Peter Rosegger
Peter Mayr der Wirt an der Mahr
Peter Rosegger

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Ich muß heim nach Tirol!

In dieser Nacht fuhr den Kuntersweg von Bozen herauf ein ächzender Lastwagen. Er war mit drei schweren Pferden bespannt; der blaukittelige Fuhrmann ging in seinen hohen staubigen Stiefeln schwerfällig nebenher und knallte mit der Peitsche. Im Wagen waren große, vollgerüttelte Säcke übereinander geschichtet und auf einem derselben, unter dem Rohrdache saß ein noch junger Mann in priesterlicher Kleidung. Als die Sonne aufging, waren sie in Klausen.

Bei Klausen am Schlagbaum hielt das Fuhrwerk an und der bayrische Mautner rief dem Fuhrmann zu: »Was führst?«

»Korn,« antwortete der Fuhrmann.

Der Mautner hob den Straßenzins ein, dabei fragte er ganz gutmütig: »Kannst mir nicht sagen, Fuhrmann, was sie denn heute so läuten überall, schon seit aller Herrgottsfrüh?«

Der Blaukittel zog sein breites, sonnengebräuntes Gesicht noch mehr in die Breite und gab zur Antwort: »Was sie so läuten? Ja, weil ein großes Fest kommt. Weil die Weihnachtsmette nicht mehr erlaubt ist, so haben die Tiroler das Fest auf den Sommer verlegt.«

»Aha, der Napoleontag wird gefeiert.«

»Der Napoleontag, wird schon so sein,« sagte der Fuhrmann. »Und heut geht die Oktav ein.«

»Und deswegen, meinst, thun sie überall so läuten?«

»Freilich, deswegen thun sie so läuten.«

»Dank schön.«

»Gern geschehen. – Hia, Braune!«

»Laß rasten noch,« sagte der Mautner und griff prüfend an den strotzenden Säcken herum. »Hast alles Korn?«

»Alles Korn.«

»Sag' mir, Fuhrmann, warum heute der Eisack lauter so Sachen daherträgt. Strohbüschel, Bretter, Baumwipfel und ganz kalkig ist das Wasser stellenweise. Und Sägmehl, so viel Sägmehl! Schau nur, Mensch!« Er deutete nach dem Fluß, der in der Tiefe rauschte.

»Es muß im Gebirg ein Gewitter niedergegangen sein über Nacht,« antwortete der Fuhrmann. »Darauf schwemmt's immer so allerhand daher.«

»Himmel Herrgott, was ist denn das ?« rief der Mautner und wies mit beiden Zeigefingern ins Wasser hinab, wo auf einem vorbeischwimmenden Balken ein rotes Fähnlein stak.

Der Fuhrmann schaute drein und sagte: »Könnt mir's nit denken. Das ist merkwürdig. So ein Kinderspielzeug wird's halt sein.«

»Kann auch sein,« gab der Mautner bei.

»Ist so.«

»Dank schön.«

»Gern geschehen. – Hia!«

Der Mauteinnehmer ließ aber immer noch nicht weiterfahren. »Thut's denn gar so eilen?« fragte er.

»Das gerade nit,« entgegnete der Fuhrmann. »Kann ja noch lassen rasten. Versäume nichts.«

»Fuhrmann, was hast denn im Wagen unterhalb drin?«

»Lauter Korn. Aus dem Welschen.«

»Hast nichts gehört, auf dem Ritten sollen Häuser abgebrannt sein in dieser Nacht.«

»Was du nit sagst, Mautner!«

»Man hat vom Thal aus das Feuer gesehen.«

»Die Sakra geben mit dem neumodischen Schwefelzeug nit acht!« knurrte der Fuhrmann. »Alle Augenblick hört man von einer Feuersbrunst, seit diese verdammte Schwefelzunde aufgekommen ist.«

»Aus Unvorsichtigkeit?«

»Nicht anders.«

»Dank schön.«

»Gern geschehen. – Hia!«

So bewegte sich das Fuhrwerk endlich weiter.

Nach einer Weile schaute der Fuhrmann um und da der Schlagbaum schon außer Sicht war, sagte er zu dem Geistlichen, der auf den Bündeln saß: »Da bei dieser Maut sind mir die Grausbirn' aufgestiegen, du verschwefelt noch einmal! Dreimal hat er gefragt, was ich in den Säcken führe. Und das Herumgreifen! Hab' schon gemeint, er reißt mir einen auf.«

»Hast ihn ein bißchen belogen?« fragte der Priester.

