Peter Rosegger
Peter Mayr der Wirt an der Mahr
Peter Rosegger

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Bei dem Faulenzen wird man verdammt müde!

Wieder im lachenden Brixnerthale.

Wie ein Netz war es gezogen über die weite ländliche Fläche hin. In unzähligen Reihen standen Stangen aufrecht, darüber lagen Stangen wagerecht, ein unendliches Gitterwerk; daran rankten sich aufrecht und wagerecht hin die hellgrünen Reben des Weines. Die Trauben daran begannen schon zu blauen.

In den Gründen dieses ungeheuren Netzes, wo sonst die Grillen zirpen, war jetzt das Trillern einer menschlichen Stimme zu hören, in weichen melodischen Tönen sang sie, dann ein hell ausgestoßenes Jauchzen – dann Stille.

Ueber der Gegend lag heißer, veilchenblauer Hochsommerhimmel, ganz wolkenlos und leblos. Auf den hohen Almen, in den Schründen der blauenden Wände war zu solcher Jahreszeit der letzte Rest von Schnee verschwunden und die glasblauen Tafeln, die in den Hochmulden lagen, waren ehern wie Gestein, waren die ewigen Gletscher, die keine Sonnenglut vermag zu lösen. Die Dörfer, welche an den grünenden Sockeln der Berge klebten, lagen wie ausgestorben, die Türme, die so schlank und spitz gegen den Himmel ragten, hatten keinen Glockenklang zu solcher Stunde, denn alles war in Ruhe. Es war die grelle heiße Nacht des Hochsommermittags.

Und im grünen Rebennetze sang doch etwas. Ein gar minnig, schalkhaft Lied ward vernehmbar, und wenn schon der Sang nicht wiedergegeben werden kann, weil der in die weichen Himmelslüfte aufstieg, das Wort ist uns doch geblieben:

»Mein Dirndl hat a Kinn,
Wo a Grüabei is drin;
Und ih kann's gar nit sag'n,
Wia guat ih dir bin,
Wia guat ih, wia guat ih,
Wia guat ih dir bin.

Dein Grüabei, liabs Dirndl,
Das is schon a Pracht,
Ih bitt dih, gib nur auf
Dein Grüabei schön acht.
Auf dein Grüabei, dein Grüabei,
Dein Grüabei schön acht!«

Da will man doch einmal näher hingucken. Ein junger Bursche war's, der im Schatten des Weinlaubes auf dem Rasen lag. Eine weite blaue Leinwandhose und ein grobes Hemd, sonst hatte er nichts am Leibe. Seine breitgewölbte Brust, sein rundes, noch bartloses Gesicht war bräunlich gefärbt, wie Wecken, wenn sie frisch aus dem Ofen kommen; das schwarze, wildquellende Haar krauste seine Ringellocken herab über die Stirn, fast bis an das große weichselbraune Auge, dessen Wimpern so lang und kräftig waren, daß er mit denselben die zudringlichen Haarlocken zurückschlagen konnte. Er blinzelte auch in einem fort während des Gesanges. Die Arme als Kissen unter dem Haupte, den linken Fuß ausgestreckt, den rechten in einem Knie gegen den Himmel gereckt, so lag er da und so trillerte er. Neben sich am Stab hatte er eine Guitarre lehnen, doch schien es ihm zu mühsam zu sein, mit deren Saiten den Sang zu begleiten.

Er wußte wohl, wem seine Lockrufe galten. Derselbigen galten sie, die dort vom Mahrwirtshause herüber am Berghange unter den Kastanien saß. Sie hatte etwas über das Knie gelegt und an dem that sie nähen. Wenn sie sich ohnehin keine Rast gönnt an diesem Sonntage nach dem Gottesdienst, warum soll sie nicht zu ihm ins Weinlaub kommen!

