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IV.
Ekel

Stella wurde die Vertraute des Tammuz, da sie allein genügend Selbstbeherrschung für diese schwierige Rolle aufbrachte.

Er erzählte die Szene der Aschtoret.

– Ich habe die kaiserliche Canaille, die Wüstheit eines Nero, begriffen, als ich diese namenlose Tragödie sah.

– Haben Sie auch gesehen …, fragte Stella.

– Ja, und das verwirrt mich noch mehr. Bei den Höheren sitzt Lesbos in der Einbildung, bei den Niedrigen in den Lenden. Es ist leicht zu sagen, wie Frau von Maudoré erkrankt ist: ihr Gatte, ihre Liebhaber haben ihre Nerven in vollem Chor bestürmt, und ihre Nerven haben sich empört, da sie unter dieser zu einfachen und zu gesunden Melodie litten. Aschtoret verstand den Kontrapunkt des Lasters und hat ihr die Wollust enthüllt. Die religiöse Erziehung allein konnte Frau von Maudoré schützen. Wie soll man als zweifelnder Moralist der Frau gebieten, den Ekel dort zu erdulden, wo sie die Wonne erhofft; und den Taumel im ausschließlich religiösen Namen der Keuschheit zu fliehen? Welche bejammernswerte Dramen werden im Schlafzimmer erlebt; wie viel Tränen werden in deinem Namen vergossen, o Wollust; wie viel Ekel entsteht unter deinem Titel!

– Dieses »Nun« der Aschtoret forderte Sie heraus, die zu Eros zurückzuführen, die von ihr verführt worden war.

– Ich kümmere mich nur um die Seelen, und bei Frau von Maudoré ist der Körper ergriffen worden.

– Mein Freund, Sie urteilen als Mann, der die Quelle, aus der er trinkt, verachten kann; die Frau, die der Materie näher steht, deren Seele enger mit dem Körper zusammenhängt, wird überall erfaßt, wenn sie von den Sinnen erfaßt wird.

– Vielleicht; aber ich schlage mich nicht mit Organismen …

Goulaine kam dazu:

– Ah, da sind Sie, schöner Admiral! (Ein Beiname, den man ihm seit seiner Seefahrt auf der Sappho gab.) Ich verspreche Ihnen ein Dokument für sofort, wenn Sie mir zu einer Hetäre folgen wollen.

– Zu einer Hetäre … nein.

– Warten Sie, die Hetäre ist die Geliebte einer Frau aus der besten Gesellschaft, die derartig hin und her getrieben wurde, daß sie aus Erfahrung sich mit der Hetäre verständigte. Sie beschlossen, auf Gewinn und Verlust zusammen zu schwelgen: es ist ein seltsamer Anblick. Zuweilen verlangt die Hetäre als Dienst, daß die Gräfin, denn sie hat eine Amsel im Wappen, ihr die Kundschaft abnimmt; doch daß sie sich in diesen Fällen bezahlen läßt, hat sie von der großen Dame nicht erreichen können: das ist ihr einziger Streit.

– Schauerlich! rief Tammuz.

Brétancourt, die inzwischen eingetreten war, wiederholte den Ausruf.

– Schauerlich? Es gibt Schrecklicheres! Ich flirtete einst mit der Krakof, der Frau mit den berühmten Schultern. Olivier von Ouessant, der hübscheste der Witwer, wie man ihn nennt, geriet in Wut. Eines Abends nahm er mich beiseite: »Ich kann Sie nicht zum Duell herausfordern; zwar sind Sie Fechterin, aber Sie sind eine Frau; deshalb wende ich mich an Ihr Herz; die Krakof bedeutet für Sie nur einen Zeitvertreib; für mich dagegen … ich will Ihnen nur eines sagen … sie hat meine Tochter gewollt, ich habe sie ihr gegeben.«

– Ach, schweigen Sie, rief Tammuz, sonst werde ich diese ganze Welt, zu der Sie leider gehören, hassen!

– Ich will auch eine Geschichte erzählen, sagte Lilith, eine der schönsten unserer Annalen. Wer hat Frau von Tessonne gekannt? Eine wirklich hübsche Frau, die sich in die Nina verliebte, als der Prinz von Courtenay gestorben war Peladan, Das höchste Laster (deutsch erschienen).. Da die Tessonne das Leben von Paris nicht kannte, gab sich die Nina für ruiniert aus. Eines Tages sagte sie: »Höre, da ist eine Frau, die will dreißigtausend Franken für eine Nacht mit dir geben.« Die Tessonne erwiderte: »Bringe sie her und nimm die dreißigtausend.«

– Wohin gehen Sie, Tammuz?

– Aufatmen! Setzen Sie mich nicht mehr auf diese Art in Erstaunen, ich würde ungerecht werden. Die Leidenschaft ist wert, daß man sie studiert; die Wollust, daß man sie bestimmt; aber das Verbrechen in dieser Kraft ist abschreckend.

Damit ging er.

Stella schalt die Gynandres.

– Auf uns alle wird seine Phantasie ihre Verachtung zurückfallen lassen, Ihr Unbesonnenen.


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