»Ah beileib, wer wird denn lügen! Korn hab' ich in den Säcken.«

»Nun also!«

»Aber –,« der Fuhrmann neigte sich flüsternd zum andern hin, »aber zweierlei Korn. In den großen Säcken Weizenkorn. Und mitten in jedem großen Sack ist ein kleiner, und da habe ich Salpeterkorn drin.«

»Pulver!«

»Bleib' nur sitzen, junger Heiliger, es geschieht dir nichts. Kannst sogar Tabak rauchen, wenn du willst, es greift nichts durch.«

»Wohin fährst du denn mit dem Pulverturm?«

»Auf die Mahr, zum Wirt.«

»So laß mich nur sitzen, ich habe einen weiten Weg hinter mir und will auch zum Mahrwirt.«

»Hab' mir's wohl gedacht,« sagte der Fuhrmann. »Du bist ja der Augustin, der Wirtin ein Bruder.«

»Also kennst du mich?«

»O Hergottswetter, und glaubst du denn, ich wollte dir sonst meinen Pulverturm auf die Nase binden?«

Nun da verstanden sie sich.

Der Verkehr auf dieser Straße war heute auffallend gering: ein paar träge Kutschen, ein paar Soldatenwagen mit fluchenden Blauhosen, ein Viehtrieb, sonst begegnete ihnen auf langer Strecke nichts. Bauernfuhrwerke mangelten fast gänzlich, die Höfe und Dörfer des Thales waren wie ausgestorben, um so lebhafter regte es sich auf den Feldwegen, in den Seitenthälern und auf den Gebirgssteigen. Das scharfe Auge des Fuhrmannes merkte es wohl und mit vor innerer Gier zitternder Stimme sagte er zum Priester: »Auf diesen Tanz habe ich mich schon lange gefreut. Endlich spielen sie auf!«

Gegen Mittag kam das Kornfuhrwerk an die Mahr. Vor dem Wirtshause wollte es halten, da rief die Wirtin zur Thür heraus: Ihr Mann sei nicht daheim und er lasse sagen, das Korn sei nach Mühlbach zu fahren.

Der Priester stieg hier vom Wagen und fragte: »Was bin ich schuldig fürs Mitfahren?«

»Ein Vaterunser bete einmal für mich,« antwortete der Fuhrmann, knallte mit der Peitsche und das Gefährte ächzte weiter.

Die Wirthin stand noch an der Thür, legte ihre flache Hand über die Augen und schaute auf den Fremden her, der abgestiegen war und nun mit langsamen Schritten dem Hause nahte.

»Jesu Christi, der Augustin!« rief sie plötzlich, stand aber wie festgebannt an der Schwelle.

»Gott grüße dich, Schwester!« Mit diesen Worten trat er an sie hin und gab ihr ruhig die Hand.

»Heißt das in Padua sein?« rief sie fast lustig. »Oder hat der Bonaparte auch dein Kloster aufgehoben?«

»Er hat es nicht aufgehoben,« versetzte der junge Priester, »aber Schwester, es ist kein Bleiben in der Fremde bei dieser Zeit. Wie könnte man im Chorstuhle sitzen und Psalmen singen, wenn es daheim so zugeht! Mir hat's keine Ruhe mehr gelassen, ich bin da. Wo ist der Peter?«

»O Augustin,« sagte Frau Notburga, »seit gestern abends ist alles auf. – Komm doch nur mit ins Haus.«

Sie führte ihn die Treppe hinauf in die Familienstube. »Kinder!« schrie sie in den Hof hinab, »kommt eilends her, der geweihte Vetter ist da!«

Der kleine Hans war eben im Stalle, hatte sein weißes Lieblingslamm auf den Armen und fand jetzt gar nicht Zeit, es wegzuthun; so kam er mit dem Thiere hinauf. Er hatte das Lämmlein zuerst von Gott und dann noch von seinem Vater geschenkt bekommen und das sollte nun auch sehen, was es mit dem geweihten Vetter ist. Das Marianele war vom Garten hereingekommen und hatte eine Birne in der Hand, an deren Scharte man ihre Zähnlein merkte; mit ihren großen sanften Augen sah sie den schönen Geistlichen an, der in seinem schwarzen und weißen Gewande, mit dem braunen kurzgeschnittenen Haar und dem feinen Gesichte, in welchem gar kein Bart war, so schlank und freundlich vor dem kleinen Mägdlein stand. Sie spitzte schon den roten Mund, um ihm die Hand zu küssen, aber er legte ihr seine weiche Hand auf das Köpfchen. Das Peterlein strampelte im Bette, ballte die kleine Faust, aber nicht, um den Bonaparte damit zu zermalmen, sondern um mit den paar weißen Zähnlein hineinzubeißen.