Jetzt müssen wir auch dieselbige näher ansehen, die unter den Kastanien saß. Auch sie hatte nicht mehr an als ein blaues Kittelchen und ein weißes Hemd, welches den Busen leicht umspannte; aber sie hatte kein braunes Gesicht, sondern ein rotblühendes, und hatte kein schwarzes Haar, sondern ein flachsiges rötlich schimmerndes, das glatt gekämmt und gescheitelt war und hinterwärts in einem Knollen ohne viel Zier zusammengebunden. An ihren Augen konnten einem keine Weichseln einfallen, weit eher frische, ganz wasserfrische Vergißmeinnichtblümlein. Der Mund unter der gar nicht zu geringfügigen Stumpfnase hatte schmale Lippen und ließ die obere Zahnreihe ein wenig sehen. Man konnte die Magd Hanai vom Mahrwirtshause gerade nicht schön nennen, aber kernfrisch, und im rundlichen Kinn hatte sie richtig das Grübchen.

Der Bursche unter dem Weinlaub fuhr in seinem Sange fort:

»Hätt' jüngst a Heirat kriagt,
Drin in der Stadt,
Aber ih hab's nit mög'n,
Weil's ka Grüabei g'habt hat,
Ka Grüabei, ka Grüabei,
Ka Grüabei g'habt hat.«

Der Lotter ist's der Tonele! – dachte sich das Mädchen, als es solchen Gesang vernommen. – Soll sie hinabgehen? Soll sie ihn fragen, ob er denn kein andres Lied wisse zur Sonntagsheiligung? Ein rechtes Elend mit diesem Menschen. Stromert in der Gegend umher und thut nichts, als mit der Klampfen klimpern und Schelmenlieder singen. Und was für Schelmenlieder? gottlose, spottschlechte, daß einem oft der Greuel über den Buckel geht, weit hinab! – Man kann ihm sonst aber nicht feind sein, er hat's halt einmal so. Austreiben sollt' man ihm's. Natürlich, nachlaufen! Nachlaufen wird man ihm! Da kann der Tonele wohl so lang liegen im Wein, bis ihm das Laub über und über auf dem Buckel wachst. Einmal wird er sie schon kriegen, die Metten, für seine Leichtsinnigkeit, daß er ordentlich wird! – Gott, wenn dieser schöne, lustige Mensch auch noch ordentlich wär! – Da bliebe von ihm wohl nicht viel übrig für unsereine, da thäten ihn die vornehmen Brixner Mädeln auffressen bei Putz und Stingel! Diese Kurfe biege ich mir selber, wie ich sie haben will. Singe nur, Tonele! krieg' ich dich erst einmal unter die Hände, ich will dich schon herrichten!

Solche Gedanken hatte sie, die emsige Näherin unter den Kastanien. Das Denken ist ihr freies Belieben, nähen aber muß sie. Der Sonntagnachmittag gehört ihr, daß sie sich das Gewand aussticke, gestickt trägt man es länger, als neu! Dann hat sie für die Kühe und Schafe im Stall zu sorgen, für die Wiese, und wenn ihr auch für den Garten manchmal ein Stündel Zeit bleibt, so ist es ihr der Frau Notburga wegen lieb, der sie gern überall freiwillig zu Handen ist. Zu Brixen oben hatte man einmal eine Kellnerin machen wollen aus der kleinen Magd Hanai. Solches wäre das Rechte gewesen bei diesen herlebigen Mannsleuten, wenn sie einen Krug zuviel getrunken haben! Daß sie noch Lust haben für so Dummheiten bei der jetzigen Zeit! Sich den Kratzbart ins Gesicht reiben lassen! das mag sie nicht. Wenn sie einmal einen Liebsten hat, Kratzbart darf er keinen haben und im Weinlaub liegen darf er auch nicht.

So schön, jetzt kraucht er hervor. Jetzt steht er auf. Drei ganze Vaterunser könnte eins beten, bis der fertig wird mit dem Aufstehen. Nun, dafür steht er aber jetzt auch und hebt sogar an, gegen die Kastanien zu gehen. Ganz gelenkig geht er daher, lauft sogar. Wer so flinke Glieder hat, der sollte doch was arbeiten.

»Hanai, Hanai« rief er ihr entgegen, der Schwarze der Blonden, »wenn du wüßtest, Hanai, wenn du wüßtest!«

»Was willst denn, was soll ich denn schon wieder wissen?« fragte die junge Magd.

