit nicht gewesen. In unsrem Baumgarten haben wir das Mahl gehalten, ein paar Verwandte und Freunde und einer mit der Guitarre. Meine Mutter im Glücke, auch Gertrudens Eltern sind froh gewesen. Wenn es Gott will, so wird er ja auch seinen Segen geben, das war ihr erstes und ihr letztes Wort. Und ich? Und mein junges, sanftes Weib? Diese Gestalt im Myrtenkranz sei bei mir im letzten Augenblick! Einen andern Kranz sticht sie aus Weinlaub und setzt ihn schäkernd auf mein Haupt. Zwei Lichter werden auf den Tisch gestellt, weil es schon dunkelt. Auf das Brautpaar wird ein Spruch gesagt und mit vollen Gläsern angestoßen. Und mitten in solcher Fröhlichkeit fällt mir meine alte Muhme ein, von der Mutter eine Schwester. Seit Jahren liegt sie siech in ihrem Stüblein. Die würde sich eines freuen, wenn jetzt der Bräutigam mit dem Glas an ihr Krankenlager käme und es ihr auf ein langes Leben brächte. Auch die Alten und Siechen leben noch gern!«

Der Erzähler schwieg ein wenig; als er seine Bewegung bemeistert hatte, fuhr er fort: »Auch meine Braut wollte mit. Der Weg ist gleichwohl nicht weit, aber finster und steinig, und sie sollte lieber morgen im Tageslichte zu ihr gehen. So lassen sie mich allein fort und in zehn Minuten bin ich wieder bei dir, mein Schatz! Wenn ich komm', wenn ich komm', wenn ich wiederum komm', bleib' ich, mein Schatz, bei dir! So singend eile ich durch den Baumgarten gegen das kleine Haus hin, wo die Muhme wohnt. Wie ich über die Straße will, marschiert mit klingendem Spiel eine Kompagnie Soldaten vorbei. Ihre Fackeln flattern wie Kriegsfahnen. Es geht ja wieder ins Feld, höre ich. Dabei ist ein Bekannter von mir, ein Schulgenosse, den habe ich immer gern gehabt, und jetzt muß der arme Teufel auch fort. Ich springe hin zu ihm, reiche mein Glas: ›Trink', Giovan!‹ Er hebt das Glas, schwingt es: ›Der Kaiser der Franzosen lebe!‹ und trinkt, und ich trinke auch: ›Der Kaiser der Franzosen lebe!‹ – ›Bravo, bravo!‹ schreit alles, daß es gellt in der Nacht; zwei Soldaten fassen mich an den Armen, nehmen mich in ihre Mitte und fort, fort geht's in schnellem Marsche. Anfangs meine ich, es wäre Spaß und sage, sie sollten mich loslassen, ich wollte zurück zu meiner Hochzeitsgesellschaft. Da lachen sie schrecklich auf, und meinen Hochzeitstanz, den könnte ich in Deutschland halten, und feine Bräutlein gebe es überall. – Was soll ich denn weiter noch sagen, mir drückt's das Herz ab. Gefangen bin ich gewesen, ein Soldat in des Kaisers Armee. Auch andern ist es so ergangen wie mir, sind unterwegs gewaltsam mitgenommen worden. Der Bonaparte ist ein gar ungeduldiger Herr und noch in derselben Nacht sind wir über den Rhein marschiert. Bis Stuttgart habe ich mein Hochzeitskleid am Leibe gehabt, voller Straßenstaub, feucht vor Schweiß. Nun hat man mich in die Uniform gesteckt und alles ist vorbei. – Mein lieber Tiroler, könnt Ihr Euch das denken? Mir ist, als müßten sie heute, zu dieser Stunde noch sitzen an der Tafel im Baumgarten und auf mich warten.«

»Du hast den Deinigen wohl geschrieben?« fragte Augustin.

»Die Briefe werden nicht bestellt. Mein Weib, meine Mutter, sie wissen nicht, was mit mir geschehen ist, sie sitzen noch bei der Tafel und warten . . .«

»Ihre Trauer wird in Freude verwandelt werden,« sagte der Priester.

»Vielleicht dort drüben. Auf Erden nicht mehr.« Der junge Soldat, verdeckte mit beiden Händen sein Gesicht.

»Willst du, armer Freund,« versetzte Augustin, voller Herzinnigkeit ihm die Locken streichelnd, »willst du nicht auch dem großen Gott eine Sorge überlassen? Er ist stärker als du, er trägt sie leichter.«

»Er wird auch tüchtig zu thun haben, um das Unheil, welches dieser Bluthund anrichtet, wieder gut zu machen,« antwortete der Elsässer. Hierauf fuhr er sich mit einer Hand über die andere und murmelte: »Wie sonderbar mir doch zu Mute ist! Wird denn alles Blei? Was ist denn das?« Durch seinen Körper ging ein leises Beben. »Es ist ja weiter nichts mehr zu sagen,« setzte er tonlos bei. »Ich bitte Euch, schreibt nur das: Als Soldat die Pflicht gethan. Im Tirolerland gefallen auf dem Felde. Im Frieden gestorben. Und das, das schreibt ihnen auch: Einen guten Menschen zur Seiten gehabt beim Sterben . . . Wenn ich komm', wenn ich wiederum komm' . . .«

Er schlummerte. Er lehnte in Augustins Arm und schlummerte.

Als die Morgendämmerung aufging, bemerkte der Feldpater, wie rings um den eingegrabenen Fuß Blut hervorsprudelte aus dem Moore. Er legte den Schlummernden sanft an den Holzstrunk, an welchem er vorhin gelehnt, er hob sachte das Bein aus dem Grunde; die Quellen aus der Doppelwunde versiegten schon. Und als das Frührot leuchtete, wurden die Wangen des Kriegers nimmer rosig. Und als über den Alpengipfel des Großvenedigers die Sonne emporstieg, starrten seine Augen ruhig in sie hinein – denn diese Augen waren schon gebrochen.

Und im Lichte des Tages sah Augustin nun die ganze Schönheit des jungen Mannes, die der Tod nicht verlöschte, sondern nur weihte. – Der Priester kniete vor der Leiche nieder und verrichtete ein Gebet. Vom Turme zu Mühlbach klang die Morgenglocke.

Dann war es Zeit, ans neue Tagewerk zu gehen – zur Bestattung der Toten. Er stieg, daß er Arbeitsgenossen finde, hinab gegen das Thal, in welchem noch blauer Schatten lag. An halber Höhe der Berge schwebte hin und her eine dunstige Rauchbank, aus dem Getrümmer der Klause stieg ein dünnes, wolkiges Säulchen auf, in der Luft war ein seltsam stechender Geruch. Wo Augustin in den Hohlweg einbog, begegnete ihm ein alter Hirte. Der mochte froh sein, einen lebendigen Menschen zu sehen; alsbald nahm er den Schlapphut ab und küßte dem Priester die Hand.

»Was sagst denn dazu, geweihter Bua,« redete er ungefüg heraus, »die haben sich ihre Höll' beizeiten angeheizt!«

»Was meinst du?« fragte Augustin.

»Wer alt wird, der erlebt viel,« antwortete der Hirt.

»Mein Lebtag hätt' ich's nit vermeint, daß auch die Gräber brennen. – Die Franzosen. Hast es noch nit gehört? Ehe sie sind abgezogen, haben sie ihre Toten zusammengetragen in die Klausen und angezündet. – Mensch, zugeht's jetzt auf der Welt! Nimm dir Zeit!«



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