»Drei habe ich ihrer schon,« gestand die Mutter, »gib ihnen den Segen, Bruder, und ein bissel einen,« setzte sie leise bei, »spare auch auf das vierte.«

»Gott mit uns allen! Wenn sie nur schon groß wären!« sprach der Priester, indem er seine Ledertasche auf die Bank warf, »und jetzt, Notburga, kannst du mir was zu essen bringen. Seit Bozen her habe ich nicht mehr gebettelt.«

Da kann für die Hausfrau keine größere Freunde sein als solch einen Gast zu bewirten. Nachdem er sich tapfer gestärkt hatte, stellte Frau Notburga sich vor ihn hin, schaute ihn an vom Kopf bis zum Fuß und sagte: »Na wahrlich, da hätte ich eher vermeint, die Steinwand stürzt nieder auf unser Haus, als daß du heute sitzen solltest an diesem Tisch. Ja, wie kann denn das sein?«

»Mich däucht, Schwester, du nimmst es für ein Unglück.«

»Wie kannst du so reden, Augustin! Ich kann's nur gar nicht glauben. Daß du am Ende nicht durchgegangen bist!«

»Das bin ich nicht, Schwester, aber wenn ich's wäre, jetzt würde ich es verantworten,« sagte Augustin. »Unser Vater selber, wenn er noch am Leben wäre, hätte mich gerufen. Ja, es ist anders gekommen, als wir alle gedacht haben. Man ist ja so kindisch, solange man noch nichts weiß. Kannst du dich erinnern, Notburga, wie ich am Tage meiner Priesterweihe gesagt habe: ›Ich will von dieser schnöden Welt nichts mehr hören und nichts mehr sehen. Ich will auch nicht stehen zur streitenden Kirche, ich will nur leiden mit der leidenden und einst selig sein mit der triumphierenden. Ganz eitel ist die Welt, ich will den Frieden Gottes haben und ich fliehe in eine klösterliche Statt, um ganz bei meinem Gott zu sein‹ – Ich weiß es noch recht gut, wie auf solche Worte dein Peter den Kopf geschüttelt und gesagt hat: ›Es wäre alles recht, Augustin, wenn du nicht schon heute so redetest, sondern erst nach vierzig Jahren‹.«

»Du bist schon als Kind immer so gewesen,« versetzte Frau Notburga, »so traumhaftig, so weltscheu, so absonderlich.«

»Mein Verlangen war, los zu sein von allen irdischen Banden,« fuhr er fort, gleichsam als wollte er das Vergangene rechtfertigen, oder auch nur entschuldigen. »Daß ich Eltern und Geschwister so lieb gehabt, ist mir vorgekommen wie eine Sünde; wenn solche Ketten sind und um ein junges Menschenherz auch noch leicht andre geschlungen werden können, da kann kein Leben in Gott sein. Also habe ich den Rat eines geistlichen Seelenfreundes befolgt, habe mich losgerissen von der Heimat und in der Fremde, im welschen Lande, meinen Leib willig hingetragen in die Klostermauern des heiligen Antonius, um ihn dort zu begraben. Und ich habe es nicht bereut, Schwester, glaube mir das. Ich bin nicht unglücklich gewesen die drei Jahre her. Ich habe Stunden genossen im Kloster, die voll himmlischer Seligkeit waren. Wenn aus der Ferne manchmal ein schwacher Hall hereindrang in die stillen Mauern, ein Hall des Jammers der Welt, da bin ich mir des heiligen Asyls so recht bewußt geworden und mir ist gewesen, als gehörte ich nicht mehr zu den Sterblichen, sondern vielmehr schon zu den Seligen. Nicht sagen kann ich dir's, meine Schwester, wie süß es ist, im Reiche Gottes zu leben.«

»Und je mehr du so redest, desto weniger kann ich es begreifen, daß du da bist,« so die Schwester.