»Wie gut man unter dem Weinlaub rasten kann!«

»Versteht sich, rasten! Wirst freilich recht müd worden sein über die lange Wochen beim Faulenzen!«

»Du Hanai! glaub mir!« rief er mit einer munteren Ernsthaftigkeit, »bei dem Umherfaulenzen auf der Welt wird man verdammt müd'!«

»Auch noch fluchen dabei, natürlich! Und bist heute gewiß in keiner Kirchen gewest, weil du deine saubern Meßgesänge unter den Reben singst.«

»O Hanai, Hanai« rief er lustig, »kann sie wohl auch unter den Kastanien singen:

Und wenn ih so dürft',
Grad ganz nach mein' Will'n,
So that ih dei Grüabei
Mit Busserln ausfüll'n,
Mit Busserln, mit Busserln,
Mit Busserln ausfüll'n!«

Darauf schwieg die Hanai mäuschenstill und nähte und schaute scharf auf ihr Nähen und als sich der Zwirn knotete, fuhr sie fast zornig mit den Fingern glättend darüber hin.

»Anton!« sagte sie endlich. Das zweite Mal mußte sie es wiederholen: »Anton!«

»Rufest du mich?« fragte er.

»Wen denn?«

»Ich bin kein Anton, meine liebeste Hanai,« versetzte er. »Der Name ist zu herrisch und zu langweilig für einen Spielmann. Als Anton bin ich einmal ins Wasser geworfen worden, seitdem mag ich ihn nicht mehr. Ich bin der Tonele, der Gurgler-Tonele, der Klampfen-Tonele – wie du willst.«

»Laß einmal ernsterweise mit dir reden, Tonele,« sagte die Magd. »Gurgler-Tonele oder Klampfen-Tonele, ich begreife dich nicht. Schau, ein Mannsbild! Wenn ich ein Mannsbild wäre wie du!«

»Nun, was wäre da lauter? Thäten jetzt unter den Kastanien zwei Mannsbilder beieinandsitzen – was weiter?«

»Wenn ich ein Mannsbild wäre wie du!«

»Was thätest denn nachher? Was wolltest denn Besseres thun als Weiberleut' gern haben!«

»Ja, pfeifen!« sagte sie und nadelte.

»Auch Musikant?«

»Tonele, ist mit dir denn gar kein gescheites Wort zu reden! – Hast es schon gehört, daß das Ritterfräulein wieder weint?«

»Was für ein Ritterfräulein?« fragte der Bursche.

»Das Ritterfräulein in dem alten G'schloß Stein auf dem Ritten. Allemal um drei Uhr nachmittags, wenn du willst losen gehen, kannst sie hören, herzbrecherisch thut sie weinen.«

»Ja, warum denn?« fragte der Tonele.

»Wer kann's wissen!« sagte die Magd, und sagte es mit einem Seufzer. »Geschehen wird halt was. Eh vor Zeiten ist's so gewesen, wenn man das Fräulein auf dem Steiner-G'schloß hat weinen gehört, da hat sich nachher allemal was zugetragen. Im Fünferjahr, wie die Franzosen das erste Mal sind gekommen, hat sie auch geweint. Ja, du lachst!«

»Freilich, weil andre Leute auch geweint haben im Fünferjahr.«

»Und früher hat sie jahrelang fort geweint, und was geschieht? Der Bonaparte hat den heiligen Vater in Gefangenschaft führen lassen. Ehevor in Frankreich der wilde Aufruhr ist ausgebrochen, wo sie vieltausend Menschenköpfe nur so mit der Köpfmaschine haben abschlagen lassen, da hat das Fräulein auch jämmerlich geweint. Mein Oheim, der Hollerschmied, hat's selber gehört und oftmals davon erzählt. Und jetzt wieder, schon seit einem halben Jahr, und kein Mensch weiß warum. Eine Bedeutung wird's wohl haben, weiß Gott, was geschieht, es ist ganz unheimlich jetzt auf der Welt.«

»Da möcht' ich's probieren gehen und dem Schloßfräulein was Lustiges vormachen.«

»Ja, probier's nur. Ein Geist läßt mit sich nit spotten.«

»Ein Geist wär's!« lispelte der Tonele, »du Hanai, da will ich schon lieber nicht ins G'schloß gehen. Da bleib ich lieber bei dir.«

Er legte sich zu ihren Füßen hin und schaute mit gutmüthigen, immerfort blinzelnden Augen zu ihr auf. Da warf sie plötzlich ihr Nähzeug von sich, sprang von ihrem Sitze empor und sagte: »Grausen thut mir! Schämst du dich denn gar nit, Toni! Ist der Feind mitten im Land, und du, ein junger, starker Mensch, lungerst müßig umher, thust nichts als das Obst von den Bäumen naschen, auf der Klampfen klimpern und an die Weibsbilder denken.«

Auf solchen Vorwurf war der Bursche höchlich überrascht. »An was soll man denn sonst denken?« fragte er.

»An die Bayern, du Tropf! An die Franzosen! Da hast du zu denken genug. Und mit der Hand denken, nicht just mit dem Kopf, oder gar mit der Feder, wie die Stadtherren. Besser mußt denken, mit dem Stutzen in der Hand mußt denken.«

»Ah freilich, ich werd' Leut' derschießen!« rief der Tonele abwehrend. »Werd' mich hinstellen vor die Bayernkugeln. Thät mir wohl leid um mein junges Leben. Sollen machen, was sie wollen, mich geht's nichts an.«

Fast erschrak er über den ingrimmigen Blick, den die Hanai ihm jetzt zugeschleudert. Aber nur einen Augenblick war dieser Blick ingrimmig, dann wurde er mitleidig. – Ihn geht's nichts an. Das Tirolerland richten sie zu schanden und ihn geht's nichts an!

»Das Heimatland!« schrie sie auf, und da gab's ihr Stöße inwendig in der Brust.

Jetzt wurde auch der Bursche ernsthaft, sein Angesicht fast traurig. »Heimatland?« sagte er. »Ich habe keins. Ich hab' als neugebornes Kind schon laufen müssen. Freilich auf der Mutter Füßen – vom Oetzthal herab. Meine Mutter ist an der Kirchenthür zu Sankt Jakob gestorben. Wo es doch so viele Glockentürme gibt in Tirol, wie sie meine Mutter haben in die Gruben geworfen, hat's in keinem geläutet. Dann nachher, dann nachher . . . Ach weg, ich mag nit daran denken. Hanai!« Schier wie drohend sprang er auf und stellte sich mit geballter Faust vor die junge Magd. »Was gönnst du mir meine Lustigkeit nit! Die einzige Gottesgab', die mein ist. Das bissel Singen und Musicieren! Geh, Hanai, red' nit immer so und laß mir die Freud', schau, hat ja kein Mensch einen Schaden davon. Wo alles jetzt flucht und schreit und weint! Es muß ja doch auch wer sein, der ein Tirolerliedl singt. Gerade beim Singen habe ich das Tirol noch am liebsten.«

Sie, die Hanai, haschte jetzt nach seiner Faust, die im Augenblick sich löste zur weichen, offenen Hand, und sie sprach ganz anders, als sonst ihre Art war: »Tonele, so habe ich's nie gesehen, als jetzt. Du armer Mensch! Du armer Mensch! Und so viel höher stehst, als andre. Andre müßten verzagen, wenn sie so arm wären wie du. Keine gute Kindeszeit mußt du gehabt haben. Erzähle mir doch einmal davon.«

»Hanai, ich will's dir schon einmal erzählen. Heute nicht, heute ist Sonntag, heut will ich lustig sein. Hanai, laß mir doch mein Lustigsein!«

»Kind Gottes!« rief sie, »das will ich dir ja gern lassen. Kann mir's selber nimmer anders denken, als daß Gott dich recht muß lieb haben, daß er dir ein so leichtes Herz geschenkt und deswegen sollst du ihn auch lieb haben, er wird dir noch einmal was Besseres geben, als was du jetzt hast.«

»Und glaubst du, Hanai, daß er mir auch einmal ein liebes Weibel gibt?«

»Das wird er gewiß sehr gern thun,« antwortete sie, »den Männern gibt er so was ja ganz gern, mußt halt einer sein. Und mußt für Gott aufstehen. Hast vom Antichrist noch nichts gehört?«

»Was? Wer? der Antichrist? Ah, ich weiß schon, das ist der, der die Kirchen niederreißt und die Christen martert.«