»Dann sind Nachrichten gekommen,« fuhr Bruder Augustin fort, »die nicht mehr wie ein schwacher Hall verwehen wollten, die wie ein heißer Schrei durch die Mauern kamen und mich weckten wie Posaunenschall. Das Heimatland ist erniedrigt! Dein Volk daheim greift zornig zu den Waffen, um seine uralten Rechte wieder zu erobern! – Jetzt empfand ich, wie mein irdischer Leib lebendig wurde und eine Stimme rief in mir laut und lauter mit jedem Tag: Heim geh! Bei der Vesper rief sie es, am Altare rief sie es: Heim mußt du! – Immer nach Berichten aus Tirol horchte ich aus und immer beunruhigender wurden die Nachrichten. Und eines Tages, als ich bei der Messe die Hostie emporhob, da hörte ich von dieser Hostie deutlich das Wort: Augustin, gehe heim! – Jetzt war kein Halten mehr, niedergekniet bin ich vor dem Prior: ›Ich kann nicht anders, ich muß heim nach Tirol!« Der Prior legte mir die Hand aufs Haupt: »So gehe, mein Sohn. Du bist jung, du gehörst in die streitende Kirche und wirst in derselben Gott und dem heiligen Glauben dienen. Und einst, wenn du müde, bist, sollst du ja wieder kommen.‹ – Also bin ich da. Wieder daheim! Ich weiß nicht, wie mir zu Mute ist. Und nun will ich wissen, wo ist dein Mann?«

»Bei der Gewehrvertheilung in der Muhrschlucht.«

»Ich will auch ein Gewehr haben.«

»Draußen in der Scheune unter dem Dach versteckt sind noch zwei Stutzen. Nimm einen. Willst auch ein andres Gewand?«

»Nur Hut und Schuhe; ganz will ich meinen Stand nicht ausziehen.«

Kaum zwei Stunden war der Klosterbruder im Tirolerhause, und schon stand er gerüstet zum Kampf. Nun fiel Frau Notburga ihm um den Hals, umarmte ihn, herzte ihn und lachend, weinend sagte sie es: »August! So gern wie jetzt habe ich dich noch nie gehabt. Daß du uns nicht verlassen hast in der Not! – Aber früher mußt du dich ausruhen. Wenn's dunkel wird, dann gehe ihnen nach. An der Mühlbacherschlucht werden sie sich festsetzen.«

»Daß man keine Soldaten sieht, wundert mich,« sagte Bruder Augustin, zum Fenster hinausschauend.

»In der Nacht sind sie abmarschirt, um sich mit den bayrischen und französischen Truppen bei Bruneck und Sterzing zu vereinen. Sie werden nicht lange ausbleiben und ihr werdet sie früh genug sehen. Langweilig wird euch nicht werden. Aber du armer Mensch, wie sollst denn du fechten? Hast dein Lebtag kein Schußgewehr in der Hand gehabt.«

»So will ich ein Schwert nehmen,« antwortete er. »In solcher Zeit kann's jeder.«

»Gottswillkomm noch einmal daheim! Und jetzt geh ein wenig rasten!«

Als Augustin zur kurzen Ruhe sich in die Kammer zurückziehen wollte, kam die junge Stallmagd Hanai herangeschlichen. Zuerst küßte sie an dem Geistlichen den Zipfel des Rocks, dann die Hand und endlich rückte sie heraus, sie hätte eine schöne Bitte. Die heimische Geistlichkeit sei alle verjagt, darum komme sie zu ihm; wenn er gleichwohl noch jung sei, das werde er doch können. Sie habe nämlich etwas weihen zu lassen.

»So bringe es nur her,« sagte Augustin, der an ein Heiligenbild oder an einen Rosenkranz dachte. »Ich werde es schon segnen.«

Hanai eilte hinweg und kam in sehr kurzer Zeit mit einer schweren dreispießigen Stallgabel zurück.

»Was soll das, was willst denn damit?« fragte der Priester.

»Franzosen erstechen. Und ich bitt' dich gar schön, geistlicher Herr, thu' mir sie weihen.«

Dabei stellte sich die Magd stramm hin wie ein Soldat und stemmte den Stiel auf den Boden, daß die drei Spießen himmelwärts standen. Der Priester faltete die Hände, sprach ein lateinisches Gebet und setzte deutsch die Worte dazu: »Also sei gesegnet diese Waffe, daß sie Kraft habe gegen den Feind Gottes und Tirols, im Namen der allerheiligsten Dreieinigkeit!«

»Amen!« sagte die Magd. »Vergelt's Gott, geistlicher Herr, jetzt will ich damit schon was Nutzes verrichten.« Damit schwang sie die Gabel auf die Achsel und machte kehrt.