»Gut weißt es, brav ist, Tonele, und schau, deswegen gehen dich die Bayern und die Franzosen doch was an. Die sind ja der Antichrist. Weißt doch, wie sie unsern lieben Pfarrer eingefangen und fortgetrieben haben! Wie sie das silberne Kruzifix am Hochaltar dem Juden verkauften! Wie die Franzosen zu Sankt Barbara oben gar mit der heiligen Hostie Schimpf und Spott getrieben haben! Du weißt es ja. Ein Schandmensch, der da zuschauen kann und nit dreinschlagt, die schlechtesten Namen sollte man ihm ins Gesicht spucken. Alles, was Hosen tragt in Tirol, sollte jetzt mit dem Gewehr ausrucken.«

Auf solches entgegnete der hartgesottene Tonele: »Ihr Weibsleut' habt leicht reden. Ihr verspürt nicht viel davon, wenn einem Soldaten eine Kugel in den Schädel fliegt oder ein langer Spieß in die Brust gestochen wird.«

Kaum hatte der Bursche das Wort gesagt, da packte ihn die junge Magd bei den Brustfalten des Hemdes, rüttelte ihn und sprach: »Toni, schau mich an! Schau mich an! Bin ich ein Mannsbild oder ein Weibsbild?«

»He, he,« lachte er und schaute sie schalkhaft an.

»Glaubst du,« fuhr sie fort, »daß ich daheim bleibe und mein Haar strähle, dieweilen das Mannsvolk vor dem Feind steht? Wir gehen alle. Und wenn uns Weiberleuten schon kein Schlagprügel und kein Stutzen mehr übrig bleibt, mir ist alles eins, ich ruck' mit der Mistgabel aus. Vor die Kirchenthür stell' ich mich und renn' jedem Welschenhund, der hinein will, auf einmal drei Löcher in den Bauch. Und wenn's ernst wird, Toni, und ich finde dich anstatt auf dem Schlachtfeld unter dem Weinlaub, nachher – nachher sollst auch du meine Gabel kosten.«

»Und wenn ich auf dem Schlachtfeld steh' und Franzosen derschieße? Was krieg' ich nachher zu Lohn?«

»Den Himmel, wenn du gefallen bist.«

»Und wenn ich nit gefallen bin?«

»Das Heimatland Tirol.«

Also sprachen sie miteinander. Und wie sie so geredet hatten, wurde die Magd wieder ganz weichmütig und sagte:

»Schau, Tonele, du hast keine Heimat, sagst. Und wahr ist's, du hast auch keine. Wie du jetzt bist und nichts nutzest, hast auch keine. Aber paß auf, von dem Tag an, wo du für Tirol deinen Tropfen Blut hast verspritzt, von dem Tag an hast ein Heimatland und glückselig wirst es verspüren und mit Freud und Stolz wirst ein Tiroler sein.«

Der Bursche schmiegte sich an die Magd hin und sagte mit ganz leiser, zitternder Stimme: »Schier warm wird einem bei deinem Reden. Der Pfarrer kann's nit so. Du bist eine ganz Besondere, das habe ich mir ja immer gedacht. Hanai, dir zulieb, wenn's ernst wird gegen die Fremden, ich gehe mit.«

»Und ernst wird's!«

»Ich gehe mit,« sagte der Tonele, »wenn ich nur schon einen Stutzen hätt!«

Die Hanai fuhr sich rasch in den Kittelsack, zog einen ledernen Beutel heraus, nestelte den Bindriemen auseinander und klebelte einige Silbermünzen hervor. »Bayrisch Geld. Gerad gestern hat mir's der Mahrwirt als Leihkauf gegeben fürs nächste Dienstjahr. Ich brauch im Sack kein bayrisch Geld, ist just gut genug, daß du dir davon einen Kugelstutzen kaufen kannst. Nimm den Bettel.«

»Kaufen, meinst? Einen Kugelstutzen? Wenn ich aber nit schießen kann!«

»Auf der Kreuzwirtalm im Eiskar wird scheibengeschossen. Geh hinauf und lern's! Lernst es nit, so wirst es von selber können, wenn du vor dem Feind stehst; schießen ist keine Kunst. – Na, Toni, jetzt kannst schon gehen.«

Er blieb immer noch vor ihr stehen und endlich sagte er – gar züchtiglich und schüchtern sagte er's – indem er unverwandt auf ihr Grübchen am Kinn blickte: »Hanai! Nimmst mich nachher?«

Sie antwortete: »Erst zeige, daß du ein Mann bist, nachher kannst wieder anfragen.«



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