Und weil wir schon wieder bei der Hanai sind, so ist zu erzählen, wie sie bald darauf zur Wirtin in die Küche kam und sie bat, einen Rest vom Mittagsmahle hinaustragen zu dürfen zu den Kastanien; dort draußen sei ein Armer, der schon länger als einen Tag nichts zu essen gehabt habe.

»So trage ihm hinaus, was da ist,« gestattete Frau Notburga. Und die Magd nahm den Handkorb, that ein Stück Rauchfleisch hinein, einen Teller Kraut, eine große Schnitte Brot und auf Geheiß der Wirtin auch eine kleine Flasche Rotwein. Solches Mahl trug sie hinaus zu den Kastanien.

Dort im Grase saß der schwarzbraune Tonele und rieb mit einem Lappen und feinem Sande das Rohr eines Gewehres. Als er die Hanai nahen sah, hub er an zu jodeln, und als er sah, was sie brachte, that er einen schallenden Juchschrei. Die Magd stürzte auf ihn hin, hielt ihm mit flacher Hand den Mund zu: »Soldaten sind in der Nähe. Was thust denn da?«

»Den Stutzen thu ich schön machen.«

»Lapp! Dem kannst du die Seel' herausreiben, so wird er nit glänzend.«

»Nit?« entgegnete der Tonele, »wenn er nit glänzt, alsdann mag ich ihn nit. Die bayrischen Gewehre funkeln ja auch so schön.«

»Der Tiroler braucht seinen Stutzen zum Schießen und nit zum Prahlen. Da hast was zu essen.«

»Durst habe ich« sagte der Bursche und langte nach der Weinflasche.

»Wenn du gleich nur trinken willst, da wirst nit gut treffen, da wirst den Feind alleweil doppelt sehen.«

»Einen davon werde ich doch treffen,« meinte der Tonele.

»Wird mich g'freuen.«

»Willst wissen, daß ich treffe!« rief der Bursche, legte den Gewehrschafft an die Wange und zielte nach einem Geier, der wie ein Silberblättchen hoch im blauen Himmel kreiste. Sie riß ihm zornig die Waffe aus der Hand. »Du wirst mit deinen Thorheiten noch alles verderben. Warte doch, bis ihr bei einander seid. Willst denn heute noch gehenkt sein?«

Er schüttelte den Kopf, dann setzte er sich ruhig hin und begann zu essen, wobei er Messer und Gabel verschmähte, hingegen aber die Finger und die Zähne vortrefflich zu nützen verstand. Die Hanai saß neben ihm und schaute zu, aber sie sagte nicht, wie wohl ihr's that, daß es ihm so mundete. Wenn man so etwas messen könnte: sie hatte an seinem Essen gewiß einen größeren Genuß, als er selbst; er stillte sich nur den Hunger, sie stillte sich das Mitleid. Und als er sich gesättigt hatte, wischte er mit den Hemdärmeln die Lippen ab, schüttelte die schwarzen Mähnen, schaute mit seinen frischen freundlichen, ein wenig zwinkernden Augen auf die Magd und sagte: »Hanai, jetzt weiß ich was. Jetzt, damit du einen großen Respekt vor mir bekommst, erzähle ich dir meine Lebensgeschichte.«

»Freilich, just so!« entgegnete sie, »jetzt hätten wir Zeit für solche Narrheiten. Deine Lebensgeschichte kannst erzählen, wenn du alt bist. In der Jungheit hat der Mensch was anders zu thun.«

»Du Hanai, das ist wahr!« sagte der Bursche ganz leise und streckte die Arme aus, um ihren Nacken zu umschlingen.

»Na, wart' noch ein bissel!« sagte sie, packte das Geschirr zusammen und ging gegen das Haus. Der Tonele blieb sitzen. Allmählich sank sein Oberkörper aufs Gras hin, das Gesicht gähnend gegen die Kronen der Kastanienbäume gerichtet sang er gedämpften Tones das folgende Klagelied:

»'s gibt ka Kurzweil nimmer,
's is a dumme Welt,
Na, der neue Brauch, der g'fallt ma nit.
Singen soll ma nit,
Schießen soll ma nit,
Dirndel busseln soll ma nit.